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# taz.de -- Mutmaßlich rechter Terror im Jahr 2000: Wehrhahn-Anschlag bleibt u…
> 20 Jahre nach dem Attentat in Düsseldorf hat der BGH den Freispruch für
> einen Nazi bestätigt. Zwölf Menschen wurden damals teils schwer verletzt.
Bild: Rettungskräfte versorgen Verletzte vor dem S-Bahnhof Wehrhahn am 27. Jul…
Karlsruhe taz | Der Freispruch für den heute 54-jährigen Rechtsextremisten
Ralf S. war „rechtsfehlerfrei“. Mit diesem Urteil beendete der
Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag in letzter Instanz den mehrjährigen
Prozess zum [1][Bombenanschlag auf zwölf osteuropäische SprachschülerInnen
im Jahr 2000].
Die SprachschülerInnen kamen aus Russland, der Ukraine und aus
Aserbaidschan. Rund die Hälfte von ihnen waren JüdInnen. Auf dem S-Bahnhof
Düsseldorf-Wehrhahn wurden sie Opfer einer selbstgebauten TNT-Rohrbombe,
die in einer Plastiktüte am Geländer einer Fußgängerbrücke hing und per
Funk ausgelöst wurde. Sieben Frauen und drei Männer erlitten teils schwere
Verletzungen. Eine Schwangere verlor ihr ungeborenes Baby.
Der Anschlag sorgte damals für große Bestürzung, die Polizei vermutete
sofort rassistische Motive. Als es drei Monate später zu einem Anschlag auf
die Synagoge von Düsseldorf kam, rief der damalige Bundeskanzler Gerhard
Schröder (SPD) einen „Aufstand der Anständigen“ aus. Es kam zu
Lichterketten-Demonstrationen, und die Bundesregierung beantragte beim
Bundesverfassungsgericht ein Verbot der NPD.
Den Anschlag auf die Synagoge gestanden später ein Palästinenser und ein
Marokkaner und begründeten ihn mit der israelischen Besatzungspolitik in
Gaza. Das Bombenattentat von Wehrhahn blieb aber unaufgeklärt. 2009 löste
sich die polizeiliche Sonderkommission zu dem Anschlag auf.
## Ein absehbares Urteil
Erst 2017 gab es doch noch einen Ermittlungserfolg. Die Polizei nahm den
ehemaligen Berufssoldaten Ralf S. fest, einen vor Ort bekannten
Rechtsextremisten. S. hatte in der Nähe des S-Bahnhofs gewohnt, sein
Militarialaden lag neben der Sprachenschule. Schon kurz nach der Tat war er
in Verdacht geraten, konnte damals jedoch ein Alibi vorweisen. Nun aber
hatten ihn zwei ehemalige Knastgenossen belastet, denen er in der Haft den
Anschlag gestanden haben soll.
2018 kam es am Landgericht Düsseldorf zu einem halbjährigen Strafprozess,
[2][an dessen Ende Ralf S. jedoch freigesprochen wurde]. Das Gericht war
nicht ausreichend von S.’ Täterschaft überzeugt. S. hatte die
vermeintlichen Geständnisse bestritten. Handfeste Spuren, die auf ihn
hindeuteten, gab es nicht. S. bekam sogar Entschädigung für die
mehrmonatige Zeit in der Untersuchungshaft.
Doch die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft wollte das Urteil nicht
akzeptieren und legte Revision ein. Die Beweiswürdigung des Landgerichts
sei fehlerhaft gewesen. Dass die Revision schlechte Erfolgsaussichten hat,
zeichnete sich aber schon bei der mündlichen BGH-Verhandlung im vorigen
November ab. Die Bundesanwaltschaft unterstützte die Revision der
Düsseldorfer Staatsanwaltschaft nicht und beantragte, den Freispruch
aufrechtzuerhalten.
Dem folgte nun auch der 3. BGH-Strafsenat, der für Terror und Staatsschutz
zuständig ist. Der BGH müsse die Beweiswürdigung des Landgerichts
grundsätzlich akzeptieren. „Nur das Landgericht hat alle Zeugen gehört, mit
den Sachverständigen gesprochen und die Beweismittel gesehen“, sagte der
Vorsitzende Richter Jürgen Schäfer. Der BGH könne die Beweisaufnahme des
Landgerichts nur bei Rechtsfehlern beanstanden, etwa wenn die Überlegungen
widersprüchlich oder lückenhaft waren.
Richter Schäfer ging näher auf die Zeugenaussagen ein, die Ralf S.
belasteten. Die beiden Strafgefangenen hätte Unstimmigkeiten in ihren
Aussagen nicht überzeugend erklären können. Auch die Aussagen von zwei
Frauen aus dem Umfeld von S., die ausgesagt hatten, S. habe die Tat ihnen
gegenüber angekündigt, seien nicht nachvollziehbar genug gewesen. Beide
Frauen waren in den Jahren 2000 und 2001 mehrfach von der Polizei befragt
worden und hatten S. damals nicht belastet. Erst nach über 16 Jahren hatten
sie ihre vermeintlichen Erinnerungen der Polizei mitgeteilt.
Zwar habe S. im Verfahren mehrfach gelogen, so Richter Schäfer, und auch
versucht, ZeugInnen zu beeinflussen. Doch auch das hätte das Landgericht
nicht als zwingenden Beweis für eine Täterschaft werten müssen,
argumentierte Schäfer. „So kann sich auch jemand verhalten, der sich zu
Unrecht beschuldigt sieht.“
Gegen den Freispruch von S. sind keine weiteren Rechtsmittel möglich.
14 Jan 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Christian Rath
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Rechtsextremismus
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