# taz.de -- Glühwein und Wegebier nicht mehr erlaubt: Mit einem klaren Kopf | |
> Was für ein echt harter Lockdown: Nicht mal mehr Glühwein ist erlaubt – | |
> und erst recht kein Wegebier. Was macht das bloß mit Berlin? | |
Bild: Verboten: das geht grad nicht; wäre auch zu kalt in diesen dunklen Tagen | |
Statt Wegbier heißt es nun Bier weg: So in etwa dürfte sich in naher | |
Zukunft das Niveau der deutschen Wortkunst gestalten, wenn deren Pfleger | |
beim Inspirationsspaziergang auf den gewohnten Schmierstoff verzichten | |
müssen. Das Feuer unseres Geistes wird erlöschen, die Wurzel unserer Kultur | |
verdorren, die Quelle deutschen Seins versiegen. | |
Denn seit diesem Mittwoch ist der Konsum von Alkohol auf öffentlichem | |
Straßenland verboten. Das gilt für den Glühwein am Stand, das Bier in der | |
Hand, den Schnaps unter der Brücke. Angeblich wegen Corona, aber das kennt | |
man ja: Was die da oben erst mal eingeführt haben, nehmen sie nie wieder | |
zurück – davor warnte bereits der blinde Seher Giorgio Agamben. Sie werden | |
uns knechten, und dann werden sie uns töten. | |
Was sollen wir denn jetzt tun? Wie sollen wir zu Fuß eine Strecke von A | |
nach B zurücklegen ohne Alkohol? Hätten sie uns das Atmen verboten, wäre es | |
nicht halb so schlimm gewesen. Das ist nicht mehr mein Deutschland. | |
Doch denken wir einmal nicht nur an uns selbst. Denn besonders schlimm wird | |
es auch für die Amerikaner sein. Touristen sind zurzeit kaum hier, aber | |
dafür weiter jede Menge Expats. Also Halbtouristen, die arbeiten oder so | |
tun, als ob, oder auch einfach nur ein paar Monate hier abhängen. Gerade | |
die sieht man zu wirklich jeder Tageszeit mit Billigbieren in der Hand | |
flanieren. Das kann zwar weder schmecken noch einer konstruktiven | |
Tagesgestaltung dienen, doch ihre Mienen verraten: Ich tue das, weil ich es | |
kann. In der Heimat hätte ihnen die Polizei dafür in den Rücken geschossen. | |
## Bier trinken auf der Straße, meine Fresse! | |
Jetzt aber können sie es nicht mehr. Das Erlebnis stand für jeden Besucher | |
auf der Prioritätenliste ganz oben neben einem Joyriding auf der Autobahn: | |
Bier trinken auf der Straße, meine Fresse! Was fast in der ganzen Welt | |
verboten ist, war hier bis eben noch erlaubt, der größte Stolz der | |
deutschen Seele, fast noch vor dem heiligen Recht zum Totrasen mit | |
zwohundert Sachen. | |
Und nun? Was will man denn jetzt noch hier?, fragen sich zu Recht die | |
Fremden. Mit dem Verbot hat dieses ansonsten ja überaus langweilige Land | |
seinen Reiz komplett verloren. Über Nacht werden Wohnungen aufgelöst und | |
Rückflüge gebucht. Dass man kein Mobilnetz hat oder nicht mit Karte | |
bezahlen kann, wirkt auf Ausländer zwar ebenfalls exotisch, ist jedoch kein | |
echtes Alleinstellungsmerkmal, denn das wäre im Himalaja auch nicht anders. | |
Vor allem aber ist das alles kein Ersatz für ein gepflegtes Fußpils. | |
An Silvester wird dann sogar der schlichte Verkauf von Alkohol zwischen 14 | |
Uhr und 6 Uhr des Folgetags untersagt sein. So kann man mal in aller Ruhe | |
und mit klarem Kopf darüber nachdenken, was dieses für ein Scheißjahr war. | |
19 Dec 2020 | |
## AUTOREN | |
Uli Hannemann | |
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