| # taz.de -- Berliner Bar-Betrieb in Coronazeit: Zum Bier die Bockwurst | |
| > Die Betreiber des Club 49 in Kreuzberg und des Posh Teckel in Neukölln, | |
| > die das Pendelbier zwischen den Bars erfunden haben, sprechen vom | |
| > Geschäft. | |
| Bild: Das Pendelbier auf den Weg gebracht: Mario Unterhuber vom Club 49 | |
| Berlin taz | Nachdem am 14. März im Zuge des Corona-Lockdowns alle Kneipen, | |
| Bars und Clubs geschlossen wurden, sah es wochenlang finster aus für | |
| Berlins Bar- und Clubbetreibende. Einige fingen an, Getränke „to go“ zu | |
| verkaufen, und die Öffnung der [1][Restaurants und Gaststätten seit dem 15. | |
| Mai] bietet auch Perspektiven für Bars und Kneipen: Erweitern sie das | |
| Geschäft von einer Schank- zu einer Speisewirtschaft, dürfen sie wieder | |
| öffnen. | |
| Mit Bockwurst gegen den drohenden Ruin: Es ist Kreativität gefragt bei | |
| Berlins Bar- und Kneipenbesitzer*innen in dieser Zeit. Und wachsame Ohren. | |
| Die Betreiber des Club 49 in Kreuzberg und des Posh Teckel in Neukölln | |
| erzählen, wie sie durch die Krise kommen. | |
| „Bei allem Verständnis, das ich für die eingeleiteten Coronamaßnahmen habe, | |
| war die plötzliche Schließung am 14. März natürlich erst mal ein Schlag ins | |
| Gesicht“, berichtet Mario Unterhuber, Betreiber des Club 49 in der | |
| Ohlauer Straße. „Vor allem habe ich mir Gedanken um meine Mitarbeiter | |
| gemacht. Ich hatte dann keine andere Wahl als zu sagen, hey, ihr seid | |
| dabei, wenn’s wieder weitergeht, aber jetzt ist erst mal vorbei. Das war | |
| mit das Härteste für mich.“ | |
| „Ich war dann zwei Wochen panisch, bis die Coronasoforthilfe kam. Das hat | |
| mich überrascht, ich hätte nicht gedacht, dass das so schnell geht“, so | |
| Unterhuber weiter, „und gleichzeitig blieben aber die Sorgen, weil mir klar | |
| war, dass ich in drei Monaten nicht wieder würde öffnen können.“ | |
| Ungewissheit und Perspektivlosigkeit herrschten also vor, bis Unterhuber | |
| gemeinsam mit den Betreibern des Posh Teckel auf die Idee kam, das | |
| [2][„Pendelbier“ ins Leben zu rufen]: Gäste konnten sich Bier „to go“ … | |
| und damit zwischen den nur einige hundert Meter voneinander entfernten Bars | |
| hin- und herpendeln. Bei voller Stempelkarte gab es ein Getränk umsonst. So | |
| sehr Unterhuber sich gefreut habe, die Menschen wiederzusehen, sei diese | |
| Zeit aber auch mit viel Anspannung verbunden gewesen: „Wir waren alle ein | |
| paar Wochen isoliert, da habe ich mich über jeden Einzelnen so dermaßen | |
| gefreut! Aber man muss die Leute dann eben auch gleich wieder wegschicken, | |
| weil sie nicht vor der Bar herumlungern dürfen. Man ist ständig auf der Hut | |
| und immer in der Rolle des Ermahners.“ | |
| ## Großer Außenbereich als Vorteil | |
| Die Möglichkeit der Erweiterung von einer Schank- zu einer Speisewirtschaft | |
| kam Unterhuber sehr gelegen: Die Bar hat einen großen Außenbereich, sodass | |
| Gäste nun wieder draußen auf Bänken sitzen dürfen – unter Einhaltung der | |
| Abstands- und Hygieneregeln. „Man hört etwas und reagiert darauf, so läuft | |
| das gerade. Es gibt immer Möglichkeiten, etwas zu machen. Verkaufen wir | |
| halt Bockwurst, die Leute freuen sich wahrscheinlich drüber“, findet | |
| Unterhuber. | |
| Eine Sache jedoch ärgert ihn sehr: „Ich habe vollkommenes Verständnis für | |
| sämtliche Maßnahmen und Auflagen, die dem Schutz der Gäste dienen sollen. | |
| Die Auflagen sind streng, völlig zu Recht. Aber ich frage mich viel mehr, | |
| warum Restaurants unter den bestehenden Auflagen öffnen dürfen und Läden, | |
| die das auch garantieren können, geschlossen bleiben. Dann passiert eine | |
| Verlagerung, und die Leute trinken im Restaurant.“ Und weiter: „Es ist ja | |
| jetzt auch nicht so, dass in jedem Laden Ischgl-Party läuft. Es gibt auch | |
| Läden, wo Leute zivilisiert sitzen und ihr Getränk zu sich nehmen. Da hätte | |
| ich mir gewünscht, dass mehr differenziert wird, statt pauschal alle | |
| Kneipen dichtzumachen. Das ist einfach nicht fair.“ | |
| Dass man nicht alle Kneipen pauschal über einen Kamm scheren kann, zeigt | |
| der Posh Teckel in der Pflügerstraße in Neukölln. Anders als der Club 49 | |
| hat der Posh Teckel bereits seit Jahren eine Lizenz zum Verkauf von Speisen | |
| und einen nur sehr kleinen Außenbereich. Für Bernd Nützel und Judith | |
| Schmitt, die den Laden betreiben, kommt die eigentliche Krise erst mit den | |
| Lockerungen: „Jetzt ist Sommer, und wir sind auch ohne Corona keine | |
| Sommerkneipe. Wir sind jetzt in so einem komischen Zwischenstadium: Du | |
| darfst ein bisschen was machen, aber auch nicht so richtig. Wir dürfen | |
| jetzt wieder Essen drinnen servieren, allerdings dürfen sich nur 15 | |
| Menschen drinnen aufhalten. Bisher konnten wir es über den Straßenverkauf | |
| zu zweit machen, jetzt werden wir das nicht mehr schaffen. Hinzu kommt, | |
| dass wir nur bis 22 Uhr öffnen dürfen. Das Geld, das du sonst nachts | |
| verdienst, musst du jetzt versuchen vorher zu verdienen. Wir müssen also | |
| wieder über Personal nachdenken, das wir bezahlen müssen“, so Nützel. „D… | |
| Sperrstunde und die limitierte Zahl an Gästen, das ist ein echter Albtraum | |
| für uns“, fügt Schmitt hinzu. | |
| Und eine zweite Sorge plagt die beiden: „In allen Kiezen, in denen viel los | |
| ist, gibt es auch immer eine Menge Leute, die keinen Bock haben auf diesen | |
| Kneipentrubel. Und ich habe das Gefühl, dass ganz viele von diesen Club- | |
| und Kneipenhassern jetzt ihre Chance wittern, den Läden den Garaus zu | |
| machen. Sich Dinge auszudenken, um gegen den drohenden Untergang zu | |
| kämpfen, war ja bisher noch lustig, aber wenn du jemanden hast, der dich | |
| nicht leiden kann, dann werden deiner Kreativität schnell Grenzen gesetzt. | |
| Du brauchst nur einen einzigen Nachbarn, der dich nicht leiden kann, um | |
| richtig Stress zu kriegen“, so Nützel. | |
| Was beide Kneipen eint: das Engagement von Gästen und Freund*innen. | |
| „Stammgäste haben für den Club 49 eine Spendenaktion initiiert, und die | |
| Leute gehen statt zum Späti zu mir, um ihr Bier zu trinken. Das hat mich | |
| sehr gefreut“, so Unterhuber. „Das ist das, was unsere beiden Kneipen | |
| verbindet: Hier kommen Leute hin, die für uns und wegen uns herkommen. Und | |
| auch unter Kollegen ist man gerade sehr loyal zueinander. Das ist unter | |
| Gastronomen nicht immer der Fall“, freut sich Nützel, „am Ende, und da sind | |
| wir uns einig, werden wir es alle schaffen und es wird uns besser gehen als | |
| vorher.“ | |
| 30 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Annika Glunz | |
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