# taz.de -- Stilikone Iris Apfel: Es muss Spaß machen | |
> Stil als Ausdruck von Persönlichkeit: Iris Apfel feirte gerade ihren 99. | |
> Geburtstag. Ihre Geschichte erzählt das Buch „Accidental Icon“. | |
Bild: Schwarze Eulenbrille und roter Lippenstift sind ihre Markenzeichen: Iris … | |
„Ich wollte nie ein alter Griesgram werden“, bekundet Iris Apfel, | |
Geschäftsfrau, Sammlerin und Stilikone in ihrem Buch „Accidental Icon. Stil | |
ist keine Frage des Alters“. Das ist ihr gelungen: In einem Alter, in dem | |
andere Menschen längst im Ruhestand weilen, begründete Iris Apfel ihre | |
Zweitkarriere. Sie war 90, als sie ihre erste Limited Edition für den | |
Kosmetikhersteller MAC Cosmetics herstellte – roter Lippenstift zählt neben | |
einer übergroßen schwarzen Eulenbrille zu Iris Apfels Markenzeichen – und | |
97, als sie ihren ersten Modelvertrag bei der Modelagentur IMG | |
unterschrieb. | |
Am 29. August feierte Iris Apfel ihren 99. Geburtstag. Ihr Geheimnis? Nicht | |
über das Alter nachdenken. Stattdessen: viel Spaß und viel Arbeit. Iris | |
Apfel hat ihr Leben lang gearbeitet – bis heute. Dabei folgt sie einer | |
einfachen Regel: „Es muss Spaß machen. Wenn nichts mehr Spaß macht, kann | |
man genauso gut tot sein.“ | |
Sie stürze sich in Dinge, die aufregend klängen – Gedanken mache sie sich | |
später. Iris Apfel war unabhängig, lange bevor Feminismus ein Begriff war. | |
Aufgewachsen in Queens, schickte ihre Mutter die kleine Iris bereits mit | |
zwölf Jahren nach Manhattan, um sich etwas zum Anziehen zu kaufen. Denn wie | |
sie selbst war auch ihre Mutter berufstätig. „Ohne es zu ahnen“, | |
reflektiert Iris Apfel in ihrem Buch, „war sie vermutlich all die Jahre | |
lang mein Vorbild.“ | |
Nach dem Schulabschluss studierte Iris Apfel Kunstgeschichte und begann | |
einen Job als Textkurier bei der Modefachzeitschrift Women’s Wear Daily. | |
Läppische 15 Dollar verdiente sie pro Woche. Einmal verstanden, dass es | |
dort für sie kein berufliches Weiterkommen gab, heuerte Iris Apfel zunächst | |
bei dem Modeillustrator Robert Goodman und später bei der Inneneinrichterin | |
Elinor Johnson als Assistentin an. | |
Sie knüpfte Kontakte und konnte sich beweisen durch einen Geschmack, der | |
nicht von der Stange kam. Iris Apfel, die weder eine E-Mail-Adresse noch | |
Social-Media-Kanäle besitzt, lässt sich nicht beeindrucken von vermeintlich | |
großen Namen. [1][Sie kauft, was ihr gefällt – Haute-Couture-Stücke ebenso | |
wie 5-Dollar-Armreifen vom Flohmarkt]. | |
Im Jahr 1948 heiratete sie Carl Apfel, mit dem sie bis zu seinem Tod im | |
Jahr 2015 zusammenblieb. [2][Der Dokumentarfilm „Iris“] aus dem Jahr 2014 | |
gibt ein berührendes Zeugnis dieser Komplizenschaft. Anfang der | |
Fünfzigerjahre gründeten die Apfels Old World Weavers, ein Unternehmen für | |
Einrichtungsstoffe, und spezialisierten sich auf die Replikation von | |
Textilien aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert. Viele Accessoires und | |
Kleidungsstücke ihrer beeindruckenden Sammlung las die treffsichere | |
Sammlerin während ihrer Reisen auf Basaren oder in Boutiquen auf. | |
Internationaler Ruhm mit 85 | |
Sie habe sich nie etwas nicht zugetraut, bemerkt Iris Apfel in ihren | |
Betrachtungen, die im Buch mit privaten Fotos, Bildern aus Werbekampagnen, | |
Illustrationen sowie Modeaufnahmen renommierter Künstler kombiniert werden, | |
nur weil sie eine Frau sei: „Ich wollte ein Unternehmen gründen und Stoffe | |
herstellen, also fand ich heraus, wie man das macht.“ Unter anderem war Old | |
World Weavers über die Dauer von neun amerikanischen Präsidentschaften | |
hinweg an der Restauration antiker Stoffe im Weißen Haus beteiligt. | |
Zu internationalem Ruhm gelangte Iris Apfel jedoch erst im Jahr 2005: Das | |
Metropolitan Museum of Art [3][zeigte in der Ausstellung Rara Avis] mehr | |
als 80 Outfits und Hunderte Accessoires aus Iris Apfels riesigem | |
Repertoire. | |
Es war das erste Mal, dass das Met dem Stil einer noch lebenden Frau | |
huldigte, die keine Modedesignerin war. Die Zeiten hatten sich geändert: | |
Menschen interessierten sich auf einmal nicht mehr nur für das, was die | |
Models auf den Laufstegen trugen, sondern auch dafür, was gut gekleidete | |
Menschen in Metropolen wie New York, Paris oder Mailand auf der Straße | |
anhatten. | |
Scott Schuman gründete sein [4][Blog The Sartorialist] und der Fotograf und | |
Journalist [5][Bill Cunningham schrieb über die Ausstellung in seiner | |
Kolumne in der New York Times]. Iris Apfel stand Spalier für eine modische | |
Zeitenwende, im Zuge derer es fortan wichtiger wurde, anhand seiner | |
Kleidung seine Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen, als seinen | |
finanziellen Status. | |
Nach der Eröffnung von Rara Avis, erinnert sich Iris Apfel, erzählte man | |
ihr immer wieder, sie hätte über Nacht Furore gemacht. „Sie haben recht“, | |
antwortete Iris Apfel in solchen Momenten, „nur dass mein ‚über Nacht‘ 70 | |
Jahre gedauert hat.“ | |
1 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Renaissance-von-Secondhand-Mode/!5700038 | |
[2] https://youtu.be/Fo8jwJ_2l0c | |
[3] https://www.metmuseum.org/press/exhibitions/2005/rara-avis-selections-from-… | |
[4] https://www.thesartorialist.com/ | |
[5] https://www.nytimes.com/2005/10/02/style/on-the-street-in-her-image.html | |
## AUTOREN | |
Marielle Kreienborg | |
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