# taz.de -- Nachruf auf Sean Connery: Gefunkelt bis zuletzt | |
> Sean Connery, rocktragender schottischer Schauspieler, ist 90-jährig auf | |
> den Bahamas gestorben. In seiner Rolle als James Bond wurde er | |
> weltberühmt. | |
Bild: Er konnte auch lächeln: Sean Connery | |
„James Bond is about six feet tall and somewhere in his middle thirties. He | |
has dark, rather cruel good looks and very clear blue-grey eyes“, | |
skizzierte Autor Ian Fleming 1952 im ersten James-Bond-Roman den Helden. | |
Gut, dass das mit der Augenfarbe nicht so genau genommen wurde, auch die | |
Größe war nicht in Stein gemeißelt. | |
Denn die Rolle des Doppelnull-Agenten [1][mit dem grausamen Zug] um den | |
Mund ging nach einer langen Suche 1961 an einen 31-jährigen, braunäugigen | |
Schotten. Und das, obwohl die New Yorker Co-Produzenten von United Artists | |
zunächst nicht begeistert waren: „(Produktionsleiter) Blumofe feels we can | |
do better“, kabelte Bond-Produzent Albert R. Broccoli an seinen Partner | |
Harry Saltzman.Sean Connery wurde dennoch zu einem Gespräch eingeladen. Der | |
Rest ist Filmgeschichte. | |
Connery war ein Kind seiner schwierigen Zeit: Als Sohn einer Putzfrau und | |
eines Lkw-Fahrers wurde er 1930 in Edinburgh in ärmliche Verhältnisse | |
geboren. Als Junge fuhr er Milch aus, um die Familie zu unterstützen, mit | |
16 trat er der Royal Navy bei, blieb drei Jahre und ließ sich dort das | |
Tattoo „Scotland forever“ auf den Unterarm stechen. Danach begann der | |
talentierte Fußballer mit Bodybuilding – und stellte seinen so geformten | |
Körper als Model an der Kunstschule zur Verfügung. | |
## Die dunkle Triade | |
Anfang der 1950er bemühte sich Connery um Nebenrollen in Theater- und | |
Musicalproduktionen, später kamen TV-Produktionen und Filme dazu. | |
Schauspielstunden nahm er nie. In der Walt Disney-Fantasy-Produktion „Darby | |
O’Gill and the Little People“ (1959) fiel er den [2][Castern einer | |
Agentenfilmserie] auf, die jemanden suchten, der die Bond-Qualitäten | |
überzeugend darstellte: Charisma, Tollkühnheit und eine gewisse | |
empathiefreie Grausamkeit – die Qualitäten, die man damals einem | |
erfolgreichen männlichen Actionhelden zuschrieb, erfüllten auf fast | |
beängstigende Weise das, was man in der Psychologie „die dunkle Triade“ | |
nennt: Persönlichkeitsmerkmale von Narzissmus, Machiavellismus und | |
Psychopathie. | |
Der „Signature Part“ Connerys, seine [3][bekannteste Filmfigur James Bond], | |
war ein Staatsbeamter, dessen Auftrag Ihrer Majestät ihn skrupellos macht. | |
Und der sich gegenüber Frauen, Gegenspielerinnen, Kolleginnen und/oder | |
Objekten der Begierde einerseits als Beschützer gibt, sie andererseits aber | |
selbstverständlich schlägt. Oder küsst. Oder, mit der misogynen | |
Vorstellung, herabwürdigendes Verhalten gegenüber Sexpartnerinnen steigere | |
die Spannung, beides: Connery musste Frauen öfter „neckisch“ auf den | |
Hintern hauen als sämtliche Bond-Nachfolger. | |
Vielleicht beeinflusste das auch sein persönliches Verhältnis zur Gewalt. | |
Dass er 1965 in einem Interview mit dem Playboy sagte, es sei „okay, Frauen | |
zu schlagen“, bestätigte er noch 1987 auf Nachfrage: „Wenn man alles andere | |
versucht hat und Frauen unbedingt das letzte Wort haben wollen“, sagte er | |
damals gegenüber der Journalistin Barbara Walters, „ist das absolut | |
richtig.“ | |
## Charmantes Nuscheln | |
Seiner Attraktivität hat diese vielleicht als Provokation gemeinte Haltung | |
kaum Abbruch getan. Sieben Mal spielte der rauflustige, selbstbewusst Rock | |
tragende Schotte den eleganten Engländer, sieben Mal versteckte Connery | |
dabei den starken Akzent in seiner volltönenden, tiefen Stimme hinter | |
charmantem Nuscheln, das zum Markenzeichen wurde. Nach Bond (und zwischen | |
den einzelnen Filmen) ergatterte Connery großartige Rollen, die weit über | |
den damals genretypisch so effektiv wie eindimensional gezeichneten | |
[4][Bond-Charakter] hinausgingen. | |
Im Hitchcock Psychothriller „Marnie“ zeigte er 1964, dass er eine innere | |
Entwicklung genauso überzeugend spielen kann wie eine ausufernde Prügelei; | |
in Richard Lesters anrührender Robin-Hood-Studie „Robin und Marian“ öffne… | |
er 1976 sein Herz – und das Toupet, das ihn fast seine gesamte Karriere | |
begleitet hatte, allerdings ausschließlich auf dem Kopf, ignorierte er. | |
Selbstironisch, weise und absolut humorvoll gestaltete er 1986 den Mönch | |
„William von Baskerville“ in Jean-Jacques Annauds kongenialer | |
Umberto-Eco-Adaption „Der Name der Rose“. Und für seine Rolle als | |
hartgesottener Polizist in Brian de Palmas „The Untouchables“ wurde ihm | |
1987 ein Oscar verliehen. | |
## Schottischer Nationalheld | |
Nebenbei war Connery laut Umfragen verschiedenster Zeitungen der „Sexiest | |
Man alive“, der „Sexies Man of the Century“, „The Greates Living Scot�… | |
„Scotlands Greatest Living National Treasure“. Seit 1975 war er mit seiner | |
zweiten Frau, der Malerin Micheline Roquebrune, verheiratet, aus einer | |
früheren Verbindung hatte er einen Sohn. Sean Connery starb am Samstag | |
90-jährig in seinem Haus auf den Bahamas. Er sei ein „ungeschliffener | |
Diamant“, hatte man am Anfang seiner Karriere über ihn gesagt. Gefunkelt | |
hat er dennoch bis zum Schluss. | |
1 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
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