# taz.de -- Konten Verstorbener ohne Erb*innen: Am Ende gewinnt die Bank | |
> Gibt es keine Erb*innen, geht das Geld verstorbener Kontoinhaber*innen | |
> nach einer Wartefrist an die Bank. Schleswig-Holstein will das ändern. | |
Bild: Wohin mit den Werten, die niemandem zugeordnet werden können? Schließf�… | |
Neumünster taz | Zwei bis neun Milliarden Euro – das entspricht den | |
Baukosten von zweieinhalb bis elf Elbphilharmonien – liegen bundesweit auf | |
Konten, deren Inhaber*innen unbekannt oder ohne Erb*innen verstorben sind. | |
Zurzeit fließt dieses Geld nach 30-jähriger Wartefrist an die Banken. Das | |
Parlament in Schleswig-Holstein will das ändern, braucht dazu aber die | |
Unterstützung anderer Bundesländer und der Bundesregierung. | |
„Für uns in der Jamaika-Koalition ist klar, dass die Kreditinstitute sich | |
das Guthaben auf solchen Konten nicht einfach einverleiben sollen“, sagte | |
Ole Plambeck (CDU) im Landtag. Dafür erhielt die Regierung grundsätzlich | |
Zustimmung von der Opposition: „Wir brauchen nach dem Beispiel anderer | |
europäischer Staaten ein Meldesystem für nachrichtenlose Konten und einen | |
angemessenen gemeinnützigen Einsatz für das Geld“, so Stefan Weber (SPD). | |
Auch Lars Harms (SSW) fand: „Hier geht es um Geld, das sehr viel sinnvoller | |
eingesetzt werden könnte.“ | |
Die Banken selbst halten sich bedeckt. Auf taz-Anfrage teilt der | |
Sparkassen- und Giroverband nur spröde mit, man habe „die Landtagsdebatte | |
zu nachrichtenlosen Konten zur Kenntnis genommen“. | |
Tatsächlich bedeutet jede Änderung der aktuellen Rechtslage eine | |
Verschlechterung für die Geldhäuser. Denn zurzeit gilt, dass die Bank ein | |
Konto weiterführt – und Grundgebühren einzieht –, auch wenn es jahrelang | |
keine Überweisungen oder Abbuchungen mehr gibt, das Konto also ruht. Zwar | |
versuchen Kreditinstitute in standardisierten Verfahren, etwa durch eine | |
Anfrage beim Einwohnermeldeamt und der Umzugsdatenbank der Deutschen Post, | |
die Besitzer*innen oder mögliche Erb*innen solcher Konten aufzuspüren, doch | |
das gelingt oft nicht. | |
Ein Problem sei, dass immer weniger klassische Sparbücher geführt würden, | |
die beim Ordnen von Nachlässen auftauchen, so Annabell Krämer (FDP). Die | |
Zahl vergessener Konten könnte also noch steigen. Nach 30 Jahren löst das | |
Institut das Konto auf, das „Geld geht im Rauschen der Banken unter“, | |
kritisiert Lasse Petersdotter (Grüne). „Da lassen sich sinnvollere Lösungen | |
finden.“ | |
Unter den G7-Ländern ist Deutschland das einzige, das freie Vermögen den | |
Banken überlässt. In der Schweiz gibt es ein Zentralregister, Informationen | |
über bewegungslose Konten werden im Netz veröffentlicht. Meldet sich | |
niemand, geht das Geld an die Bundesverwaltung. In Großbritannien landen | |
die Summen in einem Fonds für gemeinnützige Zwecke. Auch Australien oder | |
Japan verfahren ähnlich, berichteten Abgeordnete bei der Landtagsdebatte. | |
Die Vorschläge sowohl der Jamaika-Regierung als auch der SPD sehen ein | |
bundesweites Zentralregister vor. Jamaika möchte einen Fonds einrichten, | |
die Vermögen sollen für „gemeinnützige Zwecke und Risikokapital für | |
Start-up-Unternehmen“ verwendet werden. | |
So eine Mischung „kann sich vermutlich nur Jamaika ausdenken“, spottete | |
SPD-Finanzexperte Weber. Er wünscht sich eine Stiftung und eine rein | |
gemeinnützige Verwendung der Mittel. Über die verschiedenen Vorschläge soll | |
der Finanzausschuss des Landtags beraten. | |
Doch auch wenn es in Kiel eine Einigung gibt, ein einzelnes Bundesland kann | |
das Problem nicht lösen – aus rechtlichen wie aus rein praktischen Gründen: | |
Viele Banken, erst recht die Internet-Institute, agieren bundesweit. So | |
setzt Schleswig-Holstein auf eine Bundesratsinitiative. | |
In Berlin ist das Thema bereits angekommen, die Grünen im Bundestag hatten | |
dazu eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Das Finanzministerium | |
sah aber keinen Handlungsbedarf: Es gebe keinen Hinweis, dass das Verfahren | |
der Kreditwirtschaft, Erb*innen zu finden, ineffektiv sei. Modelle in | |
anderen Ländern, etwa die englische Fondslösung, könnten „nicht fundiert | |
bewertet werden“. Sich weiter mit dem Thema zu befassen, habe das | |
Ministerium nicht vor. | |
Allerdings war das im Herbst 2019, vor der Rekord-Neuverschuldung aufgrund | |
der Coronapandemie. Gut möglich, dass es künftig mehr Interesse an Vermögen | |
im Gegenwert mehrerer Elphis gibt. | |
26 Nov 2020 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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