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# taz.de -- Europäischer Forschungsrat: Offener Streit mitten in Pandemie
> Der ERC-Chef tritt zurück und begründet das mit Versäumnissen der EU im
> Kampf gegen Corona. Der Rat reagiert mit harten Worten.
Bild: Die EU-Kommission bedauerte den Rücktritt offiziell – Ferrari war gera…
Brüssel afp | Inmitten der Corona-Krise ist im Europäischen Forschungsrat
ERC ein offener Streit ausgebrochen. ERC-Chef Mauro Ferrari reichte am
Dienstag seinen Rücktritt ein und warf den EU-Institutionen schwere
Versäumnisse bei der Bewältigung der Pandemie vor. Darauf griff der
Wissenschaftliche Rat des ERC Ferrari am Mittwoch selbst scharf an: Das
Gremium habe bereits vorher einstimmig den Rücktritt des Italieners
gefordert.
Die Financial Times hatte zunächst [1][Ferraris Rücktrittserklärung]
veröffentlicht, in der dieser dem ERC vorwarf, es als wichtigster Geldgeber
für europäische Forschungsprojekte versäumt zu haben, Wissenschaft zur
Bewältigung der Corona-Pandemie zu finanzieren. Sein Vorschlag für ein
spezielles Programm zur Bekämpfung des neuartigen Coronavirus sei abgelehnt
worden, beklagte Ferrari in dem Schreiben.
Er habe argumentiert, es sei nicht der Zeitpunkt, sich „übermäßig Sorgen um
Feinheiten“ verschiedener Ansätze der Wissenschaftsförderung zu machen.
Stattdessen müsse schnell „mit den besten Waffen“ gegen „diesen gewaltig…
Feind“ angegangen werden. Auch kritisierte er die Krisenreaktion der EU
grundsätzlich und führte etwa „das völlige Fehlen von Koordinierung der
Gesundheitspolitik der Mitgliedstaaten“ und „die allgegenwärtigen
einseitigen Grenzschließungen“ an.
Der in Brüssel ansässige ERC reagierte nun mit [2][harten Worten]. Ferrari
habe während seiner dreimonatigen Amtszeit „ein völliges Unverständnis für
die Daseinsberechtigung“ der EU-Agentur gezeigt. Er habe an wichtigen
Sitzungen nicht teilgenommen, viel Zeit in den USA verbracht und
persönliche wissenschaftliche und geschäftliche Projekte verfolgt, anstatt
die Interessen des ERC zu vertreten.
## Ferrari gehe „bestenfalls sparsam mit der Wahrheit“ um
Aus diesen Gründen hätten alle 19 Mitglieder des Wissenschaftlichen Rates
Ende März einstimmig seinen Rücktritt gefordert. Professor Ferrari gehe in
seiner Darstellung der Geschehnisse „bestenfalls sparsam mit der Wahrheit
um“, fügten die Wissenschaftler hinzu.
Zum Einsatz gegen das neuartige Coronavirus verwiesen sie auf „über 50
laufende oder abgeschlossene ERC-Projekte, die mit einem Gesamtwert von
etwa 100 Millionen Euro unterstützt werden“ und in verschiedenen Bereichen
wichtige Erkenntnisse zur Reaktion auf die Pandemie lieferten. Allerdings
mache der ERC keine Aufrufe zu bestimmten Themen, sondern überlasse die
Formulierung von Forschungszielen den Forschern – das sei die Leitlinie der
Behörde.
Ferrari hatte Amt gerade erst angetreten
Ferraris Vorschlag für ein spezielles Anti-Corona-Programm habe der
rechtlichen Grundlage des ERC widersprochen, erklärte auch der
EU-Abgeordnete Christian Ehler (CDU), der im Europaparlament für
Wissenschaftsfinanzierung zuständig ist. Ferarri habe vom
„forschungsgetriebenen Ansatz des ERC“ abweichen wollen, um stattdessen
„Augenwischerei in der Öffentlichkeitsarbeit zur Corona-Krise“ zu
betreiben.
Der 2007 gegründete ERC ist die wichtigste europaweite Förderagentur für
Spitzenforschung. 2019 hatte sie ein Budget von über zwei Milliarden Euro.
Die EU-Kommission bedauerte den Rücktritt des ERC-Vorsitzenden „in diesem
frühen Stadium seines Mandats und in diesen Zeiten einer beispiellosen
Krise, in der die Rolle der EU-Forschung eine Schlüsselrolle spielt“.
Ferrari war erst im Mai vergangenen Jahres ernannt worden und hatte sein
Amt zu Beginn dieses Jahres angetreten.
8 Apr 2020
## LINKS
[1] https://www.ft.com/content/f94725c8-e038-4841-a5f6-2e046ae78e95
[2] https://erc.europa.eu/news/resignation-mauro-ferrari-%E2%80%93-statement-sc…
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