# taz.de -- Karnevalsfeier trotz Mahnwache: Pietätlose Party | |
> Nur einen Tag nach dem Anschlag von Hanau feierten Mitarbeiter im | |
> Bundestag ausgelassen Karneval – während nebenan der Opfer gedacht wurde. | |
Bild: Während draußen der Opfer von Hanau gedacht wurde, feierten Mitarbeiter… | |
BERLIN taz | Nicht ohne Grund wird der Bundestag auch Hohes Haus genannt. | |
Das Parlament ist Volksvertretung und erfüllt damit auch eine wichtige | |
Vorbildfunktion. Ein Vorfall, der nun bekannt geworden ist, weckt jedoch | |
starke Zweifel, ob das allen Mitarbeitern, die im Bundestag arbeiten, | |
bewusst ist. | |
Die Sache liegt zwar bereits drei Monate zurück, wurde aber jetzt erst | |
öffentlich: Nur 24 Stunden nach dem [1][rassistischen Anschlag von Hanau], | |
bei dem neun Menschen mit Migrationshintergrund ermordet wurden, sollen | |
Bundestagsmitarbeiter eine ausgelassene Karnevalsparty gefeiert haben – und | |
zwar in den Räumen des Parlaments. | |
Dies geht [2][aus einem Bericht der Süddeutschen Zeitung] hervor. Ein | |
Sprecher des Bundestags bestätigte den Vorfall auf taz-Anfrage. Danach | |
sollen am 20. Februar, also einen Tag nach dem blutigen Anschlag, um die | |
hundert Mitarbeiter aus der Bundestagsverwaltung eine private | |
Karnevalsparty in den Räumen eines Bundestagsgebäudes Unter den Linden | |
geschmissen haben. | |
Dabei hatte der Direktor der Bundestags die am selben Tag geplante | |
offizielle Faschingsfeier in der Parlamentskantine aus Respekt vor den | |
Opfern von Hanau abgesagt. Drinnen Polonaise, während draußen die Flaggen | |
auf Halbmast hingen, das schien undenkbar. | |
Feiern, während Abgeordnete nebenan der Opfer gedenken | |
Doch offenkundig wollten sich nicht alle Mitarbeiter im Haus das närrische | |
Treiben deswegen verbieten lassen. Und so organisierten sie, unter ihnen | |
hochrangige Verwaltungsbeamte, eine private Sause. Allerdings nicht etwa in | |
einer Kneipe fernab des Bundestags, sondern mittendrin, zwischen | |
Aktenschränken und Rechnern. An sich ist das nicht verboten. Doch | |
ausgerechnet an diesem Abend? | |
Immerhin versammelten sich zur selben Zeit vor dem Brandenburger Tor viele | |
Menschen, um bei einer Mahnwache der Terroropfer zu gedenken. Sie bildeten | |
eine Menschenkette, an der auch prominente Bundestagsabgeordnete | |
teilnahmen. Darunter Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) und | |
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. | |
Fröhlich feiern, während nebenan eine Schweigeminute eingelegt wird – für | |
die betroffenen Mitarbeiter schien das kein Problem. Der Sprecher betont | |
zwar, dass es sich bei der Feier um eine „private Zusammenkunft“ gehandelt | |
habe, wie sie auch „an runden Geburtstagen oder vor Weihnachten allgemein | |
üblich sind“. Doch weniger pietätlos wird der Fall deshalb nicht. | |
Zumal die Angelegenheit neben der Party selbst weitere Fragen aufwirft. So | |
soll die Mitarbeitern, eine Unterabteilungsleiterin, die die Feier | |
maßgeblich organisiert hatte, für das respektlose Verhalten nicht gerügt, | |
sondern im Gegenteil, inzwischen zur Abteilungsleitern befördert worden | |
sein, wie die SZ berichtet. | |
Sogar die Polizei rückte an | |
Hinzu kommt, dass die Party offenbar so ausgelassen war, dass Flure zu | |
Tanzflächen umfunktioniert und umgekippte Flaschen eine der Tapeten | |
„durchgeweicht“ hätten, wie die SZ einen hochrangigen Beamten zitiert. Ein | |
Hausmeister, der die Zustände in der betroffenen Etage später beklagt | |
hatte, wurde versetzt. Auch die Polizei soll wegen Lärmbelästigung | |
angerückt sein. | |
Zu diesen Details wollte sich der Sprecher nicht äußern, er erklärte | |
lediglich: „Über den Verlauf im Einzelnen liegen voneinander abweichende | |
Schilderungen vor.“ | |
Der Fall sorgt jedenfalls auch Monate später noch für reichlich | |
Irritationen. Britta Haßelmann, die Erste Parlamentarische | |
Geschäftsführerin der Grünen spricht gegenüber der taz von einem | |
„empörenden Vorgang“ und einer „pietätlosen Feier“. [3][Vertreter der | |
Hinterbliebenen] des Hanauer Anschlags bezeichnen den Vorfall in einer | |
gemeinsamen Erklärung als „Verhöhnung“ der Opferfamilien. „Ausgerechnet… | |
diesem Tag, an diesem Ort“, das mache sie traurig. | |
16 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Rechter-Anschlag-in-Hanau/!5669671 | |
[2] https://www.sueddeutsche.de/politik/feier-in-berlin-polonaise-statt-schweig… | |
[3] /Opferbeauftragter-ueber-Anschlag-in-Hanau/!5671685 | |
## AUTOREN | |
Daniel Godeck | |
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