| # taz.de -- Diskussion Geflüchtete und Coronakrise: Sammelunterbringung mit Ab… | |
| > Pro Asyl beklagt auf dem Online-Podium der taz, Geflüchtete würden | |
| > entrechtet. Die zuständige Behörde aus Rheinland-Pfalz zeigt, was | |
| > funktioniert hat. | |
| Bild: Wohncontainer in Pöcking: Geschlossen nach einem Coronaausbruch unter de… | |
| Berlin taz | Corona bedeutet: Abstand halten. Doch nicht überall ist das | |
| möglich. In [1][Sammelunterkünften für Geflüchtete] etwa, in denen die | |
| Menschen in Mehrbettzimmern schlafen, sich Sanitär- und Gemeinschaftsräume | |
| teilen. Immer wieder waren seit März Fälle bekannt geworden, in denen ganze | |
| Unterkünfte mit mehreren Hundert Menschen unter Quarantäne gestellt wurden | |
| – das Worst Case Szenario. „Es wurden aber auch Dinge eingeführt, bei denen | |
| es vorher immer hieß, das gehe gar nicht: mehr Kantinen, Badezimmer oder | |
| BewohnerInnenräte,“ sagt der Fluchtforscher Olaf Kleist. | |
| Der Politologe des Deutschen Zentrums für Integrations- und | |
| Migrationsforschung (DeZIM-Institut) diskutierte am Dienstag auf einer | |
| [2][Veranstaltung von taz und DeZIM-Institut] mit Begoña Hermann, | |
| Vizepräsidentin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland | |
| Pfalz, und Günter Burkhardt von [3][Pro Asyl] zum Thema „Geflüchtete in der | |
| Coronakrise“. | |
| Kleist forscht derzeit zur pandemiebedingten Situation in Unterkünften. | |
| Noch liegen keine belastbaren Ergebnisse vor, erste Erkenntnisse aber sehr | |
| wohl. So berichtet er, dass Geflüchtete sich an erster Stelle vor der | |
| Ansteckung mit dem Virus fürchteten. Gleich an zweiter Stelle nennen sie | |
| aber die Sorge, was die Pandemie für ihren Asylantrag und dessen | |
| Bearbeitung bedeutet. | |
| In den vier Landeseinrichtungen in Rheinland-Pfalz habe es bislang keinen | |
| einzigen Coronafall gegeben, erklärt Begoña Hermann. Das sei allerdings „zu | |
| 80 Prozent Glück“ gewesen. „Bei uns sind momentan von 3.300 Plätzen nur d… | |
| Hälfte belegt – Gott sei dank“, sagt Hermann. Man habe Abstandsregeln | |
| eingeführt und informiere BewohnerInnen in zehn Sprachen über das | |
| Coronavirus sowie Präventionsmaßnahmen. „Am Anfang war das schon | |
| chaotisch“, räumt Hermann ein. | |
| ## Es ist nicht alles schlecht | |
| Auch für Günter Burkhardt von Pro Asyl ist es Zufall, in welcher | |
| Sammelunterbringung sich Menschen infizieren. Die Art der Unterbringung an | |
| sich bedeute „verschärftes Ansteckungsrisiko“, so Burkhardt. Außerdem | |
| verschärfe die Pandemie die Isolation von Geflüchteten, nicht nur durch | |
| eine mögliche Quarantäne: „Corona führt zu einem Lockdown der | |
| Beratungsstellen, auch der Zugang zu Anwälten wird erschwert.“ All das | |
| komme einer „Entrechtung“ der Asylsuchenden gleich. | |
| Die Schuld sei dabei nicht unbedingt bei den Behörden und Mitarbeitenden | |
| vor Ort zu suchen. „Oft scheitert es an den Regeln auf Bundesebene“, sagt | |
| Burkhardt. Er kritisiert die generelle Ausrichtung des Asylsystems – dieses | |
| ziele zuerst darauf, Geflüchtete zu isolieren abzuschieben, statt ihnen von | |
| vorn herein Möglichkeiten der Intergration anzubieten. Das neue | |
| [4][Geordnete-Rückkehr-Gesetz] habe diesen Trend noch verstärkt. | |
| „Corona verstärkt die gängigen Probleme, die es schon vorher gab“ sagt | |
| Kleist. Die Lage sei regional, von Bundesland zu Bundesland sehr | |
| unterschiedlich. Sammelunterkünfte trügen aber gerade in der Coronakrise | |
| zur „Ignoranz“ gegenüber Geflüchteten bei. Gerade jetzt sei es „total | |
| richtig zu fragen: Was ist eine gute Unterkunft“. Sammelunterkünfte ganz | |
| aufzulösen, wie es die Flüchtlingsräte fordern, sei aber auch keine Lösung. | |
| Durch das Brennglas Corona sieht Kleist zugleich auch positive | |
| Entwicklungen, zum Beispiel mit Blick auf die Kommunikation zwischen | |
| Behörden und BewohnerInnen. „An der Kommunikation müssen wir arbeiten“, | |
| meint Kleist und fordert beispielsweise, die wichtigsten Informationen | |
| Online zugänglich zu machen. Auch seien eben bestimmte Dinge plötzlich | |
| möglich geworden, die ExpertInnen schon lange fordern, und die vorher an | |
| der Bürokratie scheiterten. | |
| ## Was wird bleiben? | |
| Hermann sieht trotz der pandemiebedingten Einschränkungen keine Entrechtung | |
| der BewohnerInnen in den von ihr verantworteten Unterkünften. Zwar gebe es | |
| ein Besuchsverbot von außen und die Beratung sei „tatsächlich schnell | |
| runter gefahren“ worden, man würde diese aber bereits wieder hochfahren und | |
| habe sich in der Zwischenzeit um alternative Beratungen bemüht. | |
| Außerdem berücksichtige man Wünsche bei der Zimmerbelegung und teile | |
| Personen in Zehner-Gruppen ein, denen der Kontakt untereinander erlaubt ist | |
| – während gleichzeitig eine Masseninfektion unterbunden werden kann. | |
| Angehörige von Risikogruppen habe man bereits früh versucht auf die | |
| Kommunen zu verteilen und sie so aus den Sammelunterkünften herauszuholen. | |
| Alle restriktiven Maßnahmen wolle man so schnell wie möglich wieder | |
| aufheben, sagt Hermann. Bei den positiven Schritten wolle man versuchen, | |
| das eine oder andere beizubehalten. Ob aber zum Beispiel eine entzerrte | |
| Zimmerbelegung auf Dauer möglich sei – das komme darauf an, wie sich die | |
| Zahlen neu ankommender Geflüchteter in den kommenden Monaten entwickeln. | |
| 1 Jul 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Schutz-vor-Corona-fuer-Gefluechtete/!5673786 | |
| [2] /DeZIM-meets-taz-talk/!171133/ | |
| [3] https://www.proasyl.de/ | |
| [4] /Billigung-des-Migrationspakts/!5603286 | |
| ## AUTOREN | |
| Bennet Groen | |
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