# taz.de -- Pole bekommt Asyl in Norwegen: Flucht nach Oslo | |
> Der polnische Regisseur Rafal Gawel zeigt rechtsradikale Straftaten an. | |
> Aus Furcht vor Verfolgung in Polen ist er nach Oslo geflohen. | |
Bild: Rafal Gawel wird in Polen verfolgt – u.a. weil er rechtsradikale Straft… | |
WARSCHAU taz | Es ist ein Präzedenzfall, der bald Schule machen könnte: | |
Rafal Gawel ist der erste Pole seit 30 Jahren, also seit der Wende 1989, | |
dem politisches Asyl gewährt wurde. Noch vor drei Jahren hatte der | |
Regisseur aus der ostpolnischen Großstadt Białystok gehofft, in Warschau am | |
wiedergegründeten „Theater der drei Flüsse“ einen Neuanfang wagen zu | |
können. Im nachtschwarzen Kinosaal erzählte der Mittfünfziger, wie sein | |
Leben durch urplötzliche Kontrollen staatlicher Behörden und Ermittlungen | |
der Staatsanwaltschaft Białystok-Nord aus den Fugen geriet. Nur eine | |
Stehlampe warf ein bisschen Licht auf den Mann mit dem nach hinten | |
gebundenen langen Haarschopf. | |
Doch die Białystoker Staatsanwaltschaft eröffnete nicht einfach das | |
Verfahren gegen ihn, sondern ließ auch im ehemaligen Warschauer Kino Tecza | |
die Büroräume durchsuchen und wichtige Dokumente konfiszieren. Ein | |
Neuanfang wurde unmöglich. Norwegen gewährte ihm nun politisches Asyl. | |
Gawel kann zunächst ein Jahr lang mit seiner Frau und der dreijährigen | |
Tochter bleiben – mit der Option auf Verlängerung und anschließender | |
Einbürgerung. | |
Der politisch engagierte Regisseur war 2017 in erster Instanz wegen Betrugs | |
und Erschleichung finanzieller Vorteile zu vier Jahren Gefängnis verurteilt | |
worden und in die Berufung gegangen. Im Januar 2019, kurz vor dem Urteil in | |
zweiter Instanz, floh er nach Oslo und bat um politisches Asyl. | |
Währenddessen verurteilte das Berufungsgericht in Białystok Gawel in | |
Abwesenheit zu zwei Jahren Gefängnis ohne Bewährung. Das Urteil ist | |
rechtskräftig. | |
## Harmlose Hakenkreuze | |
Der Theaterregisseur und Gründer des Zentrum für Monitoring von | |
rassistischem und ausländerfeindlichem Verhalten ist Polens Mächtigen schon | |
lange ein Dorn im Auge. Nicht nur, dass Gawel Dutzende rechtsradikaler | |
Straftaten bei Polizei und Staatsanwaltschaft anzeigte und in seinen | |
Stücken [1][Homofeindlichkeit] und tief verwurzelten Antisemitismus | |
thematisierte. | |
2013 machte er auch publik, wie Białystoks Staatsanwälte zu | |
Hakenkreuz-Schmierereien stehen: Das Hakenkreuz, so Staatsanwalt David | |
Roszkowski, sei nicht unbedingt im Kontext der nationalsozialistischen | |
Ideologie zu sehen. Im Hinduismus beispielsweise sei das „Hakenkreuz ein | |
Glückssymbol“. Die Stadt und die Staatsanwaltschaft Białystok-Nord gerieten | |
weltweit in die Negativ-Schlagzeilen. | |
Statt [2][in der polnischen „Hauptstadt des Rassismus“], wie Białystok von | |
Kritikern genannt wird, endlich den Kampf gegen den braunen Sumpf | |
aufzunehmen, begann deren Staatsanwaltschaft gegen den „Nestbeschmutzer“ | |
Gawel zu ermitteln, sperrte seine Bankkonten, ließ immer wieder Kontrollen | |
durchführen und requirierte Akten, später auch Gerichtsakten, so dass Gawel | |
heute über keinerlei Originaldokumente mehr verfügt, mit denen er seine | |
Unschuld beweisen könnte. | |
„Gott sei Dank habe ich die Angewohnheit, wichtige Dokumente zu | |
fotografieren“, bekannte Gawel. Gawel will Polen vor dem [3][Europäischen | |
Gerichtshof für Menschenrechte] verklagen. Die Klage wurde bereits | |
angenommen. | |
14 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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