# taz.de -- Wende im Libyenkrieg: Triumph für Premier Sarradsch | |
> Libyens Regierung verjagt General Haftars Rebellen aus dem größten | |
> Luftwaffenstützpunkt des Landes. Er galt als Basis für die Belagerung von | |
> Tripolis. | |
Bild: Bombardierung von Tripolis durch Haftars Truppen am 6. Mai | |
TUNIS taz | Einheiten der [1][libyschen Regierung haben der Libyschen | |
Nationalarmee (LNA) des Generals Chalifa Haftar] eine herbe Niederlage | |
beigefügt. Die regierungstreuen Einheiten meldeten am Montagvormittag die | |
Eroberung der Luftwaffenbasis Watia. Die in den 1960er Jahren gebaute und | |
einst von der Sowjetunion genutzte große Basis südwestlich von Tripolis | |
stand seit 2014 unter Kontrolle Haftar-treuer Kämpfer und war die | |
wichtigste Basis für Haftars Belagerung und Beschuss der libyschen | |
Hauptstadt. | |
Bei dem dritten Angriff innerhalb von zwei Wochen auf den mehrere | |
Quadratkilometer großen Militärstützpunkt vertrieben mehrere Hundert | |
Milizionäre des Ministerpräsidenten Fajis Sarradsch die LNA-Kämpfer und | |
erbeuteten neben zahlreichen Waffen auch ein mobiles russisches | |
Luftabwehrsystem des Typs Panzir, das die LNA gegen türkische Drohnen | |
eingesetzt hatte. | |
[2][Russische Söldner, die Watia eigentlich schützten], waren vor der | |
Einkreisung der Militärbasis schon vor zwei Wochen über die nahe tunesische | |
Grenze entkommen. Russland, der wichtigste nichtarabische Unterstützer | |
Haftars, scheint den Fall von dessen wichtigstem Stützpunkt im Westen | |
Libyens hingenommen zu haben. Aus LNA-Kreisen wird von einer Gegenoffensive | |
berichtet, doch scheint der Kampf um Watia entschieden zu sein. | |
Die Kämpfe konzentrieren sich nun auf die Kleinstadt Tarhouna südlich von | |
Tripolis, Haftars letzte Basis in Westlibyen. Eigentlich wollten Haftar, | |
der seine Legitimation von dem im ostlibyschen Tobruk tagenden libyschen | |
Parlament bezieht, und die mit ihm verbündeten Stämme aus Ostlibyen die | |
Hauptstadtmilizen aus Tripolis vertreiben, die die aus einer | |
UN-Friedenskonferenz hervorgegangene und damit international anerkannte | |
Regierung Sarradsch schützen. | |
## High-Tech-Krieg am Himmel | |
Zwar verfügt Sarradsch über keine eigenen Truppen und ist tatsächlich vom | |
Wohlwollen der vier großen Milizen in Tripolis abhängig. Aber seitdem er im | |
November 2019 einen [3][Beistandspakt mit dem türkischen Präsidenten | |
Erdoğan] geschlossen hat, hat sich die militärische Lage rund um Tripolis | |
zugunsten der Regierung geändert – und aus dem innerlibyschen Konflikt | |
einen regionalen Stellvertreterkrieg gemacht. | |
Die mangelnde Bereitschaft der Hauptstädter, zu den Waffen zu greifen, | |
konnte Sarradsch mit der Einladung von bis zu 5.000 syrischen Söldnern, die | |
die Türkei nach Libyen flog, wieder wett machen. In den Stadtteilen Salah | |
Eddine und Ain Zara sind an einigen Frontabschnitten rein syrische | |
Einheiten im Einsatz. Die regierungstreuen Elitetruppen aus der libyschen | |
Hafenstadt Misrata hingegen wurden ins Landesinnere verlegt, zur Offensive | |
auf Watia. | |
Während die auf sozialen Medien von Kämpfern beider Seiten geteilten Szenen | |
aus Watia an das Chaos während des Aufstands gegen Gaddafi 2011 erinnern, | |
tobt am Himmel ein High-Tech-Krieg. Vor dem erfolgreichen Angriff, | |
berichten Augenzeugen, feuerten türkische Fregatten im Mittelmeer vor der | |
libyschen Küste Raketen auf mindestens eine Wing Loong-Drohne der LNA über | |
Watia ab. | |
Diese chinesischen Drohnen stehen türkischen Bayraktar-Modellen gegenüber. | |
Kampfflugzeuge aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten, der Türkei | |
und Frankreich wurden in den letzten Wochen ebenfalls über den Fronten | |
Westlibyens gesichtet. | |
Dass die Türkei der Partei von Sarradsch hilft, das Blatt im libyschen | |
Krieg zu wenden, hat nun auch die Nato auf den Plan gerufen. Bald schon | |
könnten auf der Basis Watia türkische Drohnen und F-16-Jets stationiert | |
werden. Damit hätte Erdoğan auch politischen Einfluss in Libyen gewonnen, | |
auch an der westlibyschen Küste, von wo fast alle Schmugglerboote nach | |
Europa ablegen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte der | |
italienischen Zeitung La Stampa, dass man zukünftig der international | |
anerkannten Einheitsregierung zur Seite stehen werde – ohne allerdings | |
konkrete Maßnahmen anzudeuten. | |
18 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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