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# taz.de -- AfD-Angriffe auf Fridays for Future: Klimakids gehören nicht zum �…
> Die AfD arbeitet sich besonders an Fridays for Future ab – denn die
> Klimabewegung stellt ihr Volkskonzept infrage.
Bild: Auf dem Kieker der AfD: Fridays-for-Future-AktivistInnen mit Greta Thunbe…
Seit über einem Jahr streiken die Schüler*innen von Fridays for Future
gegen das als mangelhaft empfundene Handeln in der Klimapolitik. Doch am
anderen Ende des klimapolitischen Spektrums, bei der AfD, sieht man die
Gefahren ganz woanders.
Hier erscheint als die wahre Bedrohung, dass die Politik bereits eine
Verschwörungspolitik betreibe. Für den [1][AfD-Bundestagsabgeordneten
Karsten Hilse] dient Klimapolitik vornehmlich zwei Zielen: „Erstens das
Volk noch effektiver auszuplündern und zweitens die Gesellschaft in eine
ökosozialistische Diktatur zu transformieren“. Dabei sieht Hilse die
Klimastreiks als Teil einer „professionell durchgezogenen Kampagne“, in der
Politik und Streikende auf derselben Seite stehen.
Gerade an Fridays for Future (FFF) scheint sich die AfD besonders
aufzureiben. Aber wieso? Die AfD erklärt den Aktivismus dieser Bewegung in
drei möglichen Formen. Zunächst könne FFF, so MdB Andreas Bleck, nur gegen
die eigenen Interessen demonstrieren: „Während viele Kinder freitags gegen
die deutsche Automobilindustrie demonstrieren, müssen viele Väter, die bei
Mercedes-Benz, BMW oder Volkswagen gearbeitet haben, montags stempeln
gehen.“
Weiter geht die AfD dazu über, hinter den Schüler*innen deren Eltern und,
eigentlich, den Staat zu vermuten. Der AfD-Hausphilosoph Marc Jongen
vermutet bei Greta Thunberg gar ein „extremistisches Elternhaus“. Ihr
Vater sei [2][„nicht zufällig ein Drehbuchschreiber und Manager“]. Im
Zweifelsfall zeigt sich die AfD auch bereit, das Engagement von FFF anhand
von Kriterien geistiger Gesundheit anzugreifen. So wird Greta Thunberg im
Bundestag als „krankes Kind“ und als „zeichenhaft“ für „eine infanti…
Politik“ beschrieben.
Warum versucht die AfD um jeden Preis, FFF zu verleumden? Die Antwort liegt
in der Volkskonzeption des rechtsextremen Populismus begründet – und wir
sollten lernen, diese kritisch zu verstehen, wenn uns an der Demokratie
etwas liegt.
## Reines Volk vs. korrupte Elite
Denn Rechtspopulisten sehen einen tiefen Antagonismus, der die Bevölkerung
in ein moralisch reines, homogenes Volk und in eine parasitäre und korrupte
Elite spaltet. Außerdem bestehe eine unheilige Allianz zwischen Eliten und
gesellschaftlichen Minderheiten. Das wahre Volk befinde sich im Zangengriff
zwischen Elite und Minderheiten, drangsaliert und ausgebeutet von allen
Seiten.
Doch wer ist dieses wahre Volk? Jedenfalls kann es nicht identisch mit der
Menge der im Staat lebenden Menschen sein, denn die das Volk ausbeutenden
Eliten und Minderheiten können unmöglich zum Volk dazugehören. Mit dem
französischen Philosophen Claude Lefort gilt also, dass das wahre Volk erst
geschaffen werden muss, indem es aus der breiten Bevölkerung extrahiert
wird.
Außerdem baut der Rechtspopulismus auf der Vorstellung von einem
einheitlichen Volk und einem kollektiven Volkswillen auf. Doch genau diese
Einheitlichkeit ist es, die in der pluralistischen Gesellschaft nirgendwo
auszumachen ist. Denn schließlich ist es der Kern der Demokratie, dass die
unterschiedlichen Überzeugungen verschiedener Gruppen als legitim anerkannt
werden.
Irgendwie müssen die Rechtspopulisten nun aber erklären, wohin die
eigentliche Einheitlichkeit des Volkes verschwunden ist. Dies bezeichnet
der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller als die Suche nach der
„Erklärung des Unerklärlichen“: Wenn die Rechtspopulisten die Stimme des
wahren Volkes sind, warum steht das Volk dann nicht geeint hinter der
rechtspopulistischen Partei?
Die Antwort kann für die Rechtspopulisten wieder nur bei den Eliten liegen.
So zeigt sich für die AfD gerade am Beispiel der Klimapolitik, wie
Wissenschaften, NGOs, Medien und die „ganz große Koalition von der
Linkspartei bis zur CSU“ (Markus Frohnmaier, MdB) einen in den Worten von
Karsten Hilse [3][„ökoindustriellen Komplex“] bilden, der permanent
versucht, den wahren Volkswillen zu korrumpieren und zu partikularisieren.
Diese Vorstellung hat Folgen: So muss jeder Bürger, der sich gegen die
rechtspopulistische Partei äußert, als Kollaborateur der Eliten und
Verräter des Volkswillens angesehen werden. Denn es gibt kein wahres und
ethnisch reines Volk, weshalb die Volkszugehörigkeit in der Praxis
blitzschnell zur politischen Kategorie wird. Wer sich gegen die
Rechtspopulisten auflehnt, fliegt aus dem Volk raus.
Dies erklärt, warum die AfD so krampfhaft versucht, FFF zu diskreditieren:
Denn hier handelt es sich um eine Gruppe von Akteuren, die als mehrheitlich
deutsch gelten muss und auch noch aus Kindern besteht, was eine Zuordnung
zu den globalen Eliten äußerst unglaubwürdig macht. Nach jeder
herkömmlichen Definition sollte FFF also zum Volk gehören, doch da die
Schüleraktivist*innen der AfD widersprechen, können sie keinen Teil des
rechtspopulistischen Volks darstellen, das sich vornehmlich entlang
politischer Überzeugung rekrutiert.
Hier ist das entscheidende antidemokratische Moment zu finden: Für die AfD
kann es keine legitimen politischen Kontrahenten geben, weil jeder Ausdruck
von Pluralismus als Teil einer elitären Verschwörung angesehen wird, aus
der nur die AfD selbst einen Ausweg darstellen kann: als einzige Akteurin,
die die Verschwörung überhaupt erkennt.
Was bedeutet das alles? Erstens, dass wir den rechtsextremen Populismus
endlich ernst nehmen müssen. Weder moralische Totschlagargumente noch
No-Platforming werden die AfD verschwinden lassen. Wir müssen lernen, ihre
innere Logik zu verstehen, um diesen gedanklichen Teufelskreis aufzulösen.
Darüber hinaus kann es aber auch kein Zurück zu einem populismusfreien
Status quo geben. Es gilt, den Rechtspopulismus als Symptom einer tiefer
liegenden Problematik zu begreifen – als Teil eines weltweiten „Backlashs“
gegen die neoliberale Globalisierung und den Kapitalismus.
3 Mar 2020
## LINKS
[1] /AfD-Luegen-zur-Erderwaermung/!5625415
[2] https://www.bundestag.de/resource/blob/629642/f0f28ffcf1a7a6aff183bdc5fcb89…
[3] https://m.facebook.com/Karsten.Hilse.Politiker/posts/1057011278011766
## AUTOREN
Timm Kuehn
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