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# taz.de -- Aktivensprecher über Eisschnelllauf-Chef: „Ich bin skeptisch“
> Claudia Pechsteins Partner ist neuer Präsident der deutschen
> Eisschnellläufer. Athletensprecher Moritz Geisreiter hält Matthias Große
> für ungeeignet.
Bild: „Zweifel, ob er der Richtige ist“: Matthias Große mit der Garde des …
taz: Herr Geisreiter, Matthias Große, der Lebensgefährte von Claudia
Pechstein, wurde holterdiepolter zum Interimspräsidenten der deutschen
Eisschnellläufer berufen. Was halten Sie davon?
Moritz Geisreiter: Für mich ist es wichtig, dass ein Präsident bestimmte
Kriterien erfüllt, gewisse Qualitäten hat. Dazu gehört, dass man zu einem
Präsidenten charakterlich aufschauen kann, dass sich alle in der Deutschen
Eisschnelllauf-Gemeinschaft, auch die Sportler, mit so einer Person
identifizieren können, dass er alle in der Gruppe vertritt und jemand ist,
der den Verband einen kann. Natürlich gehört auch wirtschaftlicher Verstand
dazu.
Und was trifft nun auf Matthias Große zu?
Viele Attribute sehe ich bei ihm nicht wirklich. Ich habe ihn als jemanden
erlebt, der in vielen Konflikten steckt und die auch knallhart austrägt.
Jetzt hat er formuliert, dass er ein klares Konzept hat, und wer sich damit
nicht identifizieren könne, der müsse die eigenen Konsequenzen ziehen. Das
klingt für mich nach relativ viel Konfrontation. Und das lässt mich daran
zweifeln, ob er der Richtige für das Präsidentenamt ist. Er hat nun als
Übergangspräsident drei Monate bis zur Mitgliederversammlung im September,
um mich eines Besseren zu belehren. Ich werde sicherlich nicht den Saboteur
geben, der von Anfang an alles schlechtredet und nichts Positives sehen
möchte. Im Gegenteil: Ich würde mich freuen, wenn er mich überzeugen
könnte.
Steht nun eine 180-Grad-Wende des Matthias Große bevor?
Um mein Bild von einem richtigen Präsidenten zu erfüllen, müsste er das
wohl. Ein Charakter lässt sich nicht objektiv beurteilen, aber ja, von
meinem Idealbild eines Präsidenten ist er weit weg.
Wie hat es dazu kommen können, dass er zu diesem Amt kommt? Vor Monaten
wurde das von vielen noch als schlechter Scherz abgetan?
Einige haben das durchaus für möglich gehalten. [1][Vor Monaten hat er
seine Bewerbung offiziell gemacht.] Nur waren, als die
Mitgliederversammlung im März im Raum stand und dann wegen Corona abgesagt
werden musste, noch Gegenkandidaten im Gespräch. Daraus wurde nichts.
Ernsthafte Gegenkandidaten gab es doch gar nicht!?
Das ist Schnee von gestern. Die Wahl kam nicht zustande, und mittlerweile
ist der Druck auf die DESG so groß geworden, dass auch die Zweifler, die es
im Verband gegeben hat, eingelenkt und notgedrungen gesagt haben: Okay, es
muss jetzt etwas passieren!
Druck aufgrund der katastrophalen finanziellen Situation der DESG? Die Rede
ist von Schulden in Höhe von 400.000 Euro.
Gestochen hat er wohl vor allem mit seiner Ankündigung, die Finanzen der
DESG sanieren zu können.
Matthias Große möchte nicht nur Sponsoren und Geld mitbringen, sondern auch
einen Medienprofi und den neuen alten Verbandsarzt Gerald Lutz. Er möchte
zudem, dass leistungsorientierter gearbeitet wird. In diesen Bereichen hat
es in den vergangenen Jahren durchaus Defizite gegeben.
Unbedingt. Die DESG steht unheimlich führungsschwach da, und es ist sehr
wichtig, dass da wieder eine starke Person vornedran steht, die
Identifikationsfläche gibt und in der Lage ist, dem ganzen Verband mit
seinen beiden Sportarten, Eisschnelllauf und Shorttrack, einen Schub nach
vorne zu verleihen. Ganz klar: Ein „Weiter so“ hätte gar nie sein dürfen.
Aber separat davon ist die Frage zu beantworten: Wer ist der Richtige
dafür?
Hätten Sie sich lieber eine Wahl auf der Mitgliederversammlung gewünscht
anstelle dieser Berufung aus einem Zwei-Mann-Rumpfpräsidium heraus?
Natürlich ist eine Entscheidung, die von den Wahlberechtigten getroffen
wird, viel repräsentativer und wäre mir lieber gewesen als eine interne
Entscheidung.
Fühlen Sie sich überrumpelt vom Präsidium?
Mich hat die plötzliche Bekanntgabe schon überrascht. Ich habe nicht kommen
sehen, dass von der eigentlichen Wahl im September nun abgesehen wird. Ich
kann nur mutmaßen, welcher Druck auf den handelnden Personen gelegen haben
muss.
Womit wir wieder bei den Finanzen sind.
Ja, es gibt Termine, zu denen man Eigenmittel nachweisen muss, um wiederum
Bundesmittel zu bekommen. Das erzeugt Druck und führte wohl nun zu einer
Entscheidung, die manche fatal finden.
Wenn man sich ein bisschen umhört in der DESG, dann liegt es nahe, von
einem Klima der Angst zu sprechen. Man kennt die relativ aggressiven und
[2][robusten Methoden von Matthias Große], wenn es darum geht, seine
Interessen durchzusetzen. Das ging in der Vergangenheit bis zu Drohanrufen
bei Sportpolitikern im Bundestag oder in Sportredaktionen.
Es gab vor einiger Zeit auch schon Sportler, die im persönlichen Gespräch
mit mir davon gesprochen haben, dass sie sich von ihm eingeschüchtert
fühlen, dass sie ihn bedrohlich fänden. Im Februar haben wir eine Befragung
bei den Athleten durchgeführt, wie sie denn zu einer Präsidentschaft von
Matthias Große stehen. Dazu liegen Antworten sowohl von der Topmannschaft
Eisschnelllauf als auch Shorttrack vor.
Und?
Wir wollten das im Vorfeld der Wahl mit Zustimmung der Athleten publik
machen. Insofern ist uns die spontane Ernennung jetzt zuvorgekommen. Die
Sportler stehen mehrheitlich einer Präsidentschaft von Matthias Große sehr
skeptisch gegenüber.
Mit deutlicher Mehrheit?
Absolut.
Wäre es jetzt nicht geboten, diese Ergebnisse schnell zu veröffentlichen,
um der Öffentlichkeit zu zeigen, was die Eisschnelllauf-Basis über Große
denkt?
Es ist für uns ein wichtiger Punkt, die Meinung der Athleten klar
darzustellen. Wir diskutieren das bereits.
Kann Matthias Große, der bisher hemdsärmelig die Interessen von Claudia
Pechstein vertreten hat, nun plötzlich der Präsident für alle sein?
Das ist Teil meiner Skepsis. Er ist ja erst als Partner von Claudia
Pechstein auf die Bühne gekommen. Mit Eisschnelllauf hat er vorher nichts
zu tun gehabt. Ich bin skeptisch, ob er daran interessiert ist, alle
gleichermaßen zu entwickeln.
Falls Matthias Große am 19. September als Präsident bestätigt werden
sollte, wäre das ein Grund für Sie, als Athletensprecher zurückzutreten?
Wenn wir einen Präsidenten haben, bei dem ich meine Zweifel habe, ob er
alle Athleten gleichermaßen mitzunehmen gedenkt, dann ist ein starker
Athletensprecher erst recht wichtig. Insofern würde mich das zusätzlich
motivieren.
21 Jun 2020
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## AUTOREN
Markus Völker
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Kolumne Press-Schlag
Olympische Winterspiele 2022
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