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# taz.de -- Umstrittener Kleriker in der Türkei: Homophobie von Erdoğans Gnad…
> Der türkische Präsident stärkt einem homophoben Kleriker den Rücken. Der
> macht indirekt Homosexuelle für die Corona-Pandemie verantwortlich.
Bild: Erdoğan und der Prediger Ali Erbaş bei der Eröffnung einer Moschee in …
Istanbul taz | Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat sich am
Montag hinter den Chef der obersten Religionsbehörde gestellt, der zur
Eröffnung des [1][Fastenmonats Ramadan] mit einer Hass-Predigt gegen
Schwule und Lesben für Aufsehen gesorgt hatte.
Homosexualität, Unzucht, das Zusammenleben von Mann und Frau ohne
verheiratet zu sein – all das führe zur Verrottung der Gesellschaft und
letztlich auch zu Krankheiten und Seuchen, hatte Ali Erbaş in einer
geradezu mittelalterlich anmutenden Hass-Predigt am Freitag behauptet.
Indirekt machte er damit Schwule und Lesben für die [2][Coronaepidemie] in
der Türkei verantwortlich. Als Vorsitzender der staatlichen
Religionsbehörde Dianet ist Erbaş der oberste Islam-Vertreter in der
Türkei.
In der Hauptmoschee von Ankara sprach Erbaş – vor leeren Rängen, aber in
diverse Fernsehkamaras – über die schlimmen Folgen von Homosexualität und
Unzucht und forderte alle Muslime im Land auf, sich zusammenzutun und ihre
Mitmenschen vor solchen Versuchungen des Teufels zu schützen.
In einer Erklärung wandte sich daraufhin die altehrwürdige Anwaltskammer
von Ankara scharf gegen die Predigt von Ali Erbaş. Sie verurteilte den Hass
auf Schwule, Lesben und die gesamte LGBT-Gemeinde, die der oberste
lslam-Prediger mit seinen Worten schüren würde. Erbaş solle seine Worte
zurücknehmen.
## Ermittlungen gegen Anwaltskammer
Eine Reaktion auf die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Die
Religionsbehörde zeigte die Anwaltskammer bei der Generalstaatsanwaltschaft
an. Der Vorwurf: Die Anwaltskammer verbreite Hassreden gegen die Religion.
Tatsächlich nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die
Anwaltskammer, der nun vorgeworfen wird, sie betreibe eine „Öffentliche
Herabwürdigung religiöser Werte eines Teils der Gesellschaft“.
Am Montagabend dann schaltete sich Erdoğan im Anschluss an eine
Corona-Kabinettssitzung in die Auseinandersetzung ein. „Ali Erbaş ist
völlig korrekt“, sagte er. „Für den Islam ist Homosexualität eine schwere
Sünde. Es ist daher seine Pflicht, auf die Aufgaben der Gläubigen
hinzuweisen. Da Ali Erbaş der Vorsitzende der Religionsbehörde ist, ist ein
Angriff auf ihn deshalb auch ein Angriff auf den Staat“.
Zwar relativierte Erdoğan seine Aussagen, indem er anfügte, die Gebote des
Islam würden natürlich nur für Muslime gelten, doch sind in der Türkei –
zumindest auf dem Papier – 98 Prozent der Bevölkerung muslimisch.
## Gespaltene Gesellschaft
Die Auseinandersetzung macht deutlich, wie tief in der Türkei der Graben
zwischen den islamistischen Vertretern der sunnitischen Mehrheit und den
Republikanern im Land ist. Nicht nur die regierungsnahen Zeitungen, auch
konservative Parteipolitiker, die sich sonst in Opposition zu Erdoğan
befinden, verteidigten den Prediger.
So verurteilte Ahmet Davutoğlu als Vorsitzender der [3][Zukunftspartei, die
sich im letzten Herbst von der AKP Erdoğans abgespalten hatte] und seitdem
versucht, sich einen gesellschaftspolitisch progressiveren Anstrich zu
geben, nicht etwa die Predigt von Ali Erbaş, sondern die Anwaltskammer. In
einer Pressemitteilung erklärte er: „Wir verurteilen die Attacke einer
Minderheit auf die Werte der Gläubigen“.
Der Vorsitzende der religiösen Saadet-Partei, Temal Karamollaoğlu, der bei
der letzten Wahl noch mit der säkularen Republikanischen Volkspartei CHP
eine Koalition gegen Erdoğan gebildet hatte, sagte: „Die Prinzipien des
Islam und die daraus resultierenden Familienwerte dürfen nicht als
Hass-Kriminalität bewertet werden“.
Lediglich die CHP verteidigte die Anwaltskammer. Ihr Sprecher Faik Öztrak
erklärte: „Die Gläubigen haben das Recht zu glauben, was sie wollen, aber
sie sollen keine Hass-Reden halten und andere zu Feinden der Gesellschaft
abstempeln“.
28 Apr 2020
## LINKS
[1] /Fasten-waehrend-der-Pandemie/!5680846
[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746/
[3] /Neue-Partei-in-der-Tuerkei/!5646142
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Schwerpunkt Türkei
Homophobie
Recep Tayyip Erdoğan
Türkei
taz.gazete
Ramadan
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