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# taz.de -- Judo-Afrikameisterin aus Sachsen: Dabei sein ist nicht alles
> Die deutsche Judoka Marie Branser möchte bald olympisch kämpfen – und
> geht dabei leider den Umweg über die Demokratische Republik Kongo.
Bild: Einsatz in der Zweiten Judo-Bundesliga: Marie Branser (l.) hält ihre Geg…
Seit einem Jahr kämpft die Leipzigerin Marie Branser bereits für die
Demokratische Republik Kongo. Am Wochenende war die Sächsin in Madagaskars
Hauptstadt Antananarivo für den Kongo im Einsatz und wurde prompt
Afrikameisterin. So kann man das auch auf den Wettkampfbögen der
28-jährigen Judoka nachlesen.
Hinter dieser Geschichte steht aber eine andere Geschichte: Eigentlich
kämpft Branser für sich und ihren Traum, an den Olympischen Spielen in
Tokio teilzunehmen. Weil die Konkurrenz in Deutschland zu groß war, hat sie
sich der französischen kolonialen Netzwerke bedient. Geholfen dabei hat ein
französischer Trainer. Die Demokratische Republik Kongo ist lediglich das
Fahrzeug, auf das sie aufgesprungen ist, um möglichst doch noch nach Japan
zu gelangen.
Warum auch nicht? Das emotionale nationale Gedöns ist per se irrational,
das ist im sportlichen Wettstreit der Nationen nicht anders. Hat nicht
Katar bei der Handball-WM 2015 im eigenen Lande so viele Spitzenhandballer
eingebürgert, dass am Ende im Kader nur vier Spieler standen, die in Katar
geboren waren? [1][Ziel war die Internationalisierung eines Nationalteams
im nationalen Interesse, um die eigene Stärke zu demonstrieren.] Absurder
geht es kaum.
Erinnert sei auch an den südafrikanischen Fußballer Sean Dundee, den der
deutsche Innenminister zu Krisenzeiten des deutschen Fußball im
Eilverfahren wegen eines „herausragenden öffentlichen Interesses“
einbürgerte. Gemeint war auch hier das nationale Interesse.
Kongo-Aufenthalt der Großeltern
Warum also nicht im Eigeninteresse dieses absurde Spiel der nationalen
Interessen sich zunutze machen? Branser fand ihren Wechsel in den
kongolesischen Judoverband auch passend, weil ihre Großeltern in dem Land
ein paar Jahre gearbeitet haben. Auf der Suche nach dem individuellen Glück
haben bereits etliche andere deutsche Athleten sich eine neue Wahlheimat
gesucht. Der Skilangläufer Johann Mühlegg glitt nach seiner Suspendierung
aus dem deutschen Team für Spanien durch den Schnee, den Biathlet Michael
Rösch zog es nach Belgien.
Der Fall von Marie Branser zeigt jedoch, dass sich die individuelle
Perspektive nicht so einfach von der nationalen lösen lässt. Die
Leipzigerin hat eine einheimische kongolesische Konkurrentin in der Klasse
bis 78-Kilogramm verdrängt, die seither nicht mehr an internationalen
Wettkämpfen teilnehmen kann.
Und nur dort gibt es Qualifikationspunkte für die Olympischen Spiele zu
gewinnen. Zuletzt hat Branser [2][etwa gegenüber dem Deutschlandfunk] um
Anerkennung für ihre Entscheidung mit der Begründung geworben, sie
investiere ohne staatliche Förderung sehr viel Geld und etliche Nerven. Ein
Argument, das innerhalb des deutschen Sportkosmos vielleicht Respekt
verdient.
Mit etwas Abstand betrachtet aber bedient sich Marie Branser eines Systems,
das die koloniale Ausbeutung auch im Bereich des Sports fortschreibt. Eine
kongolesische Judoka wird kaum wie Branser über Crowdfunding 6.000 Euro
eintreiben können, um ihrem olympischen Traum näherzukommen. Erst recht
nicht wird sie dafür unter professionellen Bedingungen in Leipzig
trainieren können. Auf dem Ticket der Demokratischen Republik Kongo sollte
man keine olympischen Traumreisen buchen.
22 Dec 2020
## LINKS
[1] /Katar-gegen-Island-im-belgischen-Eupen/!5548788
[2] https://www.deutschlandfunk.de/nationenwechsel-im-leistungssport-warum-eine…
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Judo
Kolumne Press-Schlag
Sexuelle Gewalt
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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