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# taz.de -- Impfzentren-Manager Albrecht Broemme: Er muss es können
> Albrecht Broemme hat Berlins Corona-Krankenhaus aufgebaut, nun folgen in
> Rekordzeit sechs Impfzentren. Wie hat er das nur geschafft?
Bild: Eigentlich schon a. D., aber weiterhin in Uniform: Albrecht Broemme
Er könnte jetzt woanders sein und den Ruhestand genießen in seinem
Ferienhäuschen auf einer griechischen Insel. Doch Albrecht Broemme läuft an
diesem kühlen Samstagvormittag vom S-Bahnhof Treptower Park zu einem
Arbeitstermin. Er hat sich seine Uniformjacke angezogen: Dunkelblau mit
Reflektorstreifen und dem Logo des Technischen Hilfswerks am Ärmel. Die hat
er als Abschiedsgeschenk für die Rente bekommen.
Sein Handy klingelt, ein altes Nokia-Telefon: „Ja, ja, ich schnaufe mich
Ihnen entgegen“, sagt Broemme, der etwa 1,95 Meter groß ist, sich aber mit
einem leichten Rundrücken immer nach vorn zu beugen scheint. Er ist ein
paar Minuten zu spät dran zur Besichtigung der Arena Berlin, wo sich schon
Geschäftsführer, Presse und Polizei fragen, wo er bleibt.
Die Veranstaltungshalle aus Backstein und dem niedrigen Dach aus
Stahlstreben, in der sonst etwa die Tattoo-Convention stattfindet oder
Bands spielen, soll zu einem von sechs geplanten Impfzentren gegen das
Coronavirus in Berlin werden. Für die Aufgabe hat der 67-jährige Broemme
als Projektleiter bis Mitte Dezember Zeit. „Wir können nicht erst anfangen
zu planen, wenn der Impfstoff da ist“, sagt er.
Im November gab Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) die Standorte
bekannt: Neben der Arena sind das die Flughäfen Tegel und Tempelhof, das
Velodrom in Prenzlauer Berg, das Erika-Hess-Eisstadion in Wedding und die
Halle 11 auf dem Messegelände in Westend.
Im März hatte ihn Kalayci angerufen, erzählt Broemme, was er denn von einem
Corona-Behelfskrankenhaus halte, als Reserve, falls die Kapazitäten der
Krankenhäuser nicht ausreichten. „Und wenn Sie die Idee gut finden, könnten
Sie das gleich machen?“, habe Kalayci gesagt. Broemme, der Ruheständler,
sagte zu: „Ob ich zu Hause Rosen schneide oder was für die Gesellschaft
mache, das war keine schwere Entscheidung.“ Wobei er sich schon aufs
Gärtnern gefreut habe, auf seine 3.000 Quadratmeter in Steglitz.
Warum Broemme? „Weil er es kann“, schreibt Kalayci auf Anfrage. Jahrelang
leitete er die Berliner Feuerwehr, die er Anfang der neunziger Jahre aus
Ost- und Westfeuerwehr zusammenführte, danach das Technische Hilfswerk.
Nach 13 Jahren als dessen Präsident, in denen er auch Flüchtlingslager in
Jordanien und Irak mit aufgebaut hatte, ging er Ende 2019 in Rente. „Er hat
bewiesen, dass er es kann“, sagt Kalayci, „dass Berlin es kann.“
## Einen Tag für die Finanzplanung
Das Corona-Behandlungszentrum in einer Messehalle wurde pünktlich innerhalb
von vier Wochen fertiggestellt, „ohne Baumängel“, wie Broemme betont, und
sogar günstiger als gedacht – obwohl nur ein Tag Zeit für die Finanzplanung
gewesen sei. Es war das erste Mal, dass er ein Krankenhaus aufbaute.
Bisher wurde es nicht gebraucht und für Schulungen genutzt. „Meine
Hoffnung, dass es nicht in Betrieb geht, schwindet“, sagt Broemme. Die
Stadt will sich damit vorbereiten: „Wir haben über der Messe den ersten
automatischen Drohnenflug getestet.“ So sollen Coronatests direkt ins Labor
der Charité in Wedding geflogen werden.
Kaum an der alten Backsteinhalle angekommen, wo Thomas Englberger, der
Geschäftsführer der Arena Berlin, die Leiterin des Gesundheitsamts
Treptow-Köpenick, Polizei und Presse warten, scheint er in einen anderen
Modus umzuschalten: „Zum ersten Mal ohne Eintrittskarte, das ist eine
günstige Veranstaltung!“, scherzt er. Broemme macht immer wieder Witze oder
sagt mit ruhiger, tiefer Stimme: „Kriegen wir alles hin.“
In seiner leicht gebeugten Haltung geht er in die Halle: 6.500 leere
Quadratmeter, ein glatter schwarzer Fußboden, so groß wie ein Fußballfeld,
Industriecharme. Er war schon einmal hier, da hat er „Caveman – Du sammeln,
ich jagen“ gesehen. Das mariobarthige Stück über Männer, Frauen, und wie
sie sich missverstehen, habe ihm gefallen, sagt er. Seine Frau will er
seitdem auch besser verstehen.
Später versucht er sich selbst mit einem Witz über „die Damenbinde im
Gesicht“ einer Polizistin. Die Runde lacht, die Polizistin unter der
Einwegmaske ebenfalls. Sie zieht darauf kurz über eine 16-Euro-Pauschale
des Arbeitgebers für Mund-Nasen-Bedeckungen her: „Die tolle 16-Euro-Maske
trage ich zu besonderen Anlässen.“ Broemme lobt noch die Einwegmasken, dann
geht es weiter.
„In zwei Wochen sieht das hier schon ganz anders aus“, sagt er. Die Halle,
1927 als Busdepot gebaut und nach der Wende für Veranstaltungen genutzt,
eigne sich gut für ein Impfzentrum: gute Erreichbarkeit mit öffentlichen
Verkehrsmitteln, es gebe zwar keine Umluftanlage, aber „Platz ohne Ende“.
Englberger weist auf ein großes Tor an der Seite der Halle hin, praktisch
für den Aufbau: „Da könnte ein Sattelschlepper reinfahren.“
## Vier Tage fürs Linoleum
Broemme steht jetzt mitten in der leeren Halle. „Eigentlich bauen wir nur
eine große Arztpraxis“, sagt er, und es klingt wieder wie „Kriegen wir
alles hin“. Das Impfzentrum bräuchte zum Beispiel keinen komplett neuen
Boden, wie das Corona-Krankenhaus in der Messehalle. Dafür hätten
Handwerker:innen 12.000 Quadratmeter Holz, Dämmschicht und Linoleum in nur
vier Tagen verlegt. „Wie lange renovieren Sie eine Küche?“, fragt er
rhetorisch. Bei allen Handwerker:innen habe er dieses Gefühl bemerkt: „Die
wollen das und sind stolz drauf.“ Klar seien sie auch einfach froh,
Aufträge zu haben.
Für das Kamerateam von Reuters, einer internationalen Nachrichtenagentur,
nimmt Broemme einmal den Plan in die Hand – er kennt das Spiel –, darauf
sieht die Halle schon voll aus, mit bunten Kästen, dazwischen Pfeile: Gelb
steht für die Wartebereiche, Blau für die Datenerfassung und Rot für die 84
Impfstellen. „Die Leute, die zum Impfen kommen, sollen sich hier natürlich
nicht Corona holen“, sagt er. Damit der Aufenthalt kurz und Abstände groß
sein können, bei Broemme heißt es „Personenströmung“, planen
Architekt:innen die Innenaufteilung der Hallen.
Die sechs Impfzentren werden mit der HWP Planungsgesellschaft, einem großen
Architekturbüro vor allem für Kliniken und Labore, aufgezogen. Wenn die
Impfzentren Mitte Dezember betriebsbereit sind, soll von 9 bis 19 Uhr an
sechs Tagen die Woche, „außer Weihnachten und Silvester“, geimpft werden
können – pro Stunde etwa 350 Menschen, berlinweit 20.000 am Tag. 450.000
BerlinerInnen sollen so in einer ersten Phase innerhalb von drei Wochen
zweimal geimpft werden.
Was, wenn sich manche nicht impfen lassen wollen? Broemme hofft natürlich,
dass die Bereitschaft hoch sein wird, befürchtet aber Gegenstimmen von
Coronaleugner:innen. „Ein Haufen Leute reißt sich den Arsch auf, und dann
sagen einige: Corona, das gibt’s gar nicht!“, sagt er. Das Thema
beschäftigt ihn so sehr, dass er sich kürzlich im Spiegel sogar für Strafen
für Coronaleugner:innen ausgesprochen hat: Behauptungen von
Verschwörungstheoretiker:innen mit Millionenreichweite sollten juristische
Konsequenzen haben. Ob das denen nicht noch Aufwind geben würde? Er nennt
seine Forderung im Nachhinein einen „vielleicht missglückten Hilferuf“.
Das Schönste sei, wenn ihn Leute in Berlin ansprächen und sich bedankten.
„Ich freue mich, dass man meine Erfahrung haben möchte und ich
Unterstützung erfahre.“ Trotz der Aufgabe scheint er öfter an den Ruhestand
zu denken: Im Gegensatz zu seiner Zeit als Präsident des Technischen
Hilfswerks könne er die Arbeit nun mit der S-Bahn erreichen und abends im
eigenen Bett schlafen.
7 Dec 2020
## AUTOREN
Tobias Hausdorf
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