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# taz.de -- Transfercoup in Russlands zweiter Liga: Lenin kommt über rechts
> Akron Togliatti erlangt mit der Verpflichtung eines Fußballers weltweite
> Aufmerksamkeit. Kein Wunder: Der neue Spieler heißt Marx Lenin.
Bild: Unvergessen: Karl Marx und Wladimir Iljitsch Lenin
Ganz unten beginnt sie nicht, die Revolution im russischen Fußball. Sie
nimmt ihren Anlauf von der zweiten Liga aus. In Togliatti, 800 Kilometer
östlich von Moskau an der Wolga gelegen, scheint man sich Großes
vorgenommen zu haben. Der in der Stadt beheimatete [1][Fußballklub Akron]
hat kundgetan, nun einen „Revolutionär“ verpflichtet zu haben. Dabei
handelt es sich um einen 20 Jahre alten Brasilianer mit Namen Marx Lenin.
Die Fußballwelt war außer sich. Marx Lenin wechselt nach Russland! Auf
Twitter wurde gewitzelt, dass sich die Balken gebogen hätten, wenn es im
Internet welche gäbe.
Wahrscheinlich ist international noch nie so viel über einen Transfer in
die zweite russische Liga geschrieben und vor allem gelacht worden wie über
den Wechsel dieses jungen Mannes, der mit vollem Namen Marx Lênin dos
Santos Gonçalves heißt, von [2][Flamengo Rio de Janeiro] zum FC Akron
Togliatti. Bei dem Retortenklub, der so etwas wie die Marketingidee einer
Industrieholding ist, die sich der Altmetallverwertung verschrieben hat,
nahm man das weltweite Interesse mit Freuden zur Kenntnis. Ein PR-Gag sei
die Verpflichtung aber nicht, stellte der Pressesprecher des Klubs Dmitri
Guskow klar. Immerhin habe man dem Spieler einen Dreijahresvertrag gegeben.
Der Klub spielt die PR-Karte trotzdem offensiv aus und teilt auf seiner
Website Artikel mit den schönsten Fotomontagen, die seit der Bekanntgabe
der Verplichtung von, nun ja, Lenin gemacht wurden. Die rote Fahne mit den
Köpfen von [3][Karl Marx], [4][Wladimir Lenin] und Marx Lenin wird dabei
besonders gern gezeigt.
Dass der brasilianische Jungprofi selbst gar keine Ahnung haben will, was
es mit seinem Namen auf sich hat, auch das wird allenthalben berichtet.
Marx heiße er, so hat er es vor einiger Zeit einer brasilianischen
Sportpublikation verraten, nach seinem Vater Antonio Marques. Und Lenin?
Nun das habe sich einfach gut angehört, habe ihm seine Mutter gesagt.
## PR-Termine für den Fußball-Lenin
Offensivmann Lenin, von dem es heißt, er komme vorzugsweise über die rechte
Seite, wird diese Geschichte noch oft erzählen. Und er wird sich noch oft
vor einem Marx- oder Lenindenkmal fotrografieren lassen müssen.
Klubsprecher Guskow meint zwar, man werde ihn nicht unbedingt gleich zum
Lenin-Mausoleum nach Moskau karren, aber einen Besuch Marx Lenins in
Uljanowsk, der Geburtsstadt von Wladimir Lenin, das könne er sich schon
vorstellen. Uljanowsk und Togliatti liegen keine 200 Kilometer voneinander
entfernt.
Bleibt noch die Frage, wie es kommt, dass sich ein junger Brasilianer, der
eine veritable Juniorenkarriere beim Traditionsklubs Flamengo hingelegt
hat, für einen Wechsel in die Industriestadt an der Wolga entschieden hat.
Viel mag einem da nicht einfallen, außer dass Akron und Flamengo mit Rot
und Schwarz die gleichen Klubfarben haben. Die schillernde Geschichte von
Akron kann es auch nicht gewesen sein, die Lenin zum Wechsel veranlasst
hat. Die gibt es nämlich nicht. Der Klub wurde erst vor drei Jahren
gegründet. Sportlich ist die Lage auch nicht gerade gut. Togliatti rangiert
nach 16 Spielen auf Rang 17, einem Abstiegsplatz.
War es die Schönheit der Stadt, der Lenin verfallen ist? Wohl kaum.
Togliatti ist, nachdem sich dort in den 1960er Jahren die russische
Automobilindustrie angesiedelt hat, schnell auf 700.000 Einwohner
angewachsen und alles andere als eine Perle der Säkularbaukunst. Deutsche
Partnerstadt ist übrigens Wolfsburg. Lada baut in der Stadt seine
Fahrzeuge, was auch nicht unbedingt die Automarke ist, von der ein
herkömmlicher Jungprofi träumt, wenn er seinen ersten Vertrag
unterschreibt. Es gibt also wenig gute Gründe für einen Wechsel nach
Togliatti. Aber wie sagte schon Lenin, also Genosse Lenin? „Lieber
weniger, aber besser.“
21 Oct 2020
## LINKS
[1] https://fcakron.ru/
[2] https://www.flamengo.com.br/
[3] /Biografie-ueber-Karl-Marx/!5450539
[4] /100-Jahre-Oktoberrevolution/!5457857
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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