| # taz.de -- Gold-Judoka im Interview: "Ich bin immer noch platt" | |
| > Olympiasieger Ole Bischof nach dem größten Erfolg in seiner Karriere. | |
| > Über Erschöpfung, Freude, Vorbereitung und die Goldmedaille auf seinem | |
| > Nachttisch. | |
| Bild: Nach seinem Sieg erstmal auf dem Boden geblieben. Ole Bischof. | |
| taz: Herr Bischof, Sie sehen müde aus. | |
| Ole Bischof: Ich habe nur drei Stunden geschlafen. Das muss reichen. Ab und | |
| zu hab ich auch noch schlaftrunken auf die Goldmedaille auf meinem | |
| Nachttisch geschielt. Schlafen kann ich nächstes Jahr wieder. Und jetzt | |
| muss ich auch schon wieder in die Judohalle. | |
| Sie haben es doch hinter sich? | |
| Noch nicht ganz, ich muss mich Michael Pinske, unserem Mann bis 90 Kilo, | |
| zur Verfügung stellen. Der braucht jemand, um warm zu werden. Ich lasse | |
| mich mal richtig von ihm durchwerfen, auf die Matte hauen, dann kapiere ich | |
| vielleicht, was hier passiert ist. | |
| Sie haben Gold in der Klasse bis 81 Kilogramm gewonnen. Was passiert | |
| eigentlich mit einem frisch gekürten Olympiasieger? | |
| Es ist ziemlich banal. Man wird zur Dopingkontrolle geschleppt, ab da nicht | |
| mehr aus den Augen gelassen. Und weil man erst nicht aufs Klo kann, trinkt | |
| man Unmengen Wasser. Dann geht es zwar mit der Probe, aber man muss die | |
| ganze Zeit danach ständig pissen. Und so fühlt man sich auch. Dann wartet | |
| die Presse. Unser Schwergewichtler hat mich später auch in den Arm | |
| genommen, ziemlich heftig. Ich bin immer noch platt. | |
| Sie stehen jetzt im Scheinwerferlich. Bald nicht mehr. Frustriert Sie das? | |
| Momentan spüre ich keinen Frust. Schauen Sie, in Frankreich kämpfe ich vor | |
| 10.000 Leuten. In Georgien vor 8.000. Das ist doch toll. Judo ist eine | |
| fantastische Sportart. | |
| Inwiefern? | |
| Es ist ein großartiger Bewegungssport. Da gibt es auch für mich als | |
| Olympiasieger immer noch viel zu entdecken. Es ist schön, wenn man den | |
| anderen umwerfen kann, ohne ihn zu verletzen. In dieser | |
| Vollkontakt-Sportart ist es nie langweilig. Für mich ist Judo ein | |
| Lebensstil. Der Fokus der Öffentlichkeit ist natürlich auf die Fußballer | |
| gerichtet. Aber das ist okay. Man muss gönnen können. Außerdem wäre die | |
| einzige Person, die ich gestern hätte enttäuschen können, mein Trainer | |
| (Frank Wieneke; d. Red.) gewesen. Das ist Luxus. | |
| Sind Sie neidisch auf Michael Phelps, der acht Chancen hat, um Gold zu | |
| gewinnen, sich aber gar nicht mehr richtig freuen kann über diese Flut von | |
| Goldmedaillen und Weltrekorden? | |
| Als Judoka hatte ich nur einen Versuch. Ich hätte auch im Auftaktkampf | |
| auscheiden können, ich lag zurück. Und das nicht nur einmal. Klar, es hätte | |
| auch schief gehen können. Im Gegensatz zu Phelps kann ich aber jetzt feiern | |
| gehen, und er muss weiter ran. Da hat der Michael einen großen Fehler | |
| gemacht. | |
| Sie haben sich abkribisch auf ihre 35 potenziellen Gegner vorbereitet. Wie | |
| macht man das? | |
| Das IAT (Institut für angewandte Trainingswissenschaften; d. Red.) in | |
| Leipzig filmt die Gegner und schneidet für uns Videosequenzen zusammen. Wir | |
| knöpfen uns jeden Einzelnen vor und suchen nach Lösungsvarianten. Wir | |
| wissen dann, ob es sich um einen Rechts- oder Linkskämpfer handelt. Ob er | |
| tüchtig Muckis hat und deswegen explosiv kämpft, hinter raus aber | |
| wahrscheinlich konditionelle Mängel zeigt. Oder ob es sich um einen | |
| Techniker handelt. Das sind zum Beispiel die Japaner. | |
| Die Erfinder des Judo. | |
| Sie sind perfekte Techniker, während die Leute aus dem Ostblock eher über | |
| die Kraft kommen. Das muss man alles wissen, um gewinnen zu können. Ich | |
| stelle meinen Kampfstil exakt auf den des Gegners ein. | |
| Haben Sie sich in Japan schulen lassen? | |
| Ich war ein paar Monate dort. Aber wir gehen meist in den Ostblock. Das ist | |
| billiger. | |
| INTERVIEW: MARKUS VÖLKER | |
| 13 Aug 2008 | |
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