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# taz.de -- Otto Wulff über CDU-Gründung: „Meine Mutter kochte Erbsensuppe�…
> Er könne sich genau an die Gründung der Partei erinnern, sagt der Chef
> der Senioren-Union. Ein Gespräch über Corona, 75 Jahre CDU und die
> Frauenquote.
Bild: Die Frauen der CDU-Parteispitze – Annegret Kramp-Karrenbauer (l.), Ange…
taz: Herr Wulff, seit Ende Februar beherrscht die [1][Coronapandemie]
sämtliche Lebensbereiche. Sie sind der Vorsitzende der Senioren-Union, 87
Jahre alt und einer der vielen Alten, über die die Gesellschaft spricht.
Wie waren die letzten Monate für Sie?
Otto Wulff: Ich habe eine neue Erkenntnis gewonnen: dass die Jungen bereit
sind, große Opfer auch für uns Ältere zu bringen. Dieses Solidaritätsgefühl
fand ich beruhigend und bewegend. Es hat mir gezeigt, dass wir in unserem
Land durchaus gegenseitige Verpflichtungen kennen und der „Krieg der
Generationen“ ein Hirngespinst ist.
Wenn Sie auf die 54.000 Mitglieder der Senioren-Union schauen – was sind
deren drängendste Probleme?
Es kommt darauf an, wovon und wie sie betroffen sind und was sie
durchstehen müssen. Meiner Generation der Kriegskinder ist bekanntlich eine
gewisse Gelassenheit eigen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass nicht
alles so schlimm verläuft, wie man zuerst befürchtet. Wir passen uns den
Erfordernissen an und sorgen dafür, dass Risiken vermieden werden. Aber
natürlich machen wir auf unsere Anliegen aufmerksam und fordern ein, was
uns zusteht.
Sie sind als Vorsitzender der Senioren-Union bei den Sitzungen des
CDU-Bundesvorstandes dabei. Ist das zurzeit technisch überhaupt möglich?
Ja natürlich, mit Einschränkungen. Wir machen jetzt diese digitalen
Sitzungen. Ich bin telefonisch zugeschaltet.
Werden Sie da um Ihre Einschätzung gebeten oder müssen Sie sich das Wort
nehmen?
Jeder kann sich melden, natürlich melde auch ich mich, so ich es für
erforderlich halte. Etwa wenn es darum geht, das Maß einzuhalten, nicht die
Maßlosigkeit, zur Vorsicht statt Schnelligkeit zu raten, alles vor dem
Hintergrund der eigenen Lebenserfahrung.
Ihre Partei wird in diesem Jahr 75 Jahre alt. Damals waren Sie 12 Jahre
alt. Können Sie sich noch an die Gründungszeit erinnern?
Ja, sehr genau sogar. Mein Vater war kein Freund der Nationalsozialisten,
unsere Familie hat einiges durchmachen müssen. Deshalb war er einer derer,
die in meinem Heimatdorf Hennen die CDU gegründet haben. Die fand in
unserer häuslichen Küche im Spätherbst 1945 statt. Da kamen aus dem Dorf
zehn Bewohner zusammen, darunter zwei Bauern, ein Schreinermeister, ein
Kettenschmied, ein Tierarzt, ein Friseur, ein Werkzeugmeister und ein
Schlosser, ein Versicherungsvertreter und mein Vater, ein Kaufmann. Diese
zehn einte eins: Sie waren alle nicht Mitglieder der NSDAP gewesen und
entschiedene Gegner des Nationalsozialismus.
Was wurde da besprochen?
Ich saß im Nebenraum und habe die Gründung der CDU und die besprochenen
Themen mitbekommen. Das war eine sehr ernste Sache, jeder Teilnehmer war in
Anzug und Krawatte erschienen. Es ging in der Sache auch darum, wie den
Flüchtlingen und Ausgebombten im Dorf geholfen werden konnte, wo gab es
Heizmaterial und Lebensmittel und wo und wie konnte Wohnraum beschafft
werden. Für die neue Partei gab es im Dorf viel zu regeln und viel zu
beachten.
Gab es in der Runde keine Frauen?
Doch, eine, meine Mutter. Sie spielte eine Hauptrolle, die damals eine
besondere Bedeutung hatte. Sie kochte für die Männerrunde eine Erbsensuppe
und repräsentierte gewissermaßen die wichtigste Quote. Als dann alle in
ihre Ämter gewählt waren und der Ablauf der Gründung genau protokolliert
worden war, wurde eine Flasche westfälischer Korn herbeigeholt. Es wurde
eingeschenkt, und alle erhoben sich würdevoll von ihren Plätzen und tranken
auf das Wohl der CDU. Wohlgemerkt mit einem schwarz gebrannten Schnaps,
einen anderen gab es auch nicht.
Ich kann also bezeugen, dass am Anfang der CDU ein nicht ganz legaler Akt
Pate stand, der ihrem späteren großen Erfolg aber keinen Abbruch getan hat.
Entscheidend war jedoch die Tatsache, dass die Gründer eine Partei aus der
Taufe holten, die sich zu Recht „Volkspartei“ nennen konnte.
In Ihrer Erzählung hört die Frau zu und kocht für die Männer Erbsensuppe.
Ist das nicht immer noch [2][das Geschlechterbild, dem Ihre Partei
anhängt]?
Ganz und gar nicht. Ich habe mit der Quote keine Probleme. Es ist nur zu
kritisieren, dass man überhaupt eine braucht und wir sie vorschreiben
müssen. Frauen können sich heute in der CDU gottlob überall durchsetzen.
Das können sie doch offensichtlich nicht, sonst hätte die CDU nicht nur 25
Prozent Frauen unter den Mitgliedern. In der Unionsfraktion sind sogar nur
20,7 Prozent weibliche Abgeordnete.
Das liegt nicht immer an der Partei als Ganzes, teilweise hat es auch an
den Frauen selbst gelegen. Es ist einfach so, dass sich früher die Frauen
nicht so sehr um die Politik gekümmert haben. Das hängt nicht zuletzt mit
ihrer früheren Erziehung zusammen, glücklicherweise ist das heute anders.
… nicht doch eher mit dem Profil der Partei?
Am Anfang waren es nun mal vorwiegend die Männer, wohlgemerkt alte Männer,
die die CDU gründeten und regierten. Und die haben es bekanntlich gar nicht
so schlecht gemacht. Die Jungen waren noch in Gefangenschaft oder sie waren
im Krieg gefallen, so waren die Zeiten damals. Aber wir haben schnell
gemerkt, dass es ohne die Frauen überhaupt nicht ging und auch nicht gehen
konnte.
Wenn im Dezember der Bundesparteitag über die Satzungsänderung zur
Frauenquote abstimmen soll – wird das was?
Ich dachte mir, dass Sie diese Frage stellen. Aber für mich gehört es sich
nun einmal, mich zunächst mit meinen Freundinnen und Freunden in der
Senioren-Union zu beraten und dann zu entscheiden. Ich denke aber nicht,
dass wir besondere Probleme haben werden.
Zurück zur Partei. Sie sind 1953, an Ihrem 20. Geburtstag, in die CDU
eingetreten. Wenn Sie an sich selbst als diesen jungen Mann zurückdenken:
Was war das politische Versprechen der CDU, das Anziehende für Sie?
Zum einen hat mich angesprochen, dass die CDU die Partei für Europa war.
Auch für Adenauer war Europa die Lösung vieler Probleme in unserem Land.
Zum anderen komme ich aus einer Familie, der der Nationalsozialismus ein
Gräuel war. Die Helden des 20. Juli haben mich unwahrscheinlich beeindruckt
– den Geist dieser Menschen, die vor dem Blutgericht Freislers ihr Leben
ließen, und die christlichen Werte sah ich im Programm der CDU verankert.
Deshalb wurde sie zu meiner Partei.
Wenn Sie heute Ihren Enkeln erklären müssten, warum sie in die CDU
eintreten sollten – was wären Ihre Argumente?
Ich würde ihnen sagen: Es ist nicht nur eine Frage der Vernunft, sondern
auch die Verantwortung eines jeden Demokraten, eine politische Meinung zu
haben und sie mutig zu vertreten. Die Demokratie lebt vom offenen Austausch
der Meinungen. Ich kann nur dazu raten, das nicht zu vergessen. Ich habe
noch erlebt, was es bedeutet, nicht in einer Demokratie zu leben. Parteien
werden heute gerne lächerlich gemacht, ich warne vor Übertreibungen.
Ich habe nicht die Worte eines der abscheulichsten Verbrecher des
Jahrhunderts vergessen, der allen Parteien den Garaus machen wollte. Das
Ergebnis ist bekannt. Deshalb der Rat an meine Enkel: Macht es besser. Die
Erfahrung lehrt: Versucht es mit der CDU!
25 Jul 2020
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## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Frauenquote
CDU
Senioren-Union
Annalena Baerbock
Union
CDU/CSU
Jenna Behrends
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