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# taz.de -- Ex-Landrat von Hameln wieder im Fokus: Der Shitstorm ist immer scho…
> Erneut am Pranger sieht sich Tjark Bartels, der Ex-Landrat von
> Hameln-Pyrmont. Er will seinen Burn-out als Dienstunfall werten lassen.
Bild: Hat den Druck der Sozialen Medien nicht ausgehalten: Tjark Bartels
Hameln taz | Es ist wie in der Geschichte von Hase und Igel: Man rennt und
rennt, aber der Shitstorm ist immer schon da. Hassmails und Drohungen
kumulieren und potenzieren sich in einer Endlosspirale. So in etwa fühlt
sich derzeit [1][Tjark Bartels] (SPD), Ex-Landrat des Kreises
Hameln-Pyrmont, der am 28. Oktober nach 13 Jahren in den vorzeitigen
Ruhestand ging. Ein shitstormbedingter Burn-out, das er jetzt als
Dienstunfall geltend machen will, hat den 51-Jährigen dienstunfähig
gemacht.
Und das, weil er die Verantwortung für Fehler seines Jugendamts übernommen
hatte. Dessen MitarbeiterInnen hatten trotz aktenkundiger Hinweise auf
einen des Missbrauchs Verdächtigen im nahen Lügde mehrere Kinder dorthin in
Pflege gegeben.
Dass eine Jugendamtsmitarbeiterin zudem versucht haben soll, jene
Aktenvermerke zu löschen, machte die Sache nicht besser. Auch nicht die
[2][Aussageverweigerung] von Jugendamtsbeschäftigten vor dem
Lügde-Ausschuss in Düsseldorf.
Folgerichtig also, dass Bartels als Amtsleiter die politische Verantwortung
übernahm. „Wir haben nicht gesehen, was wir hätten sehen müssen“, sagte …
später in einem Video.
## Nicht mit Shitstorm gerechnet
Dass dies als Schuldeingeständnis gewertet und einen Shitstorm samt
Morddrohungen lostreten würde: Damit hatte er nicht gerechnet. „Als
Politiker sind wir Beschimpfungen in den sozialen Medien zwar gewöhnt“,
sagte der ehemalige Landrat in dem Video, in dem er seinen Rückzug
erklärte. Aber im [3][Fall Lügde] sei seine Grenze überschritten worden und
habe einen schweren Burn-out erzeugt. Er habe seinen Dienstherrn, das
niedersächsische Innenministerium, informiert, das die Dienstunfähigkeit
feststellte und ihn in den Ruhestand versetzte.
„Das war, anders als in vielen Medien dargestellt, weder ein Rücktritt noch
eine freie Entscheidung“, sagte er der taz am Mittwoch. „Ich habe mir die
Krankheit nicht ausgesucht.“
Und weil das so ist, hat er beantragt, das Burn-out als Dienstunfall
einzustufen. Das könnte dazu führen, dass er etwas höhere Rentenbezüge
bekommt, aber um große Summen geht es Insidern zufolge nicht. Ein
Dienstunfall ist laut Beamtenversorgungsrecht eigentlich als „plötzliches,
örtlich und zeitlich bestimmbares Ereignis“ definiert.
Das ist passiert, und deshalb hat die Niedersächsische Versorgungskasse
Bartels’ Antrag stattgegeben und eine entsprechende Empfehlung an den
Kreistag gesandt. Der entscheidet am 7. Juli, ob er diesem Votum folgt oder
ein weiteres Gutachten in Auftrag gibt. Das könnte knapp werden, weil SPD,
Grüne und Linke über eine hauchdünne Mehrheit verfügen. Die FDP soll
allerdings Zustimmung signalisiert haben. Die CDU aber wohl nicht.
## Vertrauliches ausgeplaudert
Doch wie dem auch sei: Eigentlich – und hier beginnt die neuerliche mediale
Hatz auf Tjark Bartels – ist all das vertraulich und geht die
Öffentlichkeit nichts an. „Besoldungsfragen sind landesgesetzlich geregelt.
Es ist nicht Gegenstand politischer Erörterung eines kommunalen
Parlamentes, ob es die Regelungen angemessen, zu hoch oder zu niedrig
findet“, schreibt er in einer Pressemitteilung.
Zudem seien Personalfragen vertraulich. „Die Weitergabe von Inhalten aus
nichtöffentlichen Vorlagen oder Beratungen durch Mitglieder des Kreistages
ist nicht nur eine Ordnungswidrigkeit sondern strafbar.“ Strafverschärfend
sei zudem die Weitergabe „mit dem Ziel, damit jemandem Schaden zuzufügen“.
Angesichts dessen werde die „sich stets wiederholende Betroffenheit und
Empörung nach Cyber-Mobbing-Attacken und anderen Angriffen auf Personen des
öffentlichen Lebens“ unglaubwürdig.
Der Hamelner SPD-Fraktionsvorsitzende Christian Grosch springt ihm bei:
„Wer ein Problem mit Pensionsregelungen hat, soll das anhand der Strukturen
diskutieren, aber es nicht an einer bestimmten Person festmachen. Das eine
hat mit dem anderen nichts zu tun.“
Überdies lenke diese Debatte, die im NDR zu Diskussionen mit dem
Beamtenbund sowie zu Umfragen in Hamelns Fußgängerzone führte, vom
eigentlichen Problem ab: dem seit Jahren wachsenden Druck auf
Kommunalpolitiker auch in den sozialen Medien, die auch seriöse Medien als
Teil der öffentlichen Meinung rezipierten. „Dabei ist das nur ein
Zerrbild“, sagt Bartels.
1 Jul 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
sexueller Missbrauch
Lügde
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Hate Speech
Burnout
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