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# taz.de -- Hubertus Heil fordert neuen Mindestlohn: Wie viel ist genug?
> Der Arbeitsminister schlägt vor, den Mindestlohn schneller zu erhöhen als
> bisher geplant. 10 Millionen Beschäftigte verdienen derzeit weniger als
> 12 Euro pro Stunde.
Bild: Mr. Mindestlohn: „Es geht um Leistungsgerechtigkeit“, sagt Arbeitsmin…
Berlin dpa | Mit neuen Vorgaben für die Mindestlohnkommission will
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Lohnuntergrenze in
Deutschland auf 12 Euro steigen lassen. „Ich werde Vorschläge machen, wie
wir schneller die Marke von 12 Euro pro Stunde als Lohnuntergrenze
erreichen können“, sagte Heil der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Derzeit verdient rund jeder vierte Beschäftigte in Deutschland weniger als
12 Euro pro Stunde.
Die Mindestlohnkommission hatte Ende Juni [1][eine Anhebung in vier Stufen
bis Mitte 2022] empfohlen – von jetzt 9,35 Euro auf 10,45 Euro pro Stunde.
Die unabhängige [2][Kommission] wurde eingerichtet, um regelmäßig die Höhe
des Mindestlohns zu überprüfen und Empfehlungen für Anpassungen zu machen.
Hierzu erarbeitet sie alle zwei Jahre einen Vorschlag. Die Empfehlungen
werden von der Regierung in der Regel umgesetzt.
Heil kündigte nun an: „Ich werden im Herbst Vorschläge zur
Weiterentwicklung des Mindestlohns und zur Stärkung der Tarifbindung
machen.“ Zunächst solle der Mindestlohn angehoben werden wie von der
Kommission vorgeschlagen. „Aber mir reicht das nicht aus“, stellte der
Minister klar. „Ich habe nach dem Gesetz die Aufgabe, fünf Jahre nach
Einführung des Mindestlohns den gesamten Mechanismus zu untersuchen.“ Seit
2015 gilt eine Lohnuntergrenze in Deutschland. Damals waren es zunächst
8,50 Euro.
Heil will der Kommission nun „weitere Kriterien“ an die Hand geben, wie er
sagte. „Im Moment orientiert sich die Weiterentwicklung des Mindestlohns
stark an der Tarifentwicklung“, so der SPD-Politiker. „Ich kann mir
vorstellen, dass wir der Kommission ein weiteres Kriterium mitgeben und sie
sich stärker an der Entwicklung mittlerer Einkommen – des Medians –
orientiert.“
## 9,99 Millionen Mindestlohnempfänger
Tatsächlich empfiehlt die Kommission die Anpassung des Mindestlohns
vorwiegend gemäß der durchschnittlichen Tariferhöhungen. Bereits
Gewerkschaften hatten kritisiert, dies sei eine rein statistische Größe.
Sie hatten gefordert, dass der auch im Mindestlohngesetz vorgesehene
Mindestschutz der Arbeitnehmer eine größere Bedeutung bekommt.
Heil sagte: „Es geht um Leistungsgerechtigkeit. Es ist aber auch ökonomisch
sinnvoll, weil das die Kaufkraft der Menschen stärkt.“
Ökonomen und Arbeitgeber haben dagegen immer wieder vor neuen politischen
Vorgaben für einen höheren Mindestlohn gewarnt. Dies gefährde
Beschäftigung, argumentieren sie.
Weniger als 12 Euro pro Stunde verdienten zuletzt 9,99 Millionen
Beschäftigte, wie eine der Deutschen Presse-Agentur vorliegende Antwort des
Statistischen Bundesamts zeigt, die die Linke im Bundestag angefordert
hatte.
## Starke regionale Unterschiede
In Ostdeutschland lag der Anteil der Beschäftigungsverhältnisse mit unter
12 Euro in der Stunde bei 36,7 Prozent. In Westdeutschland einschließlich
Berlin betraf dies 24,7 Prozent der Beschäftigten. Diese im Juli erstellte
Statistik des Bundesamts zeigt das Bild im April 2018.
Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst lag deutschlandweit bei 19,37
Euro. Am niedrigsten war er mit 15,86 Euro in Mecklenburg-Vorpommern. Am
meisten verdienen die Beschäftigten in Hamburg – dort waren es 21,90 Euro.
Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion, Sabine
Zimmermann, sagte der dpa, die jüngste Empfehlung der Mindestlohnkommission
sei nicht akzeptabel und zementiere den [3][Niedriglohnbereich]. „Die
Arbeitgeber haben offensichtlich eine spürbare Anhebung des Mindestlohns
verhindert.“
Die Lohnuntergrenze gilt für alle volljährigen Arbeitnehmer – außer für
Langzeitarbeitslose nach einer Arbeitsaufnahme in den ersten sechs Monaten.
Auch für Azubis, Menschen mit Pflichtpraktikum oder Praktika unter drei
Monaten gilt er nicht. Daneben haben mehrere Branchen tarifliche
Mindestlöhne, die über der Lohnuntergrenze liegen.
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hat für
Deutschland berechnet, dass eine die Lebensgrundlage sichernde
Lohnuntergrenze für Deutschland bei 12,61 Euro liegen müsste. Auch deutsche
Sozialverbände, sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerverbände, sprechen
sich dafür aus, den Mindeslohn anzuheben.
23 Jul 2020
## LINKS
[1] /Stufenweise-Erhoehung/!5697740
[2] /Empfehlung-der-Mindestlohnkommission/!5697599
[3] /Arbeit-in-der-Fleischindustrie/!5693754
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Mindestlohn
Hubertus Heil
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Soziale Gerechtigkeit
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