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# taz.de -- Betroffenenrat gegen Missbrauch: Angela Marquardt ist jetzt Mitglied
> Der Betroffenenrat gegen sexuelle Gewalt erweitert sich. Die
> SPD-Politikerin ist eine der Neuen – und setzt sich gegen Missbrauch in
> der Familie ein.
Bild: Neu im Betroffenenrat gegen sexuellen Missbrauch: Angela Marquardt
Als Angela Marquardt die Nachricht vom jüngst aufgedeckten Pädophilenring
in Münster in Nordrhein-Westfalen hörte, war ihr erster Gedanke: Jetzt sind
wieder alle fürchterlich betroffen, aber in drei Wochen redet niemand mehr
darüber, dann ist das Thema wieder vom Tisch.
Diesen Gedanken kann man bitter und zynisch finden – oder aber realistisch.
Denn [1][Marquardt, 48, weiß genau, was es heißt, als Kind sexuell in der
eigenen Familie missbraucht worden] zu sein – und mit den Folgen leben zu
müssen. Sowohl als Privat- als auch als öffentliche Person. Sie erlebt
immer wieder, wie Menschen um sie herum nach Bekanntwerden ihrer Geschichte
fragen: „Und wie soll ich jetzt mit dir umgehen?“ Ja, wie schon? So wie
vorher auch, sagt die Politikerin.
Jetzt ist Marquardt in den [2][Betroffenenrat des Unabhängigen
Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung] gewählt worden. Der Rat hat
sich gerade von bislang 11 auf jetzt 18 Mitglieder erweitert, offiziell
konstituiert er sich am 26. Juni. Marquardt dürfte sein prominentestes
Mitglied sein: Derzeit ist sie [3][Referentin beim SPD-Fraktionsvorsitz im
Bundestag], vorher war sie unter anderem Referentin der früheren SPD-Chefin
und Arbeitsministerin Andrea Nahles sowie Geschäftsführerin der Denkfabrik
für eine rot-rot-grüne Bundespolitik.
Die Arbeit im Betroffenenrat ist ein Ehrenamt, inhaltlich will Marquardt
gemeinsam mit den anderen Mitgliedern an die Arbeit des vorigen Gremiums
anknüpfen: [4][Präventions- und Schutzkonzepte] einfordern, das Thema
dauerhaft in der öffentlichen Debatte halten, die Gesellschaft weiter für
Missbrauchsanzeichen sensibilisieren. Und den Fokus wieder verstärkt auf
die sexuelle Gewalt in der Familie richten. Nach wie vor passieren mit über
der Hälfte aller statistisch erfassten Fälle zu Hause – so wie jetzt beim
aktuellen Fall in Münster.
## Der eigenen Geschichte schutzlos ausgeliefert
Die meisten Betroffenen fühlen sich ihrer eigenen Geschichte schutzlos
ausgeliefert, so auch Angela Marquardt. Sie hatte die einschneidenden
Erlebnisse in sich eingeschlossen. Selbst dann noch, als 2002 herauskam,
dass sie als 14-Jährige eine Verpflichtungserklärung der
DDR-Staatssicherheit unterschrieben hatte. Eine Prüfungskommission fand
später heraus, dass Marquardt nicht gespitzelt hatte. Trotzdem wurde sie,
die zu jener Zeit für die PDS im Bundestag saß, massiv angefeindet.
Sie hätte das damals leicht aufklären können, indem sie die Gewalt, der sie
in der Familie ausgesetzt war, öffentlich gemacht hätte. Das hat sie aber
erst 2015 in ihrem [5][Buch „Vater, Mutter, Stasi“] getan. Ihr jahrelanges
Schweigen zeigt, wie schwer es für Betroffene ist, über das Erlebte zu
reden.
Heute geht Marquardt offen mit ihrer Geschichte um. Und so war ihr zweiter
Gedanke bei der aktuellen Missbrauchsnachricht: Wieso konnte das passieren?
Die Antwort gibt sie sich selbst: Immer noch sind Menschen unsicher bei der
Frage, was sie tun sollen, wenn sie einen Missbrauchsverdacht haben.
Anzeigen? Schweigen? Marquardt nimmt sich da selbst nicht aus. Doch sie
sagt: „Wir müssen diese Angst überwinden, auch auf die Gefahr hin, jemanden
falsch zu beschuldigen. Sonst lassen wir die Betroffenen im Stich.“
10 Jun 2020
## LINKS
[1] /Autobiografie-von-Angela-Marquardt/!5018616
[2] /Sexuelle-Gewalt-gegen-Kinder-aufarbeiten/!5645433
[3] /Angela-Marquardt-tritt-in-die-SPD-ein/!5185109
[4] /Neue-Studie-zu-sexueller-Gewalt/!5620774
[5] https://www.kiwi-verlag.de/buch/angela-marquardt-miriam-hollstein-vater-mut…
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
sexueller Missbrauch
Missbrauchsbeauftragter
Aufarbeitung
Sexualisierte Gewalt
Lügde
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sexueller Missbrauch
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