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# taz.de -- Die Wahrheit: Warum immer Ich?
> Erst Corona, dann die Sache mit Trump, und jetzt tropft auch noch Wasser
> aus der Decke … wo bleibt der Notdienst? Keine Chance, ist noch nicht
> 18h.
Bild: Christen im Widerstand: Kruzifix auf Coronademo in Berlin im November 2020
Och nee“, dachte ich, nachdem ich nach Hause gekommen und in mein Büro
getreten war, „erst Corona, dann die Sache mit Trump, und jetzt tropft auch
noch Wasser aus der Decke auf meinen Drucker. Warum ausgerechnet immer
ich?“
Es tropfte sogar sehr ordentlich, es war direkt ein kleiner Wasserfall. Ich
stürzte zu den Mietern über mir. Leider war niemand zu Hause. Verdammte
Regierung! Diese viel zu milden Anti-Corona-Maßnahmen! Warum dürfen die
Leute immer noch sinnlos in der Gegend rumlaufen? Ich fühlte mich wie
Sophie Scholl, Sophia Loren und Sophie Passmann zusammen.
Aber was sollte ich jetzt bloß machen? Tür aufbrechen darf man bestimmt
auch wieder nicht, nichts darf man ja mehr in diesem Land, überall wird man
unterdrückt und mundtot gemacht. Ich eilte in den Hauseingang zum Aushang
der Hausverwaltung. Darauf las ich, dass die Sprechstunden wegen Corona
ausfallen. Das macht nichts, dachte ich, ich will sie ja nicht besuchen.
Ich will nur, dass sie jemanden vorbeischicken.
Ein Anrufbeantworter ging ran. Er begrüßte mich ausgiebig und langwierig.
Ich erfuhr, in welchen Städten unsere Hausverwaltung ihr segensreiches
Wirken zugunsten des Mieters entfaltet, dass sie stets nur unser Bestes
will, dass sie jederzeit für jedwedes Anliegen bereitsteht, dass man dieses
Anliegen aber gefälligst schriftlich einzureichen habe, da wegen Corona
gerade keine Sprechzeiten sind. Ich fluchte.
Und rief die Havarie-Notfallnummer an. Ein Anrufbeantworter informierte
mich, dass ich während der Geschäftszeiten der Hausverwaltung anrief und in
dieser Zeit Notfälle bitte dort zu melden seien. Was tun? Feuerwehr
verständigen? Technisches Hilfswerk? Christian Drosten? Ich versuchte es
bei der Hausmeister-serviceagentur. Zu meiner eigenen Überraschung ging
immerhin so etwas wie ein lebender Mensch ran. Ich schilderte ihm das
Problem. Er sagte: Es sei leider noch nicht 18 Uhr. Ab 18 Uhr sei er der
Havarie-Notdienst, vorher sei er leider nicht zuständig, sondern die
Hausverwaltung.
„Aber bei der Hausverwaltung geht niemand ran!“, rief ich zunehmend
verzweifelt, „und bei mir fließt Liter um Liter durch die Decke!“ – „D…
ist gefährlich“, informierte der Hausmeister mich, „das dürfen Sie nicht
einfach laufen lassen. Schreiben Sie eine E-Mail an die Hausverwaltung.“ –
„Und Sie meinen, die sitzen da, aber gehen wegen Corona nicht ans Telefon,
weil sie Angst haben, sich am Hörer zu infizieren? Und lesen trotzdem ihre
Mails, oder was?“– „Versuchen Sie es. Wenn sich bis 18 Uhr niemand gemeld…
hat, rufen Sie noch mal an. Dann komme ich und drehe einfach den
Hauptwasserhahn ab.“ – „Um 18 Uhr? Das ist in zwei Stunden! Bis dahin ist
meine Wohnung ein Wasserschutzgebiet!“ Da legte er einfach auf. Verdammt.
Erst Corona, dann die Sache mit Trump, und nun hat mich auch noch die
Hausmeisterserviceagentur mundtot gemacht. Warum ausgerechnet immer ich?
15 Jan 2021
## AUTOREN
Heiko Werning
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Havarie
Wasser
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Berlin
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