# taz.de -- Der Papst und die Revoluzzerinnen: Matres ante Portas | |
> Die um Gleichberechtigung in der katholischen Kirche kämpfenden Frauen | |
> mussten eine Niederlage einstecken. Jetzt gilt, sich evagleich zu | |
> widersetzen. | |
Bild: Ihre Hoffnungen auf Veränderung wurden enttäuscht: Frauen der Initiativ… | |
Die Revoluzzerinnen von Maria 2.0 stehen vor den Kirchentoren und fordern | |
das, was in der katholischen Kirche längst überfällig ist: | |
Gleichberechtigung der Geschlechter, nicht nur Gleichwürdigkeit. Aber die | |
Tore öffnen sich nicht, weil ein angsterfüllter Mann davorsteht und ruft: | |
„Die Tür ist zu!“ Damit bekräftigte Papst Franziskus nun erneut seine | |
Haltung von 2013. Das Schreiben des Papstes wurde von der katholischen Welt | |
mit großer Aufregung erwartet. | |
Man hoffte auf Zugeständnisse in Sachen Zölibat und Frauenordination. Doch | |
[1][diese Hoffnung machte Franziskus jäh zunichte.] „Die Frauen leisten | |
ihren Beitrag zur Kirche auf ihre eigene Weise und indem sie die Kraft und | |
Zärtlichkeit der Mutter Maria weitergeben“, so der Papst. Ein weiterer | |
kläglicher Versuch, die Forderung der progressiv-katholischen | |
Frauenbewegung, in Zukunft auch Priesterinnen zu weihen, zu zerschlagen. | |
In Rom arbeitet man nach katholischer Tradition nicht mit Argumenten, | |
sondern nach dem Prinzip der Autokratie, was insofern Sinn ergibt, da die | |
Argumente für die verschlossene Tür so vielfältig wie sinnentleert sind. | |
„Das war schon immer so“ überzeugt wohl schon lange nicht mehr. Im Canon | |
1024 des Codex Iuris Canonici, dem katholischen Kirchengesetzbuch von 1983, | |
steht: „Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann.“ | |
Diese Regel hätte man problemlos ändern können, denn die Norm enthält keine | |
Formulierung wie „kraft göttlicher Weisung“, das einen katholischen | |
Gesetzestext als unabänderlich definiert. Dennoch sorgte gut zehn Jahre | |
später Papst Johannes Paul II. mit seiner „Ordinatio sacerdotalis“ doch | |
noch für eine Unabänderlichkeit. Dort legte er fest, „dass die Kirche | |
keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich | |
alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“. | |
## Die kirchlichen Regeln kommen von misogynen Männern | |
Zwar tätigte er die Aussage nicht ex cathedra, also mit „päpstlicher | |
Unfehlbarkeit“, das Wort „endgültig“ hat jedoch die gleiche Wirkung. Es | |
stand fortan fest: Priesterinnen wird es nicht geben. Beachtlich ist auch | |
die Tatsache, dass den Männern der Kirche eine Vollmacht fehlte, die Frauen | |
zur Priesterweihe zuzulassen. Ein intelligenter Zug: sich selbst für | |
unmündig und damit für nicht verantwortlich erklären. | |
Man muss sich jedoch vor Augen halten, dass die kirchlichen Regeln | |
keineswegs von einer transzendenten Macht stammen, sondern von den | |
misogynen Männern, die bis jetzt das Sagen hatten. Männer, die sich, ließen | |
sie die Priesterinnenweihe zu, selbst widersprechen müssten. | |
Während es bei Loriot noch der Pappa war, der mit dem Satz: „Ich bin | |
pensioniert“ für Unmut im Haus sorgte, sind es heute die Frauen, die aus | |
Sicht der engstirnigen Männer Chaos im Gotteshaus stiften wollen. 1997 | |
erforschte der Soziologe Sven Dierks das „Pappa ante Portas“-Phänomen. | |
Damals berichten Frauen von Beispielen, die in Grundzügen auch auf die | |
Kirche übertragbar sind. So dürfen manche der Ehegatten seit Jahren zwar | |
Obst einkaufen, der Fleischkauf jedoch sei Frauensache, „weil er dazu nicht | |
fähig ist“. | |
Durch die weibliche Emanzipation in der Berufswelt und die männliche | |
Emanzipation im Haushalt hat sich dieses Phänomen inzwischen weitgehend | |
aufgelöst. Die katholische Kirche unterscheidet jedoch weiter zwischen Obst | |
und Fleisch. Der Mann weiht freudig den Leib Christi, und die Frau darf im | |
Garten Eden in den sauren Apfel beißen. Der Apfel, das ist doch der | |
Ursprung allen Übels! | |
## Ohne Eva wären wir bis bis heute apfel- und ahnungslos | |
Ja, die Frau versündigt sich, noch bevor Päpste, Bischöfe und Priester | |
überhaupt existierten. Und wem wäre damit geholfen, einer renitenten | |
Sünderin Tür hoch und Tor weit zu machen, die aus profaner Genusssucht | |
Regeln bricht? Regeln, die nicht hinterfragt werden dürfen, weil sie von | |
einer höheren Macht stammen? Man betrachte die Paradiesgeschichte mal aus | |
einer anderen Perspektive: Der Mann akzeptiert devot, was ihm befohlen | |
wird, wohingegen die Frau sich widersetzt. | |
Ginge es nach Adam, säßen wir immer noch ahnungs-, apfel- und charakterlos | |
herum und wären kein bisschen weitergekommen. Aber Eva, die Sünderin, | |
katapultiert den Menschen in eine neue Entwicklungsstufe: raus aus der | |
illusionistischen Blase, rein in die Realität. Die ist vielleicht keine | |
paradiesisch heile Welt, aber erst hier wird der Mensch zu dem, was ihn | |
ausmacht – einem Individuum, das es wagt, selbst zu denken und eigene | |
Entscheidungen zu treffen. | |
Viele mächtige Männer der katholischen Kirche haben diesen Sprung, diese | |
geistige Entwicklung leider verpasst. Sie verstecken sich hinter der selbst | |
erbauten Schranke der Unmündigkeit. Höchste Zeit, dass sich die katholische | |
Kirche erneuert, wenn sie überleben will. Dazu gehört, Fortschritte | |
zuzulassen, sich Fehler einzugestehen und sie zu bereinigen. Der | |
zweijährige [2][synodale Weg], der im Dezember vergangenen Jahres begonnen | |
hat, scheint wie ein zögerlicher Anfang. Auch dort ist die | |
Priesterinnenweihe Thema. | |
Zweifelhaft bleibt, wie viel eine solche Zusammenkunft von Klerus und | |
Lai*innen bewirken kann. Denn jeder Beschluss, der die Weltkirche betrifft, | |
muss vom Papst abgesegnet werden. Dass er das tut und damit dem Lehramt der | |
katholischen Kirche und großen Teilen seiner männlichen Gefolgschaft in den | |
Rücken fällt, ist unwahrscheinlich. Der synodale Weg ist also nicht mehr | |
als eine verlogene Beschäftigungstherapie. | |
Deshalb müssen die Frauen, evagleich, die Sache selbst in die Hand nehmen. | |
Sich wehren, streiken, zeigen, dass es so nicht weitergehen kann. Mit der | |
Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria einfach mal keinen Beitrag mehr zur | |
Kirche leisten und so beweisen, dass es ohne Frauen eben auch nicht geht, | |
getreu dem Motto: ganz oder gar nicht. Und damit den Papst dazu bringen, | |
endlich den Schlüssel zu benutzen, den er schon viel zu lange mit sich | |
herumträgt, um die Tür zu öffnen, die schon viel zu lange geschlossen ist. | |
17 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Papst-Franziskus-nimmt-Stellung/!5659882 | |
[2] https://www.dbk.de/nc/presse/aktuelles/meldung/synodaler-weg-der-kirche-in-… | |
## AUTOREN | |
isabella falkner | |
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