# taz.de -- Pokalfinale im Berliner Olympiastadion: Spiel ohne Menschen | |
> Erstmals gibt es ein Pokalfinale ohne Publikum im Olympiastadion – zur | |
> Enttäuschung der hiesigen Leverkusen-Fans (ja, es gibt sie). | |
Bild: Schon gruselig, so leer. Halt angerichtet für ein Geisterspiel | |
Berlin taz | Man ist schon ein heftiger Exot als Fan von Bayer Leverkusen | |
in Berlin. Umso mehr, wer so satt berlinert wie Erwin Schuster und sich | |
damit als gebürtiger Hauptstädter ausweist. „Die meisten Berliner reagieren | |
sehr erstaunt“, kommentiert er. Der Mann aus Schöneweide ist Kneipenwirt | |
und zugleich Gründer des „Bayer 04 Fanclub Schöneweide“, seines Zeichens | |
einziger Bayer-Leverkusen-Fanklub der Hauptstadt. Die häufigste Reaktion | |
sei: „Wie kommen Sie denn dazu?“ | |
Nun, Erwin Schuster hat mal in Leverkusen gearbeitet, noch vor der Wende | |
war das, und die Bayer-04-Liebe eben mitgebracht. Ein einzelner Verrückter | |
ist er hier wahrlich nicht mehr. Sein 2014 gegründeter Fanklub beherbergt | |
mittlerweile an die zwanzig Mann, alles Berliner, kein einziger gebürtiger | |
Leverkusener. Und das Herren-DFB-Pokalfinale am Samstag wäre ihr Höhepunkt | |
der Saison, eigentlich. „Es bedeutet mir sehr viel.“ Zugleich, schiebt | |
Schuster sofort nach, sei er „sehr enttäuscht“. Denn ins Stadion darf er | |
beim Geisterpokalfinale von Leverkusen gegen die Bayern nicht. | |
„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“, so protzen Fans seit Jahrzehnten | |
im DFB-Pokal, wenn ihr Team sich fürs Finale qualifiziert hat. Seit 1985 | |
ist Berlin fester Austragungsort bei den Männern. Mit Corona aber fährt nun | |
plötzlich überhaupt niemand mehr nach Berlin, jedenfalls machen es keine | |
Massen. Der Bayer 04 Fanclub Schöneweide lud Genossen aus Leverkusen ein, | |
die ebenfalls nicht kommen werden. Eigentlich könnte das Finale also auch | |
überall anders stattfinden. | |
Und warum überhaupt Berlin? Bis 1984 wurde der Spielort spontan festgelegt, | |
oft je nachdem, wo sich die beiden Finalisten günstig auf halber Strecke | |
treffen konnten. Am häufigsten traf man sich bezeichnenderweise in | |
Hannover. Die Änderung war eigentlich nur Beifang eines politischen | |
Kompromisses. Als Deutschland die Männer-EM 1988 ausrichtete, wollte man | |
Westberlin nicht als Spielort vorschlagen, um den Ostblock nicht zu | |
verprellen. Als Trostpflaster bekam der Berliner Westen für fünf Jahre das | |
Pokalfinale geschenkt. Und die Fans sprangen voll drauf an. So blieb das | |
Finale hier. | |
## Die wirtschaftliche Bedeutung | |
Welche wirtschaftliche Bedeutung das überhaupt für Berlin hat und welche | |
Mindereinnahmen jetzt drohen, all das berechnet aber offenbar niemand. Die | |
Senatsverwaltung für Inneres und Sport verweist an die KollegInnen von der | |
Wirtschaft. Die wissen es auch nicht und kontaktieren daraufhin die | |
Tourismusorganisation visitBerlin, der ebenfalls keine Zahlen vorliegen. | |
Sie verweist lediglich etwa auf den „Fairmas Hotel-Report“ des vergangenen | |
Jahres, in dem zu erfahren ist, dass das DFB-Pokalfinale 2019 in der | |
Hotelbranche enttäuschte. | |
In einer Studie der Investitionsbank Berlin (IBB) heißt es, die | |
BesucherInnen aller Berliner Sportevents hätten 2017 insgesamt 150 | |
Millionen Euro ausgegeben. Das Pokalfinale wird jedoch nicht gesondert | |
aufgeführt. Ist es wirklich möglich, dass die Hauptstadt seit Jahrzehnten | |
ein Event ausrichtet, von dem sie nicht weiß, was es einbringt? Ein | |
Sprecher der Senatsverwaltung zitiert die IBB-Studie: Zur tatsächlichen | |
Höhe der Umsätze durch Sporttourismus gebe es „keine hinreichenden | |
Indikatoren“, die Informationsbasis zum Nachfrageverhalten sei „höchst | |
unvollkommen“. | |
Klar ist, mögliche Einnahmen werden in diesem Jahr deutlich geringer | |
ausfallen. Keine Fans, die mindestens eine Nacht im Hotel buchen, keine | |
Souvenirs, keine Kneipentouren oder indirekten Marketingeffekte. | |
Dennoch dürften Berliner Kneipen minimale Mehreinnahmen verzeichnen. | |
Leverkusen-Fan und Kneipenwirt Erwin Schuster berichtet: „Normalerweise | |
sind bei mir im Moment nur Stammgäste. Die meisten anderen Leute haben | |
Angst vor dem Virus. Aber zum Fußball reicht es noch, das ist das beste | |
Geschäft.“ Etwa zehn bis zwanzig Leute kämen zu Liveübertragungen, das | |
helfe schon. „Die finanziellen Verluste waren schon einschneidend.“ | |
Coronahilfen hielten Schuster bislang über Wasser. Beim Lokalmatador Hertha | |
BSC starteten Fans derweil eine Aktion Hertha-Kneipe und spendeten an jedem | |
Spieltag an je eine Hertha-Fankneipe für virtuelles Bier. An neun | |
Spieltagen seien allein durch Direktspenden mehr als 17.000 Euro | |
zusammengekommen. | |
Als Stammkneipe eines Bayer-Leverkusen-Fanklubs steht man freilich nicht | |
auf Hertha-Spendenlisten. Immerhin, langsam laufe das Geschäft wieder an. | |
Schuster wird das Spiel nun in der Kneipe schauen, mit gemischten Gefühlen. | |
Wie so viele ist er wenig angetan von Geisterspielen, zugleich sichern auch | |
sie seine Existenz. Er erklärt: „Es macht einfach keinen Spaß, im Moment | |
Fußball zu gucken. Da kann ich genauso gut auf den Bolzplatz gehen.“ Aber | |
sportlich, da sei er guter Dinge. „Wir sind ja mal dran. Bayern hat genauso | |
Angst vor uns. Wir sind alle optimistisch.“ | |
4 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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