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# taz.de -- Corona hält die Welt im Griff: Die Angst vor der zweiten Welle
> Einzelne Länder haben den Lockdown gelockert und bereuen es. In anderen
> breitet sich das Virus weiter aus. Auch Brasiliens Präsident ist
> infiziert.
Bild: Ein Patient wird in einem Hospital in Neu-Dehli auf Corona getestet
Berlin taz | Während Deutschland bereits über die Aufhebung von
Corona-Schutzmaßnahmen diskutiert, geht die Covid-19-Pandemie anderswo erst
richtig los. Weltweit steigt die Zahl neu registrierter
Coronavirusinfektionen jede Woche auf einen neuen Rekord. Für die ersten 5
Millionen benötigte die Pandemie vier Monate, bis zum 20. Mai, für die
nächsten 5 Millionen nur noch fünfeinhalb Wochen, bis zum 27. Juni. Die
tägliche Zunahme bestätigter Covid-19-Todesfälle weltweit erreichte zwar
ihren bisherigen Höchststand Mitte April und sank danach deutlich, aber
Ende Mai kehrte sich der Abwärtstrend wieder um und die Zahl hat sich jetzt
bei gut 4.500 täglich eingependelt, mit leichtem Aufwärtstrend im Juli.
Alle vorliegenden Zahlen sind unter dem Vorbehalt hoher Dunkelziffern zu
genießen, aber klar ist: Während sich westeuropäische Länder nach dem
Abklingen der „ersten Welle“ Gedanken um die Vorsorge gegen eine „zweite
Welle“ machen, schlägt andernorts die „erste Welle“ gerade erst richtig …
Das Neuinfektionsgeschehen der aus China verbreiteten Pandemie verlagerte
sich von Westeuropa im Frühjahr [1][zunächst in die USA,] nach Indien und
Russland und danach vor allem nach Lateinamerika. In Südafrika und den
arabischen Golfstaaten nehmen Infektions- und Todeszahlen neuerdings
beängstigend zu, in anderen afrikanischen und asiatischen Staaten gibt es
derweil schon wieder Entwarnung. Es gibt kein einheitliches Bild.
Am Montag öffnete in Paris endlich wieder der Louvre, mit einem Limit von
unter 10.000 Besuchern pro Tag – zugleich öffnete in Delhi ein
Corona-Notfallkrankenhaus in einer Gebetshalle mit 10.000 Betten, teils aus
Pappe. Kasachstan verhängte als erstes Land der Welt einen zweiten
landesweiten Lockdown – Kenia kündigte die Wiederaufnahme des nationalen
und internationalen Flugverkehrs ab 15. Juli beziehungsweise 1. August an.
In Bolivien kam der Gesundheitsminister mit Covid-19-Komplikationen ins
Krankenhaus. In Ghana begab sich der Präsident in Quarantäne. Der
australische Bundesstaat Victoria mit der Hauptstadt Melbourne wurde erneut
vom Rest des Landes isoliert, Kosovos Hauptstadt Prishtina erneut unter
Ausgangssperre gestellt.
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, [2][der Covid-19 als „leichte Grippe“
bezeichnet hat,] wurde am Dienstag positiv auf das Coronavirus getestet.
Einen Monat zuvor war Burundis Präsident Pierre Nkurunziza, der
Schutzmaßnahmen in seinem Land abgelehnt hatte, als erster Staatschef der
Welt an Covid-19 gestorben; sein Nachfolger vollzieht nun einen
Kurswechsel.
## Neuinfektionen brechen Rekorde
In reichen Industrienationen, sagen Kritiker, sind die sommerlichen
Lockerungsmaßnahmen eher von der Angst vor dem Wirtschaftskollaps getrieben
als von virologischer Weitsicht. Besonders deutlich ist das in den USA, wo
die Infektionszahlen in dem Maße wieder in die Höhe schnellen, wie die
Arbeitslosenzahlen wieder sinken. Anders als zu Beginn der Pandemie, als
vor allem Alte und Pflegebedürftige starben, sind jetzt in den USA vor
allem junge Menschen im arbeitsfähigen Alter betroffen, weswegen zwar die
Neuinfektionen Rekorde brechen, die Todeszahlen aber weiter sinken.
In den meisten ärmeren Entwicklungsländern stehen demgegenüber
gesundheitliche Erwägungen im Vordergrund, obwohl die wirtschaftlichen
Auswirkungen um ein Vielfaches gravierender sind. Die Vorsorgemaßnahmen
gegen die Pandemie stürzen Millionen von Menschen in die Armut – wobei
fehlende oder ungeeignete Maßnahmen wie beispielsweise in Brasilien und
Indien die Massenverarmung nicht verhindern, sondern ihr ein erhöhtes
Erkrankungsrisiko hinzufügen.
55 Prozent der Weltbevölkerung, so das Hilfswerk [3][„World Vision“ in
einem Dienstag veröffentlichten Bericht,] haben keinen Zugang zu sozialen
Sicherungssystemen. Lockdowns bedeuten für sie direkte massive
Einkommensausfälle, aufgefangen durch Verschuldung, Verkauf von Besitz,
Konsumverzicht sowie Mehrarbeit durch Kinder. Eine UN-Arbeitsgruppe hat
ermittelt, dass in armen Haushalten Bangladeschs das durchschnittliche
Einkommen seit Einführung von Corona-Bekämpfungsmaßnahmen Ende März auf
weniger als ein Viertel des ohnehin geringen vorherigen Niveaus gefallen
ist.
Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) rechnet mit einer Verdopplung der Zahl
der auf Nahrungsmittelhilfe angewiesenen Menschen weltweit auf 265
Millionen. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef bilanziert die Zahl der
Schulkinder, die wegen coronabedingter Unterrichtsausfälle keine
Schulspeisung mehr erhalten, auf 368,5 Millionen. Die Fachzeitschrift
Lancet warnt vor 1,15 Millionen zusätzlichen Hungertoten unter Kindern
dieses Jahr. „Sicher ist“, warnt die [4][Deutsche Welthungerhilfe in ihrem
am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht,] „dass auf die Gesundheitskrise
eine Ernährungskrise folgt.“
7 Jul 2020
## LINKS
[1] /Zeitalter-der-Desinformation/!5693636
[2] /Coronakrise-in-Brasilien/!5683829
[3] https://www.worldvision.de/pressemitteilungen/2020/07/07/2020-covid19-drast…
[4] https://www.welthungerhilfe.de/ueber-uns/transparenz-qualitaet/jahresberich…
## AUTOREN
Dominic Johnson
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