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# taz.de -- Mittelalte Männer ohne Nachwuchs: Wir, die Kinderlosen
> Ich mag Eltern. Aber mich nervt deren Abwertung, der Kriegsgewinnerpathos
> und dass sie sich erst mit Kind erwachsen fühlen.
Bild: Happy Family – schön, aber kein Muss
Eigentlich mag ich kleine Kinder und ihre Eltern. Auf der Straße beuge ich
mich zu ihnen herunter und frage: „Na du. Kannst du schon sprechen?“ Und
sie antworten: „[1][Klar, Boomer].“ Dann beuge ich mich noch tiefer herab,
an ihnen vorbei, stecke meinen grauen Kopf in den Kinderwagen hinein und
piepse: „Oh, wie süß! Wie heißt es denn?“
Was mittelalte Kinderlose jedoch nervt ist das Kriegsgewinnerpathos, mit
dem sie ein bestimmter Elterntypus zu bewerfen pflegt. In so eine hatte
sich vor Jahren mal ein Freund verguckt. „Eine Frau ist erst eine richtige
Frau, wenn sie ein Kind geboren hat“, haute die eines Tages unvermittelt
raus. Beschämt gibt er heute zu, er habe den menschenfeindlichen Müll
damals wider jede Vernunft einfach nur blöde weggelächelt; vermutlich in
exakt dem Zustand halb-bewusstloser Vernageltheit, in dem man der
Angebeteten selbst noch eine kapitale Holocaust-Leugnung durchgewinkt
hätte: Interessant, echt so ein ganz eigener Kopf, toll, und auf ne Art
dann natürlich auch wieder unheimlich süß...
„Gute Liebe macht Kaffee, schlechte Liebe macht blind“, nennt mein
[2][Urologe Zbigniew] dieses Phänomen. Seit seinem Kurzauftritt als
Klempner in der polnischen Erfolgs-Soap „M jak miłość“ („L wie Liebe�…
er auch auf diesem Gebiet als Fachmann. Jedenfalls verschaffte es dem
Freund in den Momenten, da er ihr narzisstisch hinterherzuheulen drohte,
stets die größte Linderung, wenn er sich den ranzigen Lebensbornkäse ins
Gedächtnis zurückrief, den sie ihm einst aufs Brot schmieren wollte.
## Erwachsen erst mit Kind?
Fast noch infamer klingt die männliche Variante dieser Denkweise, die ich
überproportional oft von spätberufenen Vätern höre oder lese: „Ich finde,
erst wenn man(n) ein Kind hat, ist man wirklich erwachsen.“ Da bezeichnen
sich also vorzugsweise Charaktere, denen sonst gern schnell der Zacken aus
der Krone fällt, zum Teil bis in ihre eigene Andropause hinein freiwillig
als nicht erwachsen. Und all das nur, weil sie es kurz vor Ultimo gerade
noch auf die Seite der Erleuchteten, oder was sie dafür halten, geschafft
haben. Von dort aus winken sie hämisch den unreifen und infertilen Losern
am von ihnen aus gesehen falschen Ufer zu.
Das richtet sich hier gar nicht gegen alte Eltern. Einige meiner besten
Freunde sind alte Eltern. Sondern gegen die verklärte Selbstaufwertung
Einzelner, die verlässlich nur über die Abwertung anderer funktioniert.
Die setzt erstens voraus, dass [3][Kinderlosigkeit für jeden eine bewusst
getroffene Entscheidung wäre], die zweitens ohnehin ein Merkmal
verantwortungsscheuer Freaks sei, die drittens einsam sterben werden. Nur
Letzteres stimmt und auch nur Letzteres haben wir mit ihnen, den Eltern,
gemein.
1 Jul 2020
## LINKS
[1] /Planetarer-Generationenvertrag/!5686760
[2] /Menschliches-Mitgefuehl/!5609730
[3] /Stigmatisierung-der-Kinderlosen/!5388705
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
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