| # taz.de -- AfD-Landesparteitag in Braunschweig: Noch weiter rechts | |
| > Die AfD in Niedersachsen hat mit Jens Kestner einen neuen | |
| > Landesvorsitzenden. Die Polizei löste beim Landesparteitag eine Gegendemo | |
| > mit Hunden auf. | |
| Bild: Neuer AfD-Chef in Niedersachsen: Jens Kestner | |
| Die AfD Niedersachsen hat sich entschieden: Auf dem Landesparteitag am | |
| Samstag in Braunschweig konnte sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Jens | |
| Kestner in einer Kampfabstimmung gegen die AfD-Landtagsfraktionsvorsitzende | |
| Dana Guth durchsetzen. Mit 278 zu 248 Stimmen errang er den Landesvorsitz. | |
| Nach vier knappen Wahlgängen stand die eindeutige Entscheidung. | |
| Der 48-Jährige gehört zu dem offiziell aufgelösten „Flügel“ um die | |
| Thüringische Landtagsfraktion und den [1][AfD-Landesvorsitzenden Björn | |
| Höcke]. Kestner hatte nie verheimlicht, zu den „Patrioten“ zu zählen. | |
| Kurz von 10 Uhr am Samstag zeigte sich, dass der Parteitag im Millenium | |
| Event Center nicht pünktlich beginnen wird. Zu der weiträumig durch die | |
| Polizei abgeriegelten schmucklosen Halle am Stadtrand zwischen Kleingärten | |
| und Wiesen kamen kaum noch AfD-Mitglieder. Stattdessen waren etwa 4.000 | |
| Menschen gegen die vermeintliche Alternative auf die Straße gegangen. | |
| Zum Gelände führen zwei Zufahrtsstraßen. An einer richtete das | |
| Braunschweiger Bündnis gegen Rechts (BgR) eine Kundgebung aus, direkt neben | |
| dem Veranstaltungsort. Die andere Straße sollte als Hauptzufahrtsweg von | |
| der AfD genutzt werden. „Die AfD ist eine demokratisch gewählte Partei, sie | |
| ist aber demokratiefeindlich. Mit ihren Positionen gegen | |
| Gleichberechtigung, Presse- und Kunstfreiheit steht sie wider dem | |
| Grundgesetz“, sagte Margaux Erdmann vom BgR auf der Protestkundgebung. Als | |
| ein Bus und mehrere Autos mit Parteitagsgästen durch Blockaden stecken | |
| geblieben waren, applaudierten die Gegendemonstrant*innen. Erst mit | |
| zweieinhalbstündiger Verspätung konnte der Parteitag beginnen. | |
| ## Buhrufe und Gegröle für die Fraktionschefin | |
| Daher zog die Landtagsparteiführung die Begrüßungsreden der zwei | |
| Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla und Jörg Meuthen vor. Die Bundesregierung | |
| und die anderen Parteien würden versagen, die AfD müsse zu einer | |
| bürgerlichen, regierungsfähigen Partei werden, sagte Meuthen. Chrupalla | |
| betonte indes, dass niemand eine „zerstrittene Partei“ wähle und rief dazu | |
| auf, endlich „mit dem Lagerdenken“ aufzuhören. Die „Patrioten“ gehört… | |
| AfD, so Chrupalla: „Schluss mit der [2][Ausschließeritis, Schluss mit der | |
| Anpasseritis]“. Sätze wie dieser sagte er unter stürmischem Applaus. In der | |
| Halle sollen „Tino, Tino“-Sprechchöre aufgekommen sein. Diese Reaktionen | |
| deuten an, dass Meuthens Renommee, der den Rauswurf des | |
| [3][AfD-Landtagsfraktionschef in Brandenburg und Flügel-Organisators | |
| Andreas Kalbitz] eingeleitet hatte, sinkt. | |
| In den Debatten um die Tätigkeitsberichte und die Entlastung des | |
| Landesvorstands konnte Landtagsfraktionschefin Guth sich kaum positiv | |
| präsentieren. Begleitet von Buhrufen und Gegröle gelang ihr nicht, mit dem | |
| Argument der eingereichten Klage gegen den niedersächsischen | |
| [4][Verfassungsschutz] Zuspruch zu gewinnen. Der Verfassungsschutz in | |
| Niedersachsen stuft Teile der AfD als rechtsextrem ein. | |
| Von den Gegendemonstrant*innen sprach Guth als „Antifa-Zeckenplage“. Aber | |
| auch das konnte der 50-Jährigen kaum Zuspruch einbringen. Stattdessen warf | |
| Kestner der Landesführung unter Guth vor, die Mitgliederzahl würde aufgrund | |
| einer von ihr ausgehenden „Lethargie“ stagnieren. Zudem habe Guth mit ihrer | |
| Profillosigkeit eine geringe öffentliche Wahrnehmung bewirkt. „Wir müssen | |
| auf die Straße, Protestaktionen machen“, sagte Kestner. Und wetterte gegen | |
| die Migrationspolitik und Coronamaßnahmen. | |
| Bei den Protesten der AfD-Gegner*innen am Samstag in Braunschweig sollen | |
| Polizei und Parteitagsbesucher*innen angegriffen worden sein. So zumindest | |
| hieß aus Kreisen der AfD. Auf Twitter dokumentiert allerdings ein Video, | |
| wie Polizeibeamte mit Hunden, die einen Beißkrob tragen, und Pfefferspray | |
| gegen friedliche Demonstrant*innen vorgehen. Auch die Langfassung des von | |
| einem Mitglied der Grünen Jugend aufgenommen Videos, das der taz vorliegt, | |
| zeigt lediglich, wie die Polizei die Demonstrant*innen angreift. | |
| In dem Video wird nichts geworfen, niemand geht die Beamt*innen an. Margaux | |
| Erdmann vom BgR, die auch Mitglied der Grünen ist, sagte zur taz: | |
| „Blockaden sind vom Grundrecht, sich friedlich zu versammeln und auf die | |
| öffentliche Meinungsbildung einzuwirken, gedeckt.“ Die Teilnehmenden unter | |
| Einsatz von Hunden und Pfefferspray gewaltvoll zur Auflösung der Blockade | |
| zu zwingen, um die AfDler*innen zum Veranstaltungsort gehen zu lassen, sei | |
| verfassungsrechtlich unverhältnismäßig. Dass die Polizei die Schuld nach | |
| Presseangaben bei dem Demonstrant*innen platzierte, zeuge vom mangelnden | |
| Interesse einer selbstkritischen Überprüfung, so Erdmann. | |
| 13 Sep 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Speit | |
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