# taz.de -- Corona-App in Russland: Die rechte und die linke Hand | |
> Eine Frau, die sich nicht aus dem Haus bewegen kann, wird bestraft. Sie | |
> hatte sich bei der Corona-App für „soziales Monitoring“ nicht angemeldet. | |
Bild: Irina Karabulatowa in ihrer Moskauer Wohnung | |
Das Coronavirus greift offensichtlich auch das Hirn an. Zumindest für | |
Russland ist das jetzt aktenkundig. Es geht um den Fall von Irina | |
Karabulatowa, Professorin an der Moskauer Universität der | |
Völkerfreundschaft. Die Dame im besten erwerbsfähigen Alter liegt nach | |
einer misslungenen Operation an der Wirbelsäule seit einem Jahr in ihrer | |
Wohnung im Bett. Den entsprechenden Invalidenstatus hat sie schriftlich. Im | |
April zog sie sich dann auch eine Infektion der Atemwege zu. Zwei Ärzte | |
stellten Covid-19 fest. | |
In Russland bedeutet das auch nach der Heilung häusliche Quarantäne. Doch | |
das ist nicht alles. Gleichzeitig sind Erkrankte verpflichtet, sich dem | |
sogenannten „sozialen Monitoring“ zu unterwerfen. Man muss sich innerhalb | |
einer vorgeschriebenen Frist per Smartphone bei einer App registrieren | |
lassen, was den erfreulichen Effekt hat, dass die zuständige Moskauer | |
Behörde dann auch nachprüfen kann, ob die Person gegen die | |
Quarantäne-Auflagen verstoßen hat. | |
Offensichtlich versäumte es Irina Karabulatowa sich anzumelden. Eine teure | |
Unterlassungssünde. Am 11. Mai wurde ihr ein erster Strafbescheid über 4000 | |
Rubel (51,98 Euro) wegen Verstoßes gegen die verordnete Selbstisolation | |
zugestellt. Dem folgten mehrere erfolglose Erklärungsversuche darüber, dass | |
sie überhaupt nicht in der Lage sei, ihre Wohnung zu verlassen. Doch | |
offensichtlich hatte das Virus auch den Gehörgang befallen. Der wurde erst | |
wieder durchlässig als [1][Karabulatowa die sozialen Netzwerke mit ihrer | |
Kausa bombardierte]. Telefonisch wurde ihr dann mitgeteilt, die Strafe | |
werde zurückgenommen. | |
Die Freude währte nicht lange. Stattdessen ereilte Karabulatowa am 18. Mai | |
der nächste Strafbescheid. Da wisse die rechte Hand wohl nicht, was die | |
linke tue, schrieb sie auf Facebook. Erst am 28. Mai waren die beiden | |
Strafen wirklich vom Tisch. Den Beamten seien Einzelheiten über ihren | |
Gesundheitszustand nicht bekannt gewesen, hieß es lapidar. | |
Doch damit lässt sich die Hochschullehrerin nicht einfach abspeisen. Sie | |
hat Klage eingereicht. Ihre Forderung: 1 Million Rubel Entschädigung (knapp | |
13.000 Euro) wegen des erlittenen moralischen Schadens. Sollte sie | |
gewinnen, könnte das auch andere Geschädigte auf den Plan rufen. Derzeit | |
sind über 5.300 ähnliche Klagen anhängig. | |
6 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.facebook.com/karabulatova | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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