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# taz.de -- Konjunkturhilfen für Forstwirtschaft: Meister des Lobbyismus
> Die Forstwirtschaft hat es verstanden, ihre Pläne der
> Landwirtschaftsministerin als „nachhaltig“ unterzujubeln. Auf der Strecke
> bleibt die Ökologie.
Bild: Durch Trockenheit geschwächte und vom Borkenkäfer befallene Bäume müs…
Angeblich klamm, doch eher heimlich haben die Lobbyisten der
Forstwirtschaft es im Lockdown geschafft:
[1][Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) schanzt ihnen 500
Millionen Euro „Nachhaltigkeitsprämie“ aus den Konjunkturhilfen zu]. Ein
paar Hundert Großwaldbesitzer mit Tausend bis mehreren Zehntausend Hektar
und die 1,8 Millionen Kleinwaldbesitzer mit 1, 5 oder 12 Hektar Wald
erhalten ab sofort 100 Euro pro Hektar. Sie müssen keine Dürre- oder
Coronaschäden nachweisen, müssen auch keinen einzigen Laubbaum säen oder
die biologische Vielfalt in ihrem Wald fördern. Sie müssen nur ihren Forst
bis September 2021 nach den Kriterien des von Forst- und
Sägemühlenbesitzern gelenkten Verbands PEFC oder der Organisationen FSC und
Naturland zertifizieren lassen.
Klöckners „Nachhaltigkeitsprämie“ ist nichts anderes als die Abwrackpräm…
mit der die Bundesregierung vor ein paar Jahren die am Diesel- und
Ottomotor hängende Autoindustrie subventionierte. Damit verzögerte dieselbe
Bundeskanzlerin wie heute die Ausrichtung auf eine umweltverträgliche
Mobilität. Das rächt sich – die deutschen Autokonzerne haben keine
wettbewerbsfähigen klimaverträglichen Autos entwickelt und deshalb
vergangene Woche mal wieder 3 Milliarden Euro aus der Steuerkasse für den
Strukturwandel erhalten. Ein derartiges Meisterstück des Lobbyismus haben
die Waldeigentümer nun auch geschafft – sie bekommen Geld und bewahren die
Forstwirtschaft vor dem Strukturwandel in Zeiten der Erderwärmung.
Offensichtlich glaubt Klöckner die Erzählungen der Großwaldbesitzer in den
Forstwirtschaftsverbänden Die Privatwaldbetriebe und Die Waldeigentümer.
Sie hängen ihr am Ohr, so wie die Vorstände der Autokonzerne im Kanzleramt
Gehör finden. Um an die Coronahilfen zu gelangen, hat zudem der Lobbyist
der beiden Forstverbände im Landwirtschaftsministerium vorgesprochen und
die Vorstellungen der Waldbesitzer in den Block des Abteilungsleiters
„Wald, Nachhaltigkeit, Nachwachsende Rohstoffe“ diktiert. Dabei hat er
gleich die ökologisch sinnvollen Forderungen des Bundesumweltministeriums
abgeräumt, heißt es im Ministerium. Das Umweltministerium wollte Flächen
aus der Nutzung nehmen und Waldbesitzer dafür entschädigen. „Stilllegung“
nennen das die Forstwirtschaftsverbände, Ökologen sprechen von natürlicher
Waldentwicklung. Denn nur wo sich Bäume, Pilze, Käfer und all die anderen
Lebewesen ungestört von Harvestern entwickeln können, entstehen die
Waldökosysteme, die im Klimawandel leben können. Dort entwickelt sich die
genetische Software, die unsere Nachfahren brauchen, um überhaupt Bäume und
Wald zu erleben.
Zum Meisterstück der Aneignung von einer halben Milliarde Euro gehört auch,
dass die Großwaldbesitzer der von ihnen kontrollierten
Zertifizierungsgesellschaft PEFC Neukunden vermitteln. Damit kontrollieren
sie all die bislang nicht zertifizierten Waldbesitzer, die im PEFC-Verbund
nicht mehr aus der reinen Forstwirtschaftslehre ausscheren können.
[2][Nachhaltigkeit im Wald] bedeutet nicht, was sich umweltbewusste
Menschen unter Nachhaltigkeit vorstellen. Nachhaltige Forstwirtschaft
bedeutet, dass Förster für den Wirtschaftsbetrieb pflanzen und den Vorrat,
vulgo Bäume, mehren. Damit die Erntemaschinen gut ans Holz kommen, wachsen
im nachhaltigen Forst die Bäume in Reihe. Förster besprühen sie aus der
Luft mit Pestiziden gegen Käfer, drainieren, kalken und entwässern den
Boden und schlagen alle drei bis fünf Jahre die für die Zukunft
ausgewählten Bäume frei. Förster lichten damit das Kronendach, was einer
von vielen forstwirtschaftlichen Gründen für die Dürreschäden ist. Wälder
trocknen schneller aus, wenn die Baumkronen nicht den Boden beschatten und
die von Bäumen ausgeatmete Feuchtigkeit unter dem Blätterdach im Wald
halten. Die von Försters Säge vereinzelten Bäume haben zudem individuell
schlechtere Lebenschancen. [3][Bäume sind keine Einzelkämpfer, sondern
tauschen über ihre verbundenen Wurzeln Nährstoffe und Wasser untereinander
aus]. Allein gestellt, vertrocknen sie schneller. Ein weiterer Grund für
300.000 Hektar vertrocknete Bäume in deutschen Forsten sind die
Forststraßen. Sie bilden ein enges Netz der Logistik, durch das heiße Luft
in den Wald strömt und Boden und Bäume föhnt.
## Forstwirtschaft am Ende
Nachhaltigkeit hat nichts mit Wald oder mit Ökologie gemein. Es ist ein
Wirtschaftskonzept. Im Dürrejahr 2020 starb daher nicht der Wald, sondern
die Wirtschaftsform Forst begann zu siechen. Viele Forstwirtschaftsbetriebe
und Waldbesitzer wissen natürlich, dass ihr System der traditionellen
Forstwirtschaft am Ende ist. Sie wollen aber nicht loslassen von der stetig
wachsenden Geldvermehrung aus CO2 und Licht. Und deswegen arbeiten die
Waldeigentümer längst an einer noch viel größeren Erzählung, die den
Rohstoff vergoldet, mit dem außer ihnen niemand etwas anfangen kann: CO2.
Waldbesitzer erzählen nun, dass Jungbäume und Pflanzungen die beste Art
seien, CO2 zu binden, es also dem Klimaschutz diene, Platz in Wäldern zu
schaffen und mit schnell wachsenden Bäumen, auch genetisch manipuliert,
aufzuforsten. Wissenschaftlich ist das falsch. Alte Bäume, Totholz und
Böden in Wäldern speichern mehr CO2 als Forstplantagen. Doch es hört sich
so verlockend an, dass Aufforstungen der Politik die Last der CO2-Minderung
abnehmen. Buchen pflanzen für den SUV klingt einfacher, als die Industrie
zu klimaverträglichen Kleinwagen zu bringen. Die Waldbesitzer wollen
politisch durchsetzen, dass ihre Forste eine CO2-Flächenprämie von 112,50
Euro pro Hektar aus dem Klimafonds der Bundesregierung erhalten. Dann ist
es nur noch ein kleiner Schritt, um Forste als die nature based solutions
in den EU-Verhandlungen des Green New Deal durchzubringen. Dann heißt es
Buchen zu Benzin, Fichten pflanzen für Kohlekraftwerke. Das ist für den
Wald wesentlich gefährlicher als alles, was Nachhaltigkeit bisher
angerichtet hat.
27 Nov 2020
## LINKS
[1] /Flaechenpraemie-fuer-Waldbesitzer/!5729620
[2] /Aufforstung-in-Deutschland/!5727778
[3] /Ministerinnen-zu-Waldschaeden/!5712902
## AUTOREN
Ulrike Fokken
## TAGS
Forstwirtschaft
Waldschäden
Ökologie
Julia Klöckner
Schwerpunkt Klimawandel
Wald
Schwerpunkt Klimawandel
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