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# taz.de -- Chefinnen im Hotel- und Gastgewerbe: Man bekommt alles serviert
> Franziska Richard leitet das Hotel Bellevue im schweizerischen Adelboden,
> ein Bau der klassischen Moderne. Sie ist Chefin in dritter Generation.
Bild: Zimmer mit Aussicht im Bellevue
Ganz Adelboden ist Alpenbarock pur: viel Holz ums Haus, blühende Wiesen,
rauschende Wasserfälle, imposante Gipfel, eisige Gletscher. Doch zwei
Bauwerke dort haben sich schon seit den 30er Jahren der Schlichtheit der
Moderne mit ihrer reduzierten Formensprache verschrieben: das Freibad
Gruebi und das Hotel Bellevue.
Die sonnenverwöhnte Lage des Parkhotels Bellevue, auf 1.400 Meter im Berner
Oberland gelegen, beherbergt seit 1901 Urlauber zum Skifahren und Wandern.
Einst als Türmchenbau aus Holz gebaut, brannte das ursprüngliche Gebäude
1931 vollständig ab. „,Nie wieder Holz'“, sagte danach meine Großmutter
Elisabeth, die damalige Besitzerin“, erzählt die heutige Hotelchefin
Franziska Richard. Die Großmutter bestand nun auf einem Haus aus Beton.
„Nicht weil sie sich der Architektur der Moderne verschrieben hätte oder
progressiv war, sondern weil sie durch den Brand traumatisiert war“, sagt
Franziska Richard. „Wir fünf Kinder sind mit meinen Eltern, die später das
Haus führten, hier im Hotel aufgewachsen. Die Leute im Dorf fanden das Haus
schrecklich. Das hat auch unseren Blick darauf geprägt.“ In fünf Etappen
wurde das Hotel in den vergangenen Jahren renoviert.
Weg vom 70er- und 80er- Jahre-Alpenschick, der sich mit der Zeit
eingeschlichen hatte, vorwärts zu den Wurzeln der klassischen Moderne.
Große Fensterfronten und Schiebetüren machen die Terrasse zum erweiterten
Restaurant. Midcentury-Möbelklassiker, Eichenparkett, kombiniert mit
Kelimteppichen, geschmackvolle Details in hochwertigem Vintagestil. Eine
Einrichtung nach dem Motto: „Die Gestaltung von schönen Dingen sollte sich
aus ihrem Nutzwert ableiten.
## Journalistin oder lieber doch Hotelechefin?
Seit zwei Jahren betreut Franziska Richard das Familienhotel in dritter
Generation. Eine Familienaktiengesellschaft, bei der die fünf
Richard-Geschwister jeweils 20 Prozent des Hotels besitzen. „Keine einfache
Aufteilung, durchaus mühsam“, sagt Franziska Richard. Eine schöne und
qualitativ hochwertige Einrichtung sei wichtig, doch ein guter Service sei
durch nichts zu ersetzen. Sie sieht das Hotel als einen Ort, wo man bedient
und verwöhnt wird, wo man abhängen kann.
Und sie ist stolz darauf, dass viele allein reisende Frauen immer
wiederkommen: „Wir setzen keine an den Katzentisch.“ Wie diskriminierend
das ist, weiß die unverheiratete Franziska Richard sicher aus eigener
Erfahrung. „Ja, ich habe zwei Leidenschaften: das Schreiben und das Hotel.
Ich bin in beiden Bereichen ausgebildet, und meine Vorliebe pendelt so hin
und her. Aber jetzt lass ich das Schreiben ganz sein. Schreiben ist
Trockenübung. Jetzt bin ich im Wasser “, sagt die zurückhaltende
Hotelchefin mit einem überraschend ausgelassenen Lacher. Essen und Trinken
sowie Design waren auch ihre journalistischen Themen.
Jetzt zu Coronazeiten seien die Gäste besonders dankbar, hier sein zu
können. „Als ob man die Leute aus dem Gefängnis entlässt und vor ein
schönes Erdbeerfeld setzt.“ Die Belegung sei stärker als sonst. Es kommen
viele Wiederkehrer, aber auch neue Gäste. „30 Prozent“, weiß Richards,
„wären eigentlich gern woanders.“
Es sind vor allem Schweizer, die sich hier von Corona und anderer Unbill
des Alltags erholen. Viele kommen mit dem Zug. Der europäische Markt ist
zusammengebrochen. „Wir haben kompensiert mit dem Schweizer, der von ganz
nah kommt. Deshalb stehen wir jetzt gut da. Für uns ist wichtig, dass die
Leute nicht heute anreisen und morgen abreisen.“ Die ganze Preispolitik sei
so gesteuert, dass der Gast belohnt wird, wenn er länger bleibt. „Dann kann
man Beziehung aufbauen. Das ist gut für das Haus, auch für die
Mitarbeiter.“
Sie verstehe Nachhaltigkeit als etwas, das langfristig Wirkung zeige. „Aber
unser beheiztes Außenbad, unser Spa, die Hotellerie ist nicht ökologisch.
Es geht ja um Konsum.“ Stilvoll entspannt konsumieren: beim Wandern,
Radfahren oder einem Ausflug in die Umgebung, danach relaxen im Solebad, in
der Sauna oder bei der guten Küche.
Franziska Richard, die Pendlerin zwischen Journalismus und Hotellerie,
zwischen Stadt und Land, sieht auch für sich die Vorteile des Lebens im
Hotel: „Ich muss nicht in der Stadt rumrennen für Toilettenpapier. Ich
putze nicht, ich koche nicht. Schon meine Mutter mit ihren fünf Kindern hat
es geschätzt, dass der ganze Haushalt wegfällt. Die Köche haben für uns
gekocht, die Zimmerfrauen haben die Betten gemacht. Alltag ist ja auch
mühsam.“
Und sie schränkt ein: „Allerdings, wenn man alles serviert bekommt,
verliert man auf die Dauer die Freude daran. Ich will kochen, habe aber die
Zeit nicht. Ich weiß manchmal gar nicht, wie das Wetter ist.“
13 Sep 2020
## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Hotel
Tourismus
Reiseland Schweiz
Hotel
Südtirol
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