| # taz.de -- AnarchistInnen über Belarus: „Ich hörte Schreie aus den Zellen�… | |
| > Die beiden belarussischen AnarchistInnen Nastja und Alexej sind in die | |
| > Ukraine geflohen. In Minsk saßen sie nach einer Demo mehrere Tage im | |
| > Gefängnis. | |
| Bild: Entlassen aus der Haft: Folterspuren auf dem Rücken | |
| taz: Nastja*, Alexej*, Sie sind beide aus Belarus geflohen. Wir müssen uns | |
| deshalb hier in Kiew treffen. Am [1][9. August] waren Sie in Minsk direkt | |
| nach einer Kundgebung festgenommen worden. Was haben Sie in der Haft | |
| erlebt? | |
| Nastja: Am Anfang war die Polizei noch nicht so brutal bei der Verhaftung. | |
| Wer kooperiert hatte, wurde nicht geschlagen. Ich habe aber nicht | |
| kooperiert. Die ganzen Nächte habe ich die Schreie aus den Zellen der | |
| männlichen Gefangenen gehört. Wenn jemand schon schwer misshandelt worden | |
| war, hat man häufig einen Krankenwagen rufen müssen. | |
| Warum hat man die Gewalt gegen die Gefangenen eskalieren lassen? | |
| Nastja: Ich denke, die haben am ersten Tag gedacht, dass sie uns nun | |
| genügend eingeschüchtert haben. Doch die Demonstrationen sind | |
| weitergegangen. Und deswegen haben sie einfach die Gewalt eskaliert. | |
| Wie und zu welchen Themen arbeiten Sie? | |
| Nastja: Wir sind immer dabei, wenn es Probleme gibt, die die Gesellschaft | |
| in Belarus bewegen. Seien es Streiks, Aktionen gegen Wehrpflicht, gegen | |
| Polizeigewalt und Steuererhöhungen. Wir Anarchisten machen viele eigene | |
| kleine und dezentrale Aktionen, marschieren mitunter aber auch ganz vorne | |
| bei Demonstrationen mit. Vor den diesjährigen Protesten hatten wir uns | |
| zuletzt im Jahr 2017 an den Protesten gegen die Diskriminierung der | |
| Arbeitslosen beteiligt. Damals hatte die Regierung eine Sondersteuer für | |
| „Nichtstun“ geplant. | |
| Alexej: Nicht immer bleibt es bei Streiks, Plakaten und Transparenten. 2010 | |
| hatten belarussische Anarchisten einen Molotowcocktail auf ein parkendes | |
| Auto der russischen Botschaft geworfen. 2018 flog ein Molotowcocktail auf | |
| die Steuerbehörde von Gomel, wenig später auf ein Gebäude von | |
| Gerichtsvollziehern. Ich würde das nicht machen. Aber wir respektieren | |
| Genossen, die sich zu einer derartigen Aktion entschlossen haben. Doch | |
| derartige Aktionen sind nicht effektiv. Die Medien ignorieren sie, und wer | |
| erwischt wird, dem drohen mindestens drei Jahre Haft. | |
| Mit wem arbeiten Sie zusammen? | |
| Alexej: Wir wollen nichts mit Nationalisten zu tun haben und wir wollen uns | |
| auch nicht von Parteien benutzen lassen. Das würde denen so passen, uns als | |
| Kanonenfutter zu benutzen, und sobald sie uns nicht mehr brauchen, werden | |
| sie uns wieder fallen lassen. Nein, wir gehen natürlich auf Demonstrationen | |
| mit, aber die Aktionen, die wir machen, sind unsere eigenen Aktionen. | |
| Wie geht es weiter in Belarus? | |
| Alexej: Das Hauptproblem des Landes ist das System Lukaschenko. Erst wenn | |
| dieses ganze System zerstört ist, können wir freier leben. | |
| Wie sind die Chancen eines friedlichen Machtwechsels? | |
| Alexej: Diktatoren verabschieden sich in der Regel nicht friedlich. Die | |
| Protestierer hoffen leider immer noch auf friedliche Veränderungen. Aber | |
| ich glaube, das funktioniert nicht. Sehen Sie sich doch mal Venezuela an. | |
| [2][Maduro geht nicht], obwohl das Volk gegen ihn auf die Straße geht. Den | |
| Machtapparat hat er weiter hinter sich und mehr braucht ein Diktator nicht. | |
| Ja, was muss dann geschehen? | |
| Alexej: In Belarus kämpft niemand mit Waffen gegen Lukaschenko. Leider. | |
| Wenn die Protestierer in Belarus Waffen hätten, wäre das Kräfteverhältnis | |
| gerechter. | |
| * Die realen Namen sind unbekannt | |
| 9 Sep 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Proteste-nach-Wahl-in-Belarus/!5706113 | |
| [2] /Parlamentswahlen-in-Venezuela/!5696134 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Clasen | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Krisenherd Belarus | |
| Belarus | |
| Weißrussland | |
| Alexander Lukaschenko | |
| Anarchisten | |
| Schwerpunkt Krisenherd Belarus | |
| Schwerpunkt Krisenherd Belarus | |
| Schwerpunkt Krisenherd Belarus | |
| Schwerpunkt Krisenherd Belarus | |
| Schwerpunkt Krisenherd Belarus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Proteste in Belarus: Die Angst kehrt zurück | |
| Das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte zeigt in der Provinzstadt Grodno | |
| Wirkung. Eltern wird damit gedroht, ihnen die Kinder wegzunehmen. | |
| Proteste in Belarus: Einen nach der anderen | |
| Mit der Festnahme des Anwalts Maxim Snak verliert die Opposition einen | |
| ihrer letzten führenden Köpfe. Die Proteste dürften indes weitergehen. | |
| Opposition in Belarus: Wo ist Maria Kolesnikowa? | |
| Die belarussische Oppositionspolitikerin ist weiterhin nicht auffindbar. | |
| Präsident Lukaschenko lehnt Gespräche mit dem Koordinierungsrat ab. | |
| Protestbewegung in Belarus: Digital überrannte Diktatoren | |
| Diktatoren sind machtlos gegen dezentral organisierte Demonstrationen. | |
| Lukaschenko macht die Menschen höchstens nur noch wütender. | |
| Erneute Demonstrationen in Belarus: Protest im Stresstest | |
| In Belarus geht das Regime weiter gegen die Opposition vor. In deren Reihen | |
| treten Meinungsunterschiede immer offener zutage. |