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# taz.de -- Angst vor der Ansteckung mit dem Virus: Visite beim Apotheker
> Jeden Tag werden die Abstände in der Schlange vor der Apotheke ein
> bisschen weiter. Niemand will sich bei den anderen verseuchten Typen
> anstecken.
Bild: Was passiert, wenn dir die Apothekerin ins Gesicht hustet?
Wie immer in diesen Corona-Tagen gehe ich frühmorgens, sofort nach dem
Aufstehen, zur Apotheke. Es sind nur sechs Menschen da, aber eine riesige
Schlange über 30 Meter, weil alle mindestens fünf Meter Sicherheitsabstand
halten, um die anderen nicht zu gefährden, aber in Wirklichkeit, um sich
von all den anderen verseuchten Typen nicht mit bösartigen Corona- Viren
anstecken zu lassen.
„Guten Morgen“, begrüßt mich der Apotheker wie jeden Morgen hinter seinem
Panzerglas, wie früher die Kassierer bei der Bank, um sich gegen die Räuber
zu schützen.
„Haben Sie etwas gegen starke Halsschmerzen?“, frage ich.
„Ja“, antwortet er knapp, schnappt sich eine Packung Tabletten und erklärt
mir, wie ich sie einnehmen soll.
„Nehmen Sie denn selber diese Tabletten ein?“, frage ich neugierig.
„Nein, warum sollte ich? Ich habe doch keine Halsschmerzen“, fragt er
zurück.
„Schön für Sie. Haben Sie etwas gegen zu hohes Fieber?“
Sofort zaubert er wieder irgendwelche Medikamente hervor. „Wissen Sie, wie
Sie diese Tabletten einnehmen sollen?“, fragt er.
„Nein“, sage ich. „Aber warum wissen Sie es denn so gut, nehmen Sie sie
etwa selber ein?“
„Warum sollte ich denn? Ich habe doch kein Fieber“, knurrt er.
„Ich ja auch nicht“, sage ich höchst erfreut. [1][„Haben Sie
Toilettenpapier?“]
„Nein. Da müssen Sie schon gegenüber in die Drogerie gehen“, sagt er leic…
genervt.
„Meinen Sie, ich sollte Toilettenpapier hamstern? Haben Sie denn welches
gehamstert?“
„Mein Herr, wenn Sie keine Medikamente haben wollen, dann gehen Sie bitte.
Es warten noch genug Leute draußen.“
„Gut, dann bis morgen, Tschüss. Passen Sie gut auf sich auf“, verabschiede
ich mich erleichtert.
## Ein neuer Tag, ein neuer Besuch
Am nächsten Morgen stehe ich wieder total aufgeregt vor der Apotheke. Die
Sieben-Mann-Schlange ist sehr lang, bei sechs Metern Sicherheitsabstand.
Vor lauter Angst erhöhen die Menschen ihn jeden Tag um einen Meter.
„Guten Morgen, womit kann ich dienen?“, fragt der Apotheker freundlich. Als
er mich hinter meinem Mundschutz erkennt, verschwindet seine Freundlichkeit
augenblicklich.
„Haben Sie etwas gegen sehr starke Halsschmerzen?“, frage ich.
„Ja“, sagt er knapp und schnappt sich wieder das Medikament von gestern.
„Nehmen Sie das denn selber ein?“, frage ich.
„Mein Gott, warum sollte ich es denn nehmen, verdammt? Ich habe doch keine
Halsschmerzen. Seit zehn Tagen nerven Sie mich schon mit Ihren blöden
Fragen!“
„Nein, seit genau 14 Tagen“, verbessere ich ihn. „Vor 14 Tagen hatten Sie
diesen Glaspanzer noch nicht vor Ihrer Nase und haben mich frontal
angehustet. Jetzt, nach zwei Wochen ist klar, Sie haben kein Corona. Und
können mich deshalb auch nicht angesteckt haben. Ihre Quarantäne ist
hiermit beendet. Meine morgendliche Visite bei Ihnen auch.“
22 Apr 2020
## LINKS
[1] /Wegen-Corona-rennen-alle-vor-mir-weg/!5675472/
## AUTOREN
Osman Engin
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