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# taz.de -- Deutsche Linke und Antirassismus: Auf der Seite der Opfer
> Annika und Daniel checken ihre Privilegien und reflektieren Rassismus.
> Aber sie gehen aus Versehen mit Islamisten demonstrieren.
Bild: Frau füttert Vögel am Elbufer mit Blick auf den Dresdner Stadtteil Losc…
Annika und Daniel sehen sich als Antirassist*innen. Sie haben „[1][Sprache
und Sein“ von Kübra Gümüşay] gelesen und es hat ihre Augen geöffnet. Sie
wollen woke sein und echt was gegen Rassismus tun. Deswegen kaufen sie
neuerdings ihre Tomaten beim arabischen Supermarkt (interkultureller
Austausch) und essen ihren Döner am liebsten bei ihrem Lieblingstürken (der
eigentlich Tscherkesse ist) an der Ecke.
Sie folgen Women of Color auf Instagram und Twitter. Aus Solidarität, damit
sie weiß, wie es sich anfühlt, hat Annika auch schon Mal Kopftuch getragen.
Im Erasmus-Auslandssemester war Daniel in Istanbul, eine pulsierende Stadt
zwischen Orient und Okzident. Wann immer er kann, sagt er: „çok güzel“.
Annika war in Israel, aber nur um ins Westjordanland zu fahren, wo sie mit
Straßenkreide Blumen an die Mauer gemalt und gegen Israel demonstriert hat.
Sie kam zurück nach Deutschland, lud ihren Anti-Imp-Lesekreis zu
palästinensischen Falafeln und Hummus ein und sagte: “Ich habe nichts gegen
Israel, aber …“ Mashallah, in fünf Jahren wird Annika den Nahostkonflikt
lösen. Was will man mehr!
Am nächsten Tag geht Annika mit Daniel zum Tag der offenen Tür in der
[2][DITIB-Moschee] in ihrem Kiez. Sie sagen: “Wow, so eine wahnsinnig
schöne Atmosphäre!“ Daniel hat Islamwissenschaft studiert, aber
abgebrochen. Jetzt überlegt er, in den Journalismus einzusteigen, um mal
über den Rassismus in Deutschland zu schreiben und vielen PoCs in seinen
Texten eine Plattform zu geben.
## IS als Antwort auf den Kolonialismus
Annika hat Sozialwissenschaften studiert, sich aber jetzt eine Kamera
gekauft, um einen Dokumentarfilm in ihrem Viertel Weißer Hirsch in Dresden
zu drehen. Denn Annika hat für sich entdeckt, dass auch sie unterdrückt
ist: Sie ist Ostdeutsche. Und Ostdeutsche und Migranten teilen ja
bekanntlich dasselbe Schicksal.
Annika und Daniel haben viel PoC Friends und finden deren Storys aus der
Heimat megaspannend. Es geht sogar so weit, dass Annika auch mal einen
syrischen Freund hatte und den fand Annika megaschön und megaheißblütig.
Aber vor ihren PoC Friends würde sie das niemals sagen, denn das wäre ja
wieder rassistisch.
Annika nennt sich selber: Alman oder Kartoffel und ist völlig d’accord
damit. Denn Annika checkt den NSU-Komplex und will sich als weiße Person
lieber ein bisschen zurücknehmen.
Daniel beginnt seine Sätze mit: “Ich als weißer privilegierter
heterosexueller cis-Mann“ oder mit: “Hamdulillah“. Der Nahe und Mittlere
Osten hat Daniel schon immer fasziniert. Als der [3][IS mordend durch
Syrien und Irak zog], war er natürlich gegen den IS, aber auch gegen einen
Bundeswehreinsatz. Daniel findet, der IS sei auch nur eine Antwort auf den
Kolonialismus des Westens und die US-amerikanische Einmischung in der
Region. Daniel war schon gegen den Irakkrieg, denn Daniel findet Kriege
scheiße.
Annika und Daniel checken immer ihre Privilegien, deshalb ist es auch nicht
so schlimm, wenn sie aus Versehen mit Islamisten demonstrieren. Denn Annika
und Daniel wollen ja nur gute Allies sein. Annika und Daniel sind gerne auf
der Seite der Unterdrückten und Opfern dieser Welt.
20 May 2020
## LINKS
[1] /Sprache-und-Sein-von-Kuebra-Guemueay/!5657101
[2] /Debatte-Deutsche-Islamkonferenz/!5574252
[3] /Umgang-mit-IS-Rueckkehrern/!5638352
## AUTOREN
Ronya Othmann
Cemile Sahin
## TAGS
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