# taz.de -- Kindesmissbrauch in Neuseeland: Maori-Kinder als größte Opfergrup… | |
> Fast 40 Prozent der in staatlichen Einrichtungen untergebrachten Kinder | |
> wurden missbraucht. Bislang gab es keine Statistiken. | |
Bild: Premierministerin Jacinda Ardern hatte bereites 2018 Untersuchungen einge… | |
Sydney taz | In Neuseelands kirchlichen und staatlichen Einrichtungen für | |
Kinder und Jugendliche ist der psychische, physische und sexuelle | |
Missbrauch weit verbreitet. Zu diesem Schluss kommt der Zwischenbericht | |
einer von der Regierung in die Wege geleiteten Untersuchung. | |
Danach wurden von 1950 bis 2019 bis zu 253.000 Menschen Opfer von | |
Missbrauch. Das sind fast 40 Prozent der 655.000 Kinder, die in diesem | |
Zeitraum betreut wurden. Laut dem Bericht ist die Zahl der Kinder, die in | |
Pflegeeinrichtungen aufgenommen worden waren, sechsmal höher als die | |
Regierung bisher geschätzt hatte. | |
Weil es bisher keine entsprechenden Statistiken gab, war der Tatbestand der | |
Vernachlässigung als Form von Missbrauch gar nicht berücksichtigt worden. | |
Sonst wären die Zahlen noch höher gewesen, heißt es in dem Bericht. | |
[1][Premierministerin Jacinda Ardern] hatte 2018 gleich in ihrem ersten | |
Amtsjahr die Untersuchung in die Wege geleitet. Neuseeland müsse sich „mit | |
einem dunklen Kapitel“ seiner Geschichte konfrontieren, sagte die | |
Regierungschefin damals. Später wurde die Untersuchung von staatlichen auch | |
auf auf kirchliche Institutionen ausgeweitet. | |
## Vorwurf des Rassismus | |
Laut dem Bericht liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder und Jugendliche | |
in religiösen Heimen missbraucht worden sind, zwischen 21 und 42 Prozent. | |
Der Bericht ist erst das Zwischenergebnis einer langwierigen Untersuchung. | |
Betroffene, Expert*innen und Jurist*innen hatten in zum Teil emotionalen | |
Sitzungen über ihre Erfahrungen berichtet. | |
Keith Wiffin, der im Alter von zehn Jahren in staatliche Obhut gegeben | |
wurde und dabei selbst Missbrauch erlebte, sagte der Tageszeitung New | |
Zealand Herald, dass die im Bericht genannte Zahl der Misshandelten | |
„wirklich verblüffend“ sei. Der 60-Jährige zeigte sich „schockiert dar�… | |
und ich denke, die Nation wird es auch sein“. | |
Der Bericht bestätigte die Befürchtung von Maoris, wonach die indigenen | |
Neuseeländer*innen besonders betroffen seien. Denn 81 Prozent der | |
missbrauchten Kinder waren Maori, die 69 Prozent der Kinder in den | |
staatlichen und kirchlichen Heimen ausmachen. Rund 800.000 Menschen (16.5 | |
Prozent der Bevölkerung) zählen sich heute in Neuseeland zur indigenen | |
Bevölkerungsgruppe. | |
Maori-Organisationen kritisieren seit Jahren die Einweisung von | |
Maori-Kindern in Heime als eine Form von Rassismus. Im letzten Jahr hatten | |
Tausende gegen die Praxis demonstriert, von Missbrauch und Vernachlässigung | |
bedrohte Kinder in staatliche Verwahrung zu geben. | |
## Alkoholismus, Vernachlässigung, Vertuschung, Kollaboration | |
Gewalt gegen Kinder – oft in Verbindung mit Drogen- oder Alkoholmissbrauch | |
– ist ein verbreitetes Problem in Neuseeland, besonders in Maori-Familien. | |
Oft herrsche eine Kultur der Vertuschung und Kollaboration, die den | |
langzeitigen Missbrauch von Kindern fördere, so ein Kritiker. | |
Maori-Vertreter verweisen auf die sozialen Ursachen des Problem, da es vor | |
allem ärmere Gemeinden betreffe. Premierministerin Ardern hatte die | |
Eindämmung von Missbrauch und Vernachlässigung von Kindern zu einer | |
Priorität ihrer Regierung erklärt. Im Haushaltsplan, von 2019 versprach sie | |
den Zyklus gravierender Kinderarmut brechen zu wollen. | |
Laut Unicef haben in Neuseeland 27 Prozent der Kinder kein warmes und | |
trockenes Zuhause und nur eine mangelhafte Gesundheits- und | |
Nahrunsversorgung. Zudem leiden sie unter häuslicher Gewalt: alle vier | |
Minuten wird die Polizei zu einem solche Fall häuslicher Gewalt gerufen. | |
16 Dec 2020 | |
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[1] /Neuseelands-Premierministerin/!5686875 | |
## AUTOREN | |
Urs Wälterlin | |
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