# taz.de -- Prozess um Veruntreuung in Bremen: Betrügerpaar darf sich bewähren | |
> Vielfach sollen ein Juraprofessor und die Vorsitzende der Grass-Stiftung | |
> Geld veruntreut haben. Opfer waren die Stiftung – und die eigenen Kinder. | |
Bild: Saal im Amtsgericht am Freitag. Etwas entscheidendes fehlt: Die Angeklagt… | |
Bremen taz | Gegen Viertel nach neun wird klar: Die Angeklagten kommen | |
heute nicht. Vor dem Amtsgericht sollte am Freitag ein Fall von | |
öffentlichem Interesse verhandelt werden – unter anderem dazu, wie gut | |
23.000 Euro aus dem Stiftungsvermögen der Bremer Günter-Grass-Stiftung | |
veruntreut werden konnten. | |
Doch die Angeklagte, die ehemalige Vorsitzende der Stiftung, sowie ihr | |
ebenfalls angeklagter Mann, ein ehemaliger Juraprofessor der Uni Bremen, | |
bleiben dem Prozess unentschuldigt fern. Die Anklage wird nicht verlesen, | |
statt eines klassischen Urteils gibt es ohne Verhandlung einen Strafbefehl: | |
Ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung verhängt die Richterin auf Antrag | |
der Staatsanwaltschaft für jede*n der beiden Angeklagten sowie jeweils 120 | |
Tagessätze Geldstrafe. | |
Das Ehepaar kann dagegen noch Einspruch einlegen. Doch mit einem | |
Strafbefehl, über den ein Gericht nie mehr als ein Jahr Freiheitsstrafe | |
verhängen kann, sind die beiden womöglich gar nicht schlecht gefahren. | |
Vorgeworfen nämlich wird den Angeklagten Untreue (beziehungsweise die | |
Anstiftung dazu) in insgesamt 80 Fällen und Betrug in zwei Fällen. Ihre | |
Opfer: die Grass-Stiftung, zwei Handwerksunternehmen und die eigenen | |
Kinder. Insgesamt 81.000 Euro Schaden sind entstanden. | |
In die Öffentlichkeit kam 2018 [1][vor allem der Fall rund um die | |
Stiftung]. Die Angeklagte hatte dort als Geschäftsführerin die alleinige | |
Kontovollmacht. 2017 begann sie, laut Gericht angestiftet von ihrem Mann, | |
Geld der Stiftung abzuheben – vorgeblich für die Bargeldkasse. Tatsächlich | |
aber leitete das Paar über 31 solcher Transaktionen insgesamt 23.660,16 | |
Euro in die eigene Tasche um. Als Grund [2][gaben die beiden Geldnot an]. | |
## Viel Geld zu holen gibt es nicht | |
Für die Grass-Stiftung hätte das existenzbedrohend sein können – immerhin | |
etwa ein Drittel des Jahresetats fiel weg. Doch ein [3][privater Spender | |
sprang mit der kompletten Summe ein]. Die Angeklagten müssen den Schaden | |
nun ersetzen. „Wir erwarten schon, dass das Geld zurückkommt“, sagt der | |
ehemalige Geschäftsführer Horst Monsees. „Dringend darauf angewiesen sind | |
wir dank der Spende zum Glück nicht.“ | |
Das ist gut für die Stiftung, die gerade in die Bremer Überseestadt | |
umzieht. Schon die recht geringen Tagessätze von 10, respektive 20 Euro für | |
Ehefrau und Ehemann weisen darauf hin, dass es um die Finanzen der Familie | |
nicht gut stehen dürfte. Vor allem aber gibt es noch weitere offene | |
Forderungen gegenüber den L.s. | |
Die beiden Anklagen wegen Betrugs belaufen sich auf zusammen knapp 6.000 | |
Euro: Zweimal hatten die L.s demnach Handwerkerarbeiten durchführen lassen, | |
obwohl sie wussten, dass sie die Rechnung nicht würden zahlen können. Dazu | |
kommen weitere Fälle von Veruntreuung: Die beiden minderjährigen Kinder des | |
Ehepaares hatten demnach jeweils knapp 100.000 Euro aus einer Erbschaft | |
erhalten. Die L.s sollen 57.000 Euro davon für eigene Zwecke abgehoben | |
haben. | |
## Familie lebte in Hotels und fremden Häusern | |
Nicht alle Fälle, mit denen das Ehepaar sich Leistungen erschlichen hat, | |
sind tatsächlich vor Gericht gelandet. Der Weser Kurier berichtet 2018, | |
dass die Familie sich [4][immer wieder in besseren Hotels der Stadt] | |
einquartiert habe – monatelang, bis sich jeweils die Zahlungsunfähigkeit | |
herausgestellt habe. | |
Im Zuschauerraum für den nicht stattfindenden Prozess sitzt auch Peter | |
Bischoff, ebenfalls Geschädigter: Ende 2013 hatte er der Familie ein Haus | |
verkaufen wollen. Über ein halbes Jahr, so stellt es Bischoff in eigenen | |
Aufzeichnungen über den Kontakt dar, habe L. immer wieder neue Ausreden | |
gefunden, warum der Kaufpreis gerade noch nicht überwiesen werden konnte: | |
Probleme bei der Bank, säumige Mandant*innen, Terminkollisionen. | |
Vom Kaufvertrag trat Bischoff dann Ende 2014 zurück. Kosten hatte er | |
dennoch: Auf Makler- und Notargebühren sei er sitzen geblieben, außerdem | |
habe er sein Haus zwangsverkaufen müssen und so großen Verlust gemacht. Bei | |
anderen Immobilienkäufen sollen die L.s erfolgreicher gewesen sein – dort | |
konnten sie laut Weser Kurier monatelang in den nicht bezahlten Villen | |
leben, bevor sie auch dort aus den Kaufverträgen geworfen wurden. | |
Die Staatsanwaltschaft hielt diese Fälle nicht für versuchten Betrug. | |
Bischoff glaubt anderes: „Als Juraprofessor weiß der doch ganz genau, was | |
ihm gerade noch nicht als Betrug ausgelegt wird“, sagt er am Rande des | |
Prozesses ohne Verhandlung. | |
14 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /!5497217/ | |
[2] https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-untreue-bei-der-gr… | |
[3] https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-foerderer-unterstu… | |
[4] https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-betrugsprozess-geg… | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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