# taz.de -- Antifaschismus und rechte Ideologie: Trump gegen Antifa | |
> Der US-Präsident verunglimpft legitimen Protest gegen Rassismus und | |
> Polizeigewalt. Dabei nutzt er alte und neue Strategien von rechten | |
> Populisten. | |
Bild: Laut Trump auch „Terroristen“: Frauen in Portland, die gegen Rassismu… | |
Sind die Aussagen von Trump gegen die Linke wirklich ernst zu nehmen? Als | |
er die von den Polizeiübergriffen und Morden erschütterten Demonstranten | |
gegen den Rassismus Anfang Juni als „Antifa“ bezeichnete und diese [1][als | |
„terroristische Organisation“] charakterisierte, blieb es nicht dabei. Am | |
Unabhängigkeitstag setzte er noch einen drauf: „Wir sind dabei, die | |
radikale Linke, die Marxisten, die Anarchisten, die Agitatoren und die | |
Plünderer zu besiegen“, erklärte er. Und in den letzten Tagen organisierte | |
er sogar den [2][Aufmarsch von Paramilitärs] gegen die Protestbewegung. | |
Zumindest Kommunisten gibt es nicht mehr, also bedrohen jetzt Marxisten, | |
Anarchisten und die Antifa die USA. Man könnte vermuten, Trump verfüge nur | |
über wenige historische Kenntnisse und schlage angesichts der sich | |
ausbreitenden antirassistischen Demonstrations- und Bürgerbewegung nur wild | |
um sich und will das Thema für den Wahlkampf funktionalisieren. | |
Trump hat sich zwar davor gehütet, von „Antifaschismus“ zu sprechen, | |
sondern bewusst die [3][„Anarchisten“ und die „Antifa“] angegriffen, die | |
gemeinhin als schwarzer Block assoziiert werden. Die antirassistische | |
Bewegung soll mit diesem Bild als „linksradikal“ und „terroristisch“ | |
abgestempelt werden. Der Präsident will somit die gesamte Opposition und | |
damit letztlich auch die Demokratische Partei in den Geruch des Terrorismus | |
bringen. | |
Trump steht damit nicht allein. Seine Denke ist auch bei der radikalen | |
Rechten in Deutschland und sogar bei Konservativen in Europa verbreitet. Er | |
ließ in seiner Begriffswahl „Antifa“ eine Diskussion anklingen, die in der | |
radikalen Rechten seit Ende der siebziger Jahre auf beiden Seiten des | |
Atlantiks geführt wird. Rechte Zirkel in den USA und Europa befassten sich | |
mit dem Konzept des Anti-Antifaschismus. | |
## Konzept des Anti-Antifaschismus | |
Noch ist er vorsichtig. Hätte er die Demonstranten in den USA als | |
Antifaschisten bezeichnet, hätte er an die Kriegskoalition im Zweiten | |
Weltkrieg, an den gemeinsamen Kampf der USA, Großbritanniens und der | |
Sowjetunion und mit den Partisanen- und Widerstandsbewegungen in Europa | |
erinnern müssen. So weit ist er doch nicht gegangen. Gehört der Sieg im | |
Zweiten Weltkrieg doch immer noch zur US-amerikanischen Identität. Aber | |
seine Äußerungen deuten darauf, dass er oder seine Berater durchaus | |
Kenntnisse über die Diskussion innerhalb der Neonaziszene über den | |
Anti-Antifaschismus haben. | |
Diese Diskussion hat zum Ziel, den historischen Antifaschismus zu | |
diskreditieren. Die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis wird zum | |
Hindernis für die Durchsetzung des eigenen geschichtsrevisionistischen | |
Weltbildes. | |
Die rechte Diskussion über den Anti-Antifaschismus war in den letzten | |
Jahrzehnten nicht besonders publikumsrelevant und wurde von den meisten | |
Linken auch in Deutschland ignoriert. Doch zeigen die von Rechtsradikalen | |
organisierten Angriffe auf KZ-Gedenkstätten und Friedhöfe schon seit | |
Langem, wie ernst es den Organisatoren ist, den Kampf gegen den | |
„Antifaschismus“, gegen die Erinnerung an die Gräueltaten der Nazis also, | |
zu führen. | |
## Totalitäre Denkmuster | |
Der Widerstand gegen die Diskreditierung des Begriffs ist schwach | |
geblieben, weil in der breiten Gesellschaft der „Antifaschismus“ ein mehr | |
oder weniger verbrauchter Begriff geworden ist. Der „antifaschistische | |
Schutzwall“ war 1989 verschwunden und damit die Vereinnahmung des | |
Antifaschismus durch die kommunistische Staatsideologie, die selbst | |
totalitären Denk- und Handlungsformen verhaftet war. | |
Die mit der Studentenbewegung der sechziger Jahre einsetzende | |
Radikalisierung von Teilen der damaligen Jugend forderte zwar die damals | |
immer noch von Nazis durchsetzte westdeutsche Gesellschaft heraus, der | |
damals jedoch übliche Sprachduktus, auch konkurrierende Gruppen und | |
Persönlichkeiten innerhalb der Linken als „faschistisch“ zu brandmarken, | |
führte ins Nichts. Nur zur Sinnentleerung des Begriffs „Antifaschismus“. | |
Der Begriff „Antifaschismus“, der über den (Partisanen-)Kampf gegen Hitler | |
und Mussolini, gegen Franco und gegen deren totalitäre und rassistische | |
Herrschafts- und Denkformen entstanden ist, erscheint also heute selbst in | |
den liberalen Demokratien fast verbrannt zu sein. Und das zu einer Zeit, in | |
der neofaschistische und neonazistische Bewegungen dabei sind, sich wie | |
eine Hydra auszubreiten. | |
## Zerstörung demokratischer Institutionen | |
Der Faschismus von heute kommt nicht mehr im selben Kleid wie unter Hitler | |
und Mussolini daher. Der Angriff der jetzt schon regierenden Populisten | |
zielt aber wie bei den historischen Vorbildern vor der NS-Machtergreifung | |
auf die Zerstörung der demokratischen Institutionen, um mit der | |
Unterstützung durch rechte Massenbewegungen totalitäre Staatsformen | |
durchzusetzen. | |
Auf der Gegenseite sind jene, die dagegen ankämpfen, bisher nicht in der | |
Lage, sich als Antifaschisten neu zu definieren. Wie die USA zeigen, ist | |
die Reduktion oppositioneller Politik auf die Verteidigung der | |
demokratischen Institutionen zu kurz gegriffen. Der notwendige Kampf gegen | |
den Rassismus in den USA und anderswo wird zwar sicherlich in einer breiten | |
Bürgerbewegung münden. Doch der Widerstand muss politisch ideologisch | |
tiefgründiger werden, um erfolgreich zu sein. Ernsthafter Widerstand ist | |
kein Spiel und muss historisch reflektiert werden. | |
Die Partisanen des Zweiten Weltkrieges sind nicht leichten Herzens in den | |
Krieg gezogen. Die neue Widerstandsbewegung gegen den sich abzeichnenden | |
neuen Faschismus muss ein offenes Gesicht zeigen. Sie darf sich nicht | |
hinter schwarzen Masken verstecken, muss aber bereit sein, Konsequenzen auf | |
sich zu nehmen. Sie muss sich glaubwürdig abgrenzen von jeglichem | |
Totalitarismus, auch gegenüber den populistischen Autokraten vom Schlage | |
eines Putin oder Erdoğan oder des totalitär regierten chinesischen Staats. | |
30 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Rede-von-Trump-zum-Unabhaengigkeitstag/!5698176 | |
[2] /Streit-ueber-Bundestruppen-in-den-USA/!5703576 | |
[3] /Trumps-Vorgehen-gegen-Schwarze-Proteste/!5695921 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Black Lives Matter | |
Joe Biden | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Schwerpunkt Rassismus | |
US-Wahl 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Streit über Bundestruppen in den USA: Nach Portland jetzt Chicago | |
US-Präsident Donald Trump schickt jetzt Sicherheitskräfte des Bundes auch | |
nach Chicago und Kansas City. Chicagos Bürgermeisterin protestiert. | |
Trumps Vorgehen gegen Schwarze Proteste: Beschämend für die USA | |
Trump will mit undemokratischen Methoden wie in Portland seinen Anhängern | |
gefallen. Doch diese Politik ist kein Spiel – sie ist offener Rassismus. | |
Rede von Trump zum Unabhängigkeitstag: Antirassisten als „wütender Mob“ | |
US-Präsident Trump spaltet die USA, statt sie zu einen. Zum | |
Unabhängigkeitstag – vier Monate vor der Wahl – wählt er eine besonders | |
polarisierende Botschaft. |