Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Spannung im 3sat-Krimi: Kant im Thriller-Gewand
> Der New-York-Krimi „A Most Violent Year“ kommt daher wie der kategorische
> Imperativ. Nebenbei verdreht er hollywoodtypische Rollenmuster.
Bild: Der Heizölunternehmer Abel (Oscar Isaac) und seine Frau Anna (Jessica Ch…
Ausnahmsweise sei der Schluss vorweggenommen. Ohnehin wird ihn kaum jemand
sehen, denn er versteckt sich im Abspann. „Help cure violence“ heißt es
dort, gefolgt von einem Hinweis auf die Webseite takepart.com. Die Seite
wird nicht mehr betreut, verweist aber weiterhin auf die
Nichtregierungsorganisation „[1][Cure Violence]“, die sich dem Kampf gegen
Gewalt verschrieben hat. Der Begründer Gary Slutkin, ein Epidemiologe,
verfocht die Idee, dass Gewalt ähnlich ansteckend sei wie eine übertragbare
Krankheit. Wissenschaftliche Evaluationen bestätigten die Wirksamkeit des
von Slutkin entwickelten Therapieansatzes.
1981 gab es diese Initiative noch nicht. In diesem Jahr verzeichnete New
York eine der höchsten Kriminalitätsraten. Korruption hatte sich tief ins
New Yorker Wirtschaftssystem eingefressen, auch ins Heizölgeschäft. In
dieser Sparte hat sich der Einwanderersohn Abel Morales (Oscar Isaac) als
Unternehmer durchsetzen können. Er möchte expandieren, ein Tanklager mit
Schiffsanleger kaufen. Er setzt seine gesamten Ersparnisse als Anzahlung
ein, seine Bank hat einen Kredit zugesagt.
Ausgerechnet jetzt werden immer wieder Tankwagen gekapert. Parallel
ermitteln die Behörden gegen die hochgradig verrufene Branche. Das Heizöl
wird gestreckt, der Fiskus betrogen. Morales – nomen est omen – dagegen
sieht seine Marktchance gerade darin, beste Qualität zu liefern. Auch
weigert er sich, seine Fahrer mit Pistolen auszustatten, wie es deren
Gewerkschaft fordert. Gewalt provoziere nur neue Gewalt, so seine
Überzeugung.
Der Druck nimmt zu. Ein Fahrer, der bereits einmal überfallen wurde, lässt
sich auf eine Schießerei ein und bringt das Unternehmen in Misskredit. Die
Bank beendet die Geschäftsbeziehung. Morales muss binnen weniger Tage
anderthalb Millionen Dollar auftreiben, sonst verliert er das begehrte
Grundstück und seine Anzahlung. Wie lange wird er der Versuchung
widerstehen können, zu illegalen Mitteln zu greifen?
J. C. Chandor schrieb und inszenierte mit „[2][A Most Violent Year“] das
rare Beispiel eines moralischen Thrillers, und er invertiert nebenbei noch
hollywoodtypische Rollenmuster: Die klassisch dem Mann zugewiesene
Beschützerrolle geht zum Teil auf die Ehefrau über. Anna Morales (Jessica
Chastain) sagt früh im Film: „Wenn ich anfange, mich einzumischen, das
willst du nicht erleben …“ Wird sie sich einmischen? Eine der vielen
spannenden Fragen dieses auf Kants kategorischem Imperativ aufbauenden
Krimis.
10 Oct 2020
## LINKS
[1] https://cvg.org/
[2] http://Die%20Absichten%20der%20Menschen
## AUTOREN
Harald Keller
## TAGS
Wochenendkrimi
Sonntagskrimi
3sat
Wochenendkrimi
Wochenendkrimi
Kino
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Polizeiruf 110“ aus Magdeburg: David Lynch an der Elbe
Der Magdeburger „Polizeiruf“ erfüllt alle Klischees eines TV-Krimis. Dafür
bietet er Stimmungen des US-Kult-Regisseurs.
Krimi „Die Behandlung“: Belgiens Trauma
Der Kriminalfall um den Kindsmörder Marc Dutroux war immer wieder Vorlage
für belgische Krimis. Der Kinofilm „Die Behandlung“ knüpft daran an.
„A Most Violent Year“ im Kino: Die Absichten der Menschen
Von Kaufleuten, die legal große Geschäfte machen wollen, erzählt das Kino
selten. J. C. Chandors Film „A Most Violent Year“ ist eine Ausnahme.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.