# taz.de -- Coronavirus in Deutschland: Infektionszahl fällt nicht mehr | |
> Nachdem sie lange zurückgegangen ist, stagniert die Zahl der täglichen | |
> Neuinfektionen jetzt erstmals. Die Mobilität nimmt wieder deutlich zu. | |
Bild: Zu dicht? Polizei auf Kontrollfahrt im Volkspark Schöneberg in Berlin | |
Berlin taz | Seit mehreren Wochen war der tägliche Blick auf die [1][Zahlen | |
des Robert-Koch-Instituts Anlass für einen gewissen Optimismus]: Der Wert | |
der gemeldeten Neuinfektionen ging – zumindest wenn man ihn über 7 Tage | |
mittelte, um die Schwankungen der Wochentage auszugleichen – kontinuierlich | |
zurück. Anfang April waren es im Schnitt noch 5.600 bestätigte Infektionen | |
pro Tag, in dieser Woche sank diese Zahl erstmals auf unter 1.000. | |
Doch damit scheint es nun vorbei zu sein: Seit mehreren Tagen ist kein | |
Abwärtstrend mehr zu erkennen, der 7-Tage-Mittelwert pendelte zuletzt | |
zwischen 960 und 1.000. Passend dazu meldete das Robert-Koch-Institut am | |
Samstag, dass die sogenannte Reproduktionszahl auf 1,1 gestiegen ist. Das | |
heißt, dass jeder Infizierte rechnerisch wieder mehr als eine weitere | |
Person ansteckt. „Der Anstieg des geschätzten R-Wertes macht es | |
erforderlich, die Entwicklung in den nächsten Tagen sehr aufmerksam zu | |
beobachten“, schreibt die Behörde. Der Wert vom Sonntag lag bei | |
Redaktionsschluss noch nicht vor. | |
Ob die stagnierenden Zahlen eine Trendwende zu einem Wiederanstieg | |
einleiten oder die Werte in den nächsten Tagen doch weiter absinken, könne | |
„noch nicht bewertet werden“, schreibt das RKI – und nennt als Grund | |
„statistische Schwankungen, die durch die insgesamt niedrigen Zahlen | |
verstärkt werden“. Dazu kommt, dass aufgrund des Feiertags am 1. Mai in der | |
vergangenen Woche auch die über eine Woche gemittelten Werte nicht eins zu | |
eins miteinander vergleichbar sind. | |
Weil von einer Corona-Infektion bis zu ihrer Meldung ans | |
Robert-Koch-Institut 10 bis 14 Tage vergehen, kann das Stagnieren der | |
aktuellen Zahlen noch keine Folge der Lockerung der Corona-Beschränkungen | |
wie der Wiedereröffnung vieler Geschäfte und Schulen sein, die in der | |
vergangenen Woche in Kraft getreten sind. Allerdings zeigen diverse Daten, | |
dass die Menschen bereits vorher wieder sorgloser agiert haben. | |
## Die Risikowahrnehmung sinkt | |
Deutlich wird das etwa an den Routenanfragen, die Apple in Deutschland auf | |
seinen Smartphones verzeichnet: Mitte März gingen diese im Vergleich zum | |
Durchschnitt um mehr als 60 Prozent zurück. Doch schon Anfang Mai lag der | |
Rückgang bei nur noch 30 Prozent, aktuell sind es noch 15 Prozent. Zudem | |
zeigt eine regelmäßige Umfrage der Universität Erfurt, dass die | |
Risikowahrnehmung in der Bevölkerung sinkt und die Akzeptanz für die | |
Corona-Maßnahmen nachlässt. | |
Auffällig ist unterdessen, dass ein großer Teil der Infektionen sich | |
inzwischen in Einrichtungen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen ereignet. | |
Einer Aufstellung des RKI zufolge trat dort zuletzt mehr als die Hälfte der | |
neuen Fälle auf. Ein weiterer Schwerpunkt [2][sind Schlachthöfe und | |
fleischverarbeitende Betriebe]. | |
Dies spiegelt sich auch in den Landkreisen wieder, in denen die neue | |
[3][Obergrenze von 50 Infektionen pro 100.000 EinwohnerInnen] pro Woche | |
überschritten wurde: Im thüringingischen Landkreis Greiz ist ein Ausbruch | |
in mehreren Pflegeheimen dafür verantwortlich, in Coesfeld (NRW) und | |
Steinburg (Schleswig-Holstein) die Fleischverarbeitung. | |
Weiterhin rückläufig ist die Zahl der täglichen Corona-Toten: Sie sank am | |
Sonntag im 7-Tage-Mittel auf 107. Ihren höchsten Wert hatte sie Mitte April | |
mit mehr als 230. Durch die Corona-Todesfälle ist inzwischen [4][auch in | |
Deutschland eine Übersterblichkeit zu beobachten], wenn auch weniger stark | |
als in vielen anderen europäischen Ländern: Wie das Statistische Bundesamt | |
am Freitag mitteilte, gab es in der ersten Aprilwoche 9 Prozent mehr | |
Todesfälle als im Mittel der letzten vier Jahre; in der zweiten Aprilwoche | |
waren es 11 Prozent mehr Tote. | |
10 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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