# taz.de -- OB-Stichwahl in Stuttgart: Kandidiert und blamiert | |
> In Stuttgart könnte der nächste Oberbürgermeister von der CDU kommen. Das | |
> liegt weniger an Mehrheiten als am Versagen von SPD, Grünen und Bündnis | |
> Sös. | |
Bild: Sie wird es nicht: Veronika Kienzle (Grüne) tritt in der Stichwahl nicht… | |
KARLSRUHE taz | Die grauen Haare zurückgegelt, das Lächeln oft wie | |
festgetackert und eine biedere Rhetorik, die an CDU-Ministerpräsident Erwin | |
Teufel und die frühen 90er Jahre erinnert: Es wäre schon eine echte | |
Überraschung, wenn Frank Nopper am kommenden Sonntag nicht zum | |
Oberbürgermeister von Stuttgart gewählt würde. Der CDU-Mann, der derzeit | |
noch Oberbürgermeister im nahegelegenen Backnang ist, ist der lachende | |
Dritte in einem Wahlkampf, in dem sich SPD, Grüne und auch das linke | |
Bündnis Stuttgart ökologisch sozial (Sös) nach Kräften blamiert haben. | |
Eigentlich haben die ökologisch-fortschrittlichen Kräfte in der | |
Landeshauptstadt eine Mehrheit in der Wählerschaft, wie die Zusammensetzung | |
des Gemeinderats seit den letzten Kommunalwahlen zeigt. Und mit der | |
Mehrheit aus SPD, Grünen und der Sös hat Kuhn auch sein Klimapaket für die | |
Stadt durchgesetzt. | |
Doch für einen gemeinsamen Kandidaten hat es nicht gereicht. Wegen dieser | |
Zersplitterung und der Schwäche der grünen Kandidatin Veronika Kienzle | |
erhielt CDU-Mann Nopper im ersten Wahlgang 32 Prozent der Stimmen. Umfragen | |
zum zweiten Wahlgang sehen ihn in der Stichwahl am Sonntag bei 37 Prozent. | |
Besonders für die Grünen ist das schon jetzt eine Niederlage mit Anlauf, | |
die [1][Fritz Kuhn mit seinem überraschenden Rückzug] im Januar gestartet | |
hatte. Kuhn war nach einer langen Politkarriere 2012 mit großen Erwartungen | |
als erster Grüner in das Amt gewählt worden, hatte aber nach Meinung vieler | |
dann eine wenig glanzvolle Amtszeit hinter sich gebracht. Wichtige | |
Veränderungen der Stadt bei Verkehr und Wohnungen war er nur zögernd | |
angegangen. Bei einer weiteren Kandidatur wäre seine Wiederwahl keineswegs | |
sicher gewesen. Aber die Grünen hatten sich mit dem Bonus des Amtsinhabers | |
[2][zumindest gewisse Chancen ausgerechnet]. | |
## Promis wollten nicht | |
Kuhns Absage auf den letzten Drücker brachte die Grünen dann in Zugzwang. | |
Schnell musste ein geeigneter Kandidat gefunden werden. Doch prominente | |
VertreterInnen wie die fest in Stuttgart verankerte Landtagspräsidentin | |
Muhterem Aras oder Cem Özdemir winkten rasch ab. Am Ende wurde dann die | |
wenig charismatische und vielleicht auch mit zu wenig politischem Gewicht | |
ausgestattete Stuttgarter Bezirksverordnete Veronika Kienzle zur | |
Kandidatin. | |
Woran es bei den Grünen mangelte, das hatte die Stuttgarter SPD im | |
Überfluss. Gleich zwei Sozialdemokraten gingen ins Rennen. Martin Körner, | |
langjähriger Fraktionschef im Stuttgarter Gemeinderat, war der offizielle, | |
aber wenig charismatische Kandidat der SPD. Und quer zur Partei meldete | |
sich auch der 29-jährige Marian Schreier als unabhängiger Kandidat. Der | |
junge Bürgermeister der Bodenseegemeinde Tengen – immerhin im Präsidium der | |
Landes-SPD – überging dabei alle Parteigremien und wäre deshalb fast aus | |
der Partei ausgeschlossen worden. | |
Der erste Wahlgang Anfang November brachte dann für Veronika Kienzle | |
enttäuschende 17 Prozent. Nur 2 Prozent dahinter landete überraschend stark | |
der SPD-Querkopf Schreier. Bei den anschließenden Verhandlungen der | |
KandidatInnen von Grünen und SPD, an denen auch der Sös-Kandidat und | |
Anti-Stuttgart-21-Aktivist Hannes Rockenbauch teilnahm (im ersten Wahlgang | |
14 Prozent), wollte Kienzle trotz ihres schwachen Ergebnisses als | |
gemeinsame Kandidatin von SPD, Grünen und Sös antreten. | |
Doch da spielte Schreier nicht mit, der sich nicht ganz unberechtigt als | |
Einziger zutraut, Nopper zu schlagen. Kienzle zog enttäuscht zurück, der | |
offizielle SPD-Kandidat Körner war schon vorher ausgeschieden. Sös-Mann | |
Rockenbauch dagegen will nicht aufgeben. Für den Stuttgarter ist Schreier | |
ein Neoliberaler, den er nicht unterstützen kann. In Schreiers Wahlprogramm | |
könne man alles reinlesen, sagt Rockenbauch. | |
## Der Spätzle-Kurz | |
Mit seinen gut sitzenden Anzügen, den weißen Turnschuhen und einem ebenso | |
perfekt durchgestylten Wahlkampf („Der Junge kann’s“) kommt Marian Schrei… | |
tatsächlich eher wie die Spätzleausgabe von Sebastian Kurz daher. Die | |
Unterstützung durch eine Züricher Werbeagentur und die Mitglieder in seinem | |
sogenannten Sounding-Board, die der Operation Libero (OL) in der Schweiz | |
nahestehen, wecken weitere Vorbehalte im linken Lager. | |
Denn das Schweizer Kampagnen-Netzwerk hat der rechtspopulistischen SVP bei | |
Volksentscheiden zwar schmerzhafte Niederlagen beigebracht. Aber mit ihrer | |
Wirtschaftsnähe steht OL auch in dem Verdacht, im Zweifel die Interessen | |
der Großindustrie zu vertreten. | |
Die Stuttgarter SPD bleibt auch nach dem Rückzug ihres Kandidaten in Sachen | |
Schreier gespalten. Dafür hat er nach Umfragen schon im ersten Wahlgang | |
große Teile der Grünen-WählerInnen, vor allem der Jungen, für sich gewinnen | |
können. Und so treten im zweiten Wahlgang mit Schreier und Rockenbauch nun | |
zwei an, die es zumindest teilweise auf die gleichen WählerInnen abgesehen | |
haben. | |
## Landespolitik hält sich raus | |
Auf bemerkenswert großer Distanz bleibt die Landespolitik in diesem | |
verwickelten Kampf um den prestigeträchtigen Oberbürgermeisterposten in der | |
Landeshauptstadt. Ministerpräsident Kretschmann lieferte zwar | |
pflichtschuldig ein Unterstützervideo für die grüne Veronika Kienzle, will | |
aber in ihrem schwachen Abschneiden kein schlechtes Omen für die | |
Landtagswahl im März erkennen. Von OB-Wahlen könne man keine politischen | |
Trends ableiten, sagt er stoisch. Die Landes-CDU hofft, mit einem | |
unerwarteten Erfolg in Stuttgart beweisen zu können, dass sie auch in | |
Großstädten wieder Wahlsiege einfahren kann. Und die Landes-SPD schiebt den | |
Schwarzen Peter für das unglückliche Taktieren den Stuttgarter Genossen zu. | |
Ausgerechnet Hannes Rockenbauch, der mit seinen Prozentpunkten Schreier | |
verhindern und Nopper ins Amt helfen könnte, sagt selbstkritisch: „Das | |
ökologische-soziale Lager hätte sich besser vor dem ersten Wahlgang auf | |
einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt.“ | |
Wie das geht, lässt sich westlich von Stuttgart beobachten. In Karlsruhe | |
hat SPD-Oberbürgermeister Frank Mentrup beste Chancen, ab Dezember weitere | |
acht Jahre regieren zu können. Mentrup war es 2012 mit Unterstützung von | |
Grünen, Piraten und der Karlsruher Liste erstmals seit 1970 gelungen, der | |
CDU das Oberbürgermeisteramt abzunehmen. Auch diesmal tritt er mit | |
Unterstützung der Grünen an und gilt als aussichtsreichster Kandidat. | |
27 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Wahl-des-Stuttgarter-Buergermeisters/!5650456 | |
[2] /Stuttgart-waehlt-OberbuergermeisterIn/!5726397 | |
## AUTOREN | |
Benno Stieber | |
## TAGS | |
Stuttgart | |
Oberbürgermeister | |
Wahl | |
Grüne | |
Baden-Württemberg | |
Stuttgart | |
Stuttgart | |
Fritz Kuhn | |
Oberbürgermeisterwahl | |
Oberbürgermeisterwahl | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Neuer Oberbürgermeister von Stuttgart: Der Sowohl-als-auch-Mann | |
Mit Frank Nopper kommt in Stuttgart wieder ein CDUler an die Macht. Ein | |
Verwaltungsmensch, der es allen recht machen möchte | |
Nachfolge von Bürgermeister Fritz Kuhn: CDU-Mann gewinnt in Stuttgart | |
Frank Nopper ist am Sonntag zum Oberbürgermeister Stuttgarts gewählt | |
worden. Die Kandidatin der Grünen war im zweiten Wahlgang gar nicht mehr | |
angetreten. | |
Stuttgart wählt OberbürgermeisterIn: Wer folgt auf Kuhn? | |
In Stuttgart wird es am Sonntag spannend: Eine Nachfolge für den | |
amtierenden Oberbürgermeister Fritz Kuhn wird gesucht. Das Rennen offen. | |
Möglicher neuer OB von Konstanz: Der grün-linke Charmebolzen | |
Luigi Pantisano könnte am Sonntag zum neuen OB von Konstanz gewählt werden. | |
Der Linke wird von einem breiten Bündnis unterstützt. | |
Wahl des Stuttgarter Bürgermeisters: Kuhn will nicht mehr | |
Der grüne Stuttgarter OB Fritz Kuhn tritt nicht mehr zur Wiederwahl an. | |
Gerechnet hatte mit diesem Schritt keiner – trotz Kuhns mauer Bilanz im | |
Amt. |