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# taz.de -- Max Kruse wechselt zum 1. FC Union: Eiserner Exzentriker
> Mit der Verpflichtung von Max Kruse gelingt Union Berlin ein
> Transfercoup. Klub und Spieler verbindet deutlich mehr, als man denkt.
Bild: Schätzt den Coolness-Faktor: Kruse entscheidet sich trotz besserer Angeb…
Nun ist die Zahl der Follower in sozialen Medien nicht immer
aussagekräftig, um die Beliebtheit eines Fußballvereins oder Fußballers zu
bemessen. Aber Hinweise auf die Popularität gibt sie schon. Und dabei zeigt
sich, dass die eines Spielers wie Max Kruse, der [1][bei der Plattform
Instagram mit 410.000 Abonnenten] geführt wird, die des Bundesligisten
Union Berlin (107.000) bei Weitem übersteigt.
Ist eine Zusammenarbeit allein deshalb sinnvoll, weil die Figur weit über
die Alte Försterei strahlt? Es bedarf schon einer näheren Betrachtung,
warum die Eisernen und der Exzentriker zusammengefunden haben. Beide
besitzen das gewisse Etwas – und es verbindet sie der Ehrgeiz, dem
Establishment mit einem anderen Ansatz die Stirn zu bieten. Unverstellt
und unangepasst.
Er sei glücklich, „mit Union einen coolen neuen Verein kennenzulernen, der
in den letzten Jahren eine tolle Entwicklung genommen hat“, wurde Kruse auf
der Website von Union zitiert. Deren Geschäftsführer Oliver Ruhnert
wiederum hielt fest: „Dass ein ablösefreier Spieler dieser Qualität sich
trotz wirtschaftlich deutlich höher dotierter Angebote für Union
entscheiden hat, zeigt, dass Union als Klub mit anderen Werten punkten
kann.“ Der 32 Jahre alte Kruse ist für das Abenteuer, einen Aufsteiger im
verflixten zweiten Jahr fußballerisch auf die nächste Entwicklungsstufe zu
führen, offenbar recht leicht zu haben gewesen.
Für beide Seiten könnte sich eine Win-win-Situation ergeben: Der in keine
Schablone pressbare Alleskönner weist gehobenes Bundesliga-Niveau nach, der
in kein Schema passende Außenseiter wird Union bei der spielerischen
Weiterentwicklung helfen können. Nur kämpfen, kratzen, beißen wird nächste
Saison kaum reichen, zumal die Coronakrise wohl weiterhin den Heimvorteil
killt. Union-Trainer Urs Fischer wird vermutlich seit Längerem überlegen,
wie die Herangehensweise angepasst werden kann. Und Kruse ist nun mal
maßgeschneidert für ein gepflegtes Spiel mit dem Ball.
Kaum einer bewegt sich so stilsicher hinter der ersten Sturmlinie wie der
nicht zu greifende Unterschiedsspieler mit dem Feingefühl im linken Fuß.
Notfalls holt der Zehner auch mal Bälle hinter der Mittellinie ab, aber der
Instinkt lockt ihn bald nach vorne, und wenn Angriffszüge zu versanden
drohen, hat meist er die richtige Lösung parat – selbst wenn der
Nutella-Liebhaber mal ein paar Pfunde zu viel auf den Rippen herumschleppt.
## Produktiver Querdenker
Ihm gefällt die Rolle des Einfädlers, er hat sich mit den Jahren immer mehr
zum Spezialisten für den letzten und vorletzten Pass entwickelt. Wobei er
immer noch selbst genug Tore schießt. Bislang waren es 74 Treffer (und 68
Vorlagen) in 250 Bundesligaspielen. Und was nicht in den Statistiken steht,
verriet sein letzter Bundesliga-Trainer Florian Kohfeldt bei Werder Bremen:
Kruse ist derjenige, der gerne auch gegenüber seinen Vorgesetzten
anspricht, was Sache ist. Solche Querdenker, die mit Reibung noch Leistung
erzeugen, sind ganz, ganz selten geworden.
Union Berlin hat mit dem Kruse-Coup die Gunst der Stunde genutzt: Nach
seinem einjährigen Gastspiel bei Fenerbahçe Istanbul war der 14fache
Nationalspieler wegen Ausbleiben der Honorare auf Klubsuche. Die digitale
Welt nutzt Kruse clever, um Deutungshoheit zu erlangen. Seine Absage an
Werder erfolgte auf diesem Weg. „Ich habe von Anfang an gesagt, dass eine
Rückkehr zu Werder nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit hat.“ Das Thema
sei in der Öffentlichkeit „hochgepusht worden“. Die Erwartungen wären
vermutlich ins Unermessliche gestiegen.
Kruse ging bei Werder im Vorjahr als Kapitän von Bord – und ohne ihn wäre
das Team fast abgestiegen. Der Offensivallrounder hat überdies bereits für
den FC St. Pauli, SC Freiburg, Borussia Mönchengladbach und VfL Wolfsburg
gespielt, wo ihm sein damaliger Berater Thomas Strunz angeblich ein Salär
von 6 Millionen Euro ausgehandelt hatte. Kruse sieht kein Problem darin,
seinen Reichtum beispielsweise mit protzigen Autos zu zeigen, aber mitunter
hat er es auch übertrieben: Einmal vergaß er bei einer nächtlichen
Spritztour in Berlin einen erheblichen [2][Geldbetrag in einem Taxi] auf
dem Rücksitz – und bald war das gemeinsame Tischtuch mit dem Werksverein
zerschnitten.
Als Ausweg kam seine erste Profistation Bremen wieder ins Spiel – dort
spielte er von 2016 bis 2019 so stark, dass gar eine Rückkehr in die
Nationalmannschaft im Raum stand. Bundestrainer Joachim Löw aber hatte den
Charakterkopf Kruse bereits im Frühjahr 2016 suspendiert. Unsolider
Lebenswandel, wechselnde Lebensgefährtinnen: das vertrug sich nicht mit dem
Ehrenkodex, den sich die DFB-Auswahl gegeben hatte.
Bei Kruses aktueller Arbeitsplatzwahl dürfte es eine Rolle gespielt haben,
dass gestandene Bundesligaspieler wie Christian Gentner, Anthony Ujah
[3][oder Neven Subotić] ihren Wechsel nach Berlin-Köpenick nie bereut
haben. Dass die Hauptstadt ganz nebenbei genug Abwechslung abseits des
Fußballplatzes bietet – diesen Aspekt hat Max Kruse sicherlich auch in
seine Entscheidung einfließen lassen.
7 Aug 2020
## LINKS
[1] https://www.instagram.com/max.kruse10/?hl=de
[2] /Kolumne-Liebeserklaerung/!5286775
[3] /Liebling-der-Fans-Neven-Subotic/!5646812
## AUTOREN
Frank Hellmann
## TAGS
Union Berlin
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