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# taz.de -- Packen wir's an: Zärtliche Veränderung
> Was wir brauchen, ist laut Eva von Redecker eine gewaltfreie „Revolution
> für das Leben“, die auf eine kämpferische und praktische Solidarität
> setzt.
Bild: Spaziergang an Orte der Verdrängung und des Widerstandes
„Mein Haus. Mein Auto. Mein Boot“, hieß es vor Jahren in einer
Fernsehwerbung für Sparkassen-Anlagen. Auch Polaroids von Pferden und
Frauen knallten die Anzugträger bei ihrem Schwanzvergleich auf den Tisch im
Edelrestaurant – was für eine sexistische Kackscheiße. Und doch so
aufschlussreich.
Mühelos ließe sich heute in einem Weiterdreh dieser Szene ergänzen: Mein
Land. Mein Schnitzel. Mein Pauschalurlaub. Meine Freiheit, keine Maske zu
tragen.
Hinter diesem „Mein“ verbirgt sich ein spezifisch modernes – auch männli…
konnotiertes – Besitzdenken. Denn nach dem Ende der feudalen Herr-schaft,
nach dem Abdanken der Gutsherren hoch zu Pferde, so ist im neuen Buch der
Philosophin [1][Eva von Redecker] zu lesen, blieb der Herrschaftsanspruch
erhalten, wenn auch oft nur noch als „Phantombesitz“.
Von Redecker schreibt: „Phantombesitz ist ein Grundbaustein moderner
Identitäten. Er besteht einerseits im Anspruch über bestimmte andere zu
verfügen und andererseits darin, auf bestimmte Weisen als verfügbar zu
erscheinen.“ Verfügen, verfügbar sein bis zu Krankheit und Tod, das ist das
feudale Erbe des Kapitalismus.
## Leben ohne zu zerstören
Über die natürlichen Ressourcen verfügen, bis den Schwächsten das Wasser
zum Halse steht und uns allen die Luft wegbleibt. Verfügen über
rassisfizierte Menschen, bis sie ersticken. Verfügen über das Ersticken von
vorerkrankten Menschen, wenn es der Wirtschaft oder dem Ego dient.
Gewinnmaximierendes Verfügen über Wohnraum. Verfügen über Frauen – und we…
es ihr Leben kostet.
„Leben können, ohne dabei einander und die Welt zu zerstören“, ist die
Alternative, die von Redecker in [2][„Revolution für das Leben. Philosophie
der neuen Protestformen“] vorschlägt. In der Klimabewegung, in Black Lives
Matter in NiUnaMenos und den Arbeitskämpfen während der Pandemie sieht von
Redecker Ansätze für einen grundlegenden, revolutionären Wandel – für das
Leben.
Diese Revolution kommt aus ohne einen grandiosen Kipppunkt, an dem Gewalt
noch mehr Tote fordert. Diese Revolution setzt auf stetige, tagtägliche
Übung, auf ein „Leben für die Revolution“, auf eine kämpferische, zärtl…
Veränderung von Routinen und Mustern, auf praktische Solidarität.
## Helfer*innen für Hilfsgüter
Etwa mit den tausenden Menschen auf Chios und Lesbos, in Thessaloniki,
Patras, Athen, Bosnien und Rojava, die kaum das Nötigste besitzen, um über
den Winter zu kommen. Der Brandenburger Verein [3][„Wir packen's an“]
möchte diese Menschen mit Sachspenden unterstützen.
Zelte, Schlafsäcke, Planen aber auch Hygieneartikel und wiederverwendbare
Masken werden noch bis zum 1. November gesammelt. Eine detaillierte Liste,
was noch gebraucht wird, findet ihr unter [4][wir-packens-an.info]. „Zum
Verpacken der Hilfsgüter suchen wir auch DRINGEND fleißige und helfende
Hände“, schreibt „Wir packen's an“ (täglich bis zum 13.11., 10-18 Uhr,
ehemalige LPG in der Dorfstraße, Falkenberg/OT Torgelow).
Auch im Wedding erfahren immer mehr Menschen die Auswirkungen der
kapitalistischen Besitzlogik: Ausgrenzung und Verdrängung bei zunehmenden
Polizeikontrollen. Trotzdem werden solche Prozesse einer neoliberalen
Stadtumstrukturierung von den Verantwortlichen vor Ort oft geleugnet. Die
Initiative [5][„Hände weg vom Wedding“] will sich bei einem kritischen
[6][Spaziergang] durch den Kiez auf die Suche nach Orten der Verdrängung
und Ausgrenzung, aber auch des Widerstandes machen. Mund-Nasenschutz ist
dabei Pflicht. Anmeldung unter [7][[email protected]] (30. 10., 16 Uhr, U
Leopoldplatz).
## Zeit für Wohnungslose
Aus Berlin fährt ein Solibus zur Besetzung des Dannenröder Forsts, die den
Weiterbau der klima- und lebensfeindlichen A49 verhindern möchte. Anmeldung
unter berlin-danni-[8][[email protected]]. „Wir bitten euch zwischen
15€ und 30€ pro Person an den Solibus zu spenden“, heißt es in einer
Ankündigung (1. 11., 11 Uhr, Oranienplatz).
Die Corona-Pandemie gefährdet das ohnehin prekäre Leben wohnungs- und
obdachloser in besonderer Weise. „Falls Du Interesse am respektvollen
Umgang mit obdachlosen Menschen und am Arbeiten in einer
selbstorganisierten Gruppe und obendrein noch donnerstags abends, nachts
und/oder freitags früh Zeit hast, komm zu unseren Infotreffen“, heißt es in
einer Einladung vom [9][Kälteschutz im Mehringhof]. Anmeldung unter
[email protected] (3.11., 19 Uhr, Gneisenaustraße 2a)
Das Ende des Kapitalismus will bedacht, geübt und gelebt werden. Für unser
aller Stadt, für unser aller Klima, für unser aller Freiheit, für unser
aller Leben.
28 Oct 2020
## LINKS
[1] /Philosophin-ueber-Protestbewegungen/!5717057/
[2] https://www.fischerverlage.de/buch/eva-von-redecker-revolution-fuer-das-leb…
[3] https://wir-packens-an.info/
[4] https://wir-packens-an.info/der-winter-kommt-unsere-solidaritaet-ist-grenze…
[5] https://www.unverwertbar.org/
[6] https://www.facebook.com/events/404082314301073/
[7] http://riseup.net
[8] /[email protected]
[9] http://kaelteschutz-mehringhof.de/
## AUTOREN
Stefan Hunglinger
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