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# taz.de -- Aufnahme Geflüchteter: Noch keine Insellösung
> Rechtsanwält*innen meinen, Berlin müsse nicht auf den Bund warten, um
> Flüchtlinge aufzunehmen. Senat berät am Dienstag.
Bild: Gesunder Protest für die Aufnahme Geflüchteter aus Lagern in Griechenla…
Das Vorhaben, Menschen aus den völlig überfüllten Lagern auf den
griechischen Inseln zu holen, kommt seit Monaten nicht voran. In der Sache
scheinen sich alle einig zu sein, aber wenn es an die Umsetzung geht, steht
den Politiker*innen stets irgendeine andere Ebene im Weg. Zuletzt hatte
Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) bekräftigt, dass Berlin schnell
Menschen von den griechischen Inseln aufnehmen müsse.
Am Dienstag soll dies auch wieder Thema in der Senatssitzung sein. Die
Senatskanzlei betont ebenfalls, dass die Koalitionspartner sich in der
Frage, dass Berlin Menschen aufnehmen will, grundsätzlich einig seien.
Einig scheinen sie sich aber auch darin zu sein, dass sie dazu auf eine
Einwilligung des Bundesinnenministers angewiesen sind.
Nach Ansicht von Berenice Böhlo, Vorstandsmitglied im Republikanischen
Anwältinnen- und Anwälte-Verein (RAV), ist die Einwilligung vom Bund zwar
nötig, aber Berlin müsste nicht warten, bis der Bund sich bewegt. Denn der
Bund müsste letztlich „seine Einwilligung in Form eines Einvernehmens“
erteilen.
Böhlo bezieht sich dabei auf ein Gutachten der Anwaltskanzlei Redeker,
Sellner, Dahs von Anfang März, in dem die Kanzlei auslotet, welche
rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen die Bundesländer bei einer Aufnahme
von Geflüchteten von den griechischen Inseln hätten.
## „Extreme Sondersituation“
„Das Gutachten sagt ganz klar: Aufgrund der extremen humanitären
Sondersituation und der begrenzten Gruppe derjenigen, die aufgenommen
werden sollen, kann es keine rechtlichen Gegenargumente geben, wenn ein
Bundesland Flüchtlinge aufnehmen will“, sagte Böhlo. „Hier greift das
Prinzip, dass die Länder den Bund, aber eben auch der Bund die Länder
unterstützen muss.“
Das Gutachten macht dies an der „Pflicht zum bundesfreundlichen Verhalten“
fest. Demnach sollten Bund und Länder in ihrem Handeln „die gebotene und
ihnen zumutbare Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundesstaates und auf
die Belange der Länder“ nehmen. „Das bedeutet: Man muss aufeinander hören…
sagte Böhlo. „Die Länder haben viele Stimmen, die die Aufnahme von
Geflüchteten unterstützen“, die Bundesregierung könne daher einer Aufnahme
nicht entgegenwirken – vor allem deshalb nicht, weil dieses der Absicht des
Bundes ja gar nicht widerspräche.
Aus Sicht des RAV wäre ein Landesaufnahmeprogramm daher faktisch sogar
einfacher umzusetzen als ein Bundesprogramm, denn der Bund pocht weiter auf
eine innereuropäische Lösung. Für Böhlo eine einzige Verweigerungshaltung:
„Es gab vor der Coronakrise kein europäisches Asylsystem, es gibt es jetzt
nicht“, daher müssten einige Staaten – wie aktuell etwa Luxemburg – in
Vorleistung gehen.
„Wenn der Bund nicht handelt, darf er den Bundsländern keine Steine in den
Weg legen“, sagte Böhlo. „Berlin muss mit dem Bund Kontakt aufnehmen und
die Aufnahme konkret besprechen.“ Der Bund habe dann sein Einvernehmen zu
erklären, „und daraus folgt natürlich auch, dass der Bund den Zugang zum
bundesdeutschen Territorium effektiv zu ermöglichen hat“. Auch für ein
reines Landesaufnahmeprogramm müsste der Bund dann etwa eine Landeerlaubnis
für einen Evakuierungsflieger erteilen, Visa ausstellen und die
Bundespolizei anweisen, die Menschen ins Land zu lassen.
„Das alles wäre besser als nichts, aber es sind natürlich trotzdem völlig
unzureichende Maßnahmen“, sagt Böhlo. „Auch unabhängig von der
Coronapandemie hätten die völllig überfüllten Lager schon vor Monaten
evakuiert werden müssen.“
6 Apr 2020
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
## TAGS
Griechenland
Geflüchtete
Flüchtlingslager
Dirk Behrendt
Geflüchtete
Schwerpunkt Coronavirus
Minderjährige Geflüchtete
Schwerpunkt Flucht
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