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# taz.de -- Briefmarken von Olympiaboykotten: Fast eine blaue Mauritius
> Die Olympiaboykotte im Kalten Krieg sind für Briefmarkenfreunde ein
> Glücksfall. Die Postwertzeichen aus diesen Jahren sind ein kleines
> Vermögen wert.
Bild: Liebhaberstück: BRD-Sonderbriefmarke zu den Winterspielen 1980
Ich gebe es zu: Ich bin im Besitz einer fast kompletten Sammlung von
DDR-Briefmarken. Meine Großeltern aus Thüringen haben sie für mich
gesammelt, während ich mich auf Briefmarken aus Entwicklungsländern wie der
République du Niger oder der République centrafricaine spezialisiert hatte.
Jahre nach dem Tod der Großeltern bekam ich die DDR-Marken; mein Vater
hatte sie in einem Kabuff zwischengelagert. Ich sortierte sie neu. Die
alten „Palma“-Ordner waren nicht mehr schön. Ganz anders die Marken.
Es handelt sich ja nicht nur um Zeugnisse von der stumpfsinnigen
Allgegenwart der Partei und deren Ungeist. Die Wertmarken zeigen das Land
in vielen Facetten: Weihnachtspyramiden aus Seiffen, das Bauhaus oder das
Ro-Ro-Schiff „MS Fichtelberg“, um nur ein paar Motive zu nennen. Und dann
[1][gibt es natürlich die Olympiamarken], regelmäßig herausgegeben seit
1956, den Sommerspielen in Melbourne. Der erste Satz zu den Winterspielen
erschien 1963. Seitdem gehörte das doppelte Olympia mit Zähnung und
Gummierung dazu. Alle vier Jahre wurden die Marken im VEB Deutsche
Wertpapier-Druckerei hergestellt.
Die DDR-Designer (oder auch bekannte Maler wie Willi Sitte) verzichteten
auf die Darstellung von prominenten Sportlern. Sie zeichneten zumeist
Symbolbilder oder Piktogramme. Das Individuelle spielte bei den
Olympiamarken keine Rolle, dabei hätte die DDR mit ihren Diplomaten im
Trainingsanzug Wohnungen tapezieren können. Groß war die Zahl der
Olympioniken zwischen Rostock und Oberwiesenthal. Aber die Motive blieben
bis zum Ende der DDR-Olympiaserien, 1988, gesichtslos, antik-historisierend
oder dem Stil des sozialistischen Realismus verhaftet.
Extrem begehrt unter Philatelisten sind die 1984er-Marken von Hans
Detlefsen. Bekanntermaßen kam es in diesem Jahr zum Olympiaboykott vieler
Ostblockstaaten. Die Druckmaschinen in Leipzig waren freilich schon
angelaufen, als die Nachricht von der Absage des Ostens durchdrang.
## Knapp 7.500 Pfund für eine Marke
Die ersten drei Marken der Olympiaserie sowie der Briefmarkenblock waren
bereits fertig. Ein Großteil wurde eingestampft, doch Besucher der
Leipziger Messe konnten 1988 wohl Fehldrucke erwerben, Marken, die heute
viel wert sind.
Da angeblich nur noch 50 postfrische Sätze existieren, werden von Sammlern
schon mal 7.475 Pfund gezahlt – wie bei einer Auktion von Sotheby’s im Jahr
1995. Sonderlich schön sind die Marken nicht. Ich mag mir die
Detlefsen-Dinger noch so lange ansehen, drehen und wenden, sie bleiben
hässlich. Diese Briefmarken befinden sich natürlich auch in meiner
Sammlung. Aber nur, weil die DDR-Post die Motive für die 1988er-Marken
wiederverwendet hat.
Auch in der Bundesrepublik gibt es die blaue Mauritius der
Olympiaphilatelie. [2][Es ist die sogenannte Gscheidle-Marke], benannt nach
dem damaligen Postminister Kurt Gscheidle. Sie sollte 1980 vor den
Sommerspielen von Moskau auf den Markt, ihr erging es allerdings wie den
„Boykottmarken“ der DDR. Sie wurde gehäckselt. Einige Exemplare, die dem
Postminister zugeschickt worden waren, kamen aber durch einen Irrtum von
Gscheidles Ehefrau in Umlauf. Sie klebte wohl mindestens 24 Exemplare, die
sie im Schreibtisch ihres aus dem Dienst geschiedenen Mannes gefunden und
für amtliche Marken gehalten hatte, auf Briefe. Im Jahr 2008 wurde so eine
Seltenheit, zu sehen ist die im Wind wehende olympische Flagge, für 82.000
Euro verkauft.
So hat der Boykott jeweils seinen Preis, der in der Szene der
Briefmarkensammler sehr schnöde von Angebot und Nachfrage bestimmt wird.
Dass der Reiz des Raren einst entstanden ist aus geopolitischer Ranküne und
bitterer Enttäuschung, kann Freunden des Postwertzeichens eigentlich
schnuppe sein.
20 Nov 2020
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Spiele_auf_Briefmarken_der_Deutsch…
[2] https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/teures-sammlerstueck-die-briefmark…
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
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