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# taz.de -- Reaktionen auf Rückzug der CDU-Chefin: AKKs erzwungener Abgang
> Annegret Kramp-Karrenbauer will auf Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz
> verzichten. Merkel bedauert das, die SPD-Spitze gibt sich staatstragend.
Bild: In der CDU endet bald die Zeit der Frauen. Angela Merkel scheidet 2021 au…
Berlin taz | Am Montagnachmittag tritt [1][Annegret Kramp-Karrenbauer] vor
die Presse. Noch ist sie Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union;
insofern ist der Ort ihres Statements, das Berliner Konrad-Adenauer-Haus,
schon richtig gewählt. Aber seit dem Morgen ist klar: Sie wird das Amt
nicht behalten, sie wird die Parteizentrale verlassen müssen. Die Frage,
die auch nach ihrer Pressekonferenz offen bleibt, lautet: wann?
Denn die Vorsitzende auf Abruf hat angekündigt, so lange CDU-Chefin bleiben
zu wollen, bis sich die Union auf einen Kanzlerkandidaten geeinigt hat. Das
könnte schnell gehen – aber auch bis zum regulären Parteitag im Dezember
dauern. Es ist ihr Versuch, „den Prozess von vorne zu führen“, wie sie das
formuliert. Nur dass – bei allem Respekt – vorne ab jetzt endgültig nicht
mehr dort ist, wo Annegret Kramp-Karrenbauer ist. Ab jetzt ist sie eine
lame duck, eine Königin ohne Land, und die Interessenten für ihren Job
bringen sich in Position.
Auffallend kurz nach ihrer Pressekonferenz meldet sich [2][Friedrich Merz]
zu Wort. Im Nachrichtendienst Twitter schreibt er, er werde
Kramp-Karrenbauer dabei unterstützen, „den Prozess ihrer Nachfolge und der
Kanzlerkandidatur als gewählte Parteivorsitzende von vorn zu führen“. Noch
so einer, der meint, da, wo er sei, sei dieses Vorn. Merz macht aus seinen
Ambitionen keinen Hehl. „Ich werde mich in den nächsten Wochen und Monaten
noch stärker für dieses Land engagieren“, versprach er neulich bei Markus
Lanz.
Ein anderer, schon länger gehandelter Nachfolger ist Nordrhein-Westfalens
Ministerpräsident Armin Laschet. Er war wegen des Orkans „Sabine“ nicht in
den Gremiensitzungen anwesend, mahnt aber zur Geschlossenheit. „Der
Zusammenhalt der Union ist dabei die erste Grundlage für erfolgreiche
Wahlen und effektives Regieren.“ Jetzt gelte es, „ gemeinsam mit der CSU
ein überzeugendes Angebot an die Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln“.
Annegret Kramp-Karrenbauer ist nicht zimperlich, wenn es um die
Problemanalyse geht. Die zwischen Angela Merkel und ihr ausgehandelte
Trennung von Kanzlerschaft und CDU-Parteivorsitz, sagt sie, sei „eine
Schwächung der Partei in einer Zeit, in der Deutschland eine starke CDU
braucht“, sagt sie. Beides müsse in einer Hand liegen.
Fraglich ist, ob sie selbst im Fall ausreichender Machtfülle nicht dasselbe
Führungsproblem gehabt hätte wie als Nur-Parteivorsitzende. Im Streit mit
der Thüringer CDU und dem Präsidium um das Verhältnis gegenüber AfD und
Linker konnte sie sich nicht durchsetzen. Einerseits hatte sie Direktiven
ausgegeben und auf Unvereinbarkeitsbeschlüsse gepocht – andererseits durch
die Blume zur stillschweigenden Kooperation mit Bodo Ramelow aufgefordert.
Aus Verstimmung wurde Grimm, aus Grimm Widerstand; interessanterweise
überwiegend von PolitikerInnen, denen das eigene Mandat wichtiger scheint
als das Ansehen der Partei und deren Abgrenzung nach rechtsaußen.
Ob der Übergang so geordnet ablaufen kann, wie sich die Noch-Vorsitzende
dies wünscht, ist alles andere als sicher. Schon kurz nach ihrer Erklärung
war im Parteivorstand ein offener Streit ausgebrochen. Die CDU steht vor
der entscheidenden Frage, [3][wie und wie weit sie sich nach links und
rechts abgrenzt]. Dieser Streit ist virulent. Eigentlich war für den Montag
erwartet worden, dass Vorstand und Präsidium sich auf Sanktionen gegen die
sogenannte Werteunion verständigen, die innerhalb der CDU AfD-Positionen
vertritt. Doch in der Pressekonferenz belässt es Annegret Kramp-Karrenbauer
bei neuerlichen Ermahnungen.
Weiter ungeklärt ist mit Kramp-Karrenbauers Entscheidung, wie es in
Thüringen weitergehen soll, ebenso in der Großen Koalition. Ihr Vorsatz,
Vorsitzende zu bleiben, um anstehende Fragen operativ klären zu können,
dürfte schwerlich umzusetzen sein. Spätestens ab diesem Montag fehlt
Annegret Kramp-Karrenbauer dafür die nötige Durchsetzungskraft. In der CDU
endet nun bald die Zeit der Frauen. [4][Angela Merkel] scheidet 2021 aus
dem Amt, die Frau, die sie beerben sollte, gibt auf. „Ich habe diese
Entscheidung heute mit allergrößtem Respekt zur Kenntnis genommen, sage
allerdings auch, dass ich sie bedauere“, kommentierte Merkel.
## Belastungsprobe für die Regierung
Für Kramp-Karrenbauers schnelles Ende an der Spitze der CDU sind nicht nur
die Zentrifugalkräfte im eigenen Laden verantwortlich. Sie ist es schon
auch selbst. Mal verstörte sie mit lauen Witzchen über Gendertoiletten
aufgeklärte WählerInnen, mal forderte sie eine Schutzzone in Nordsyrien,
ohne nennenswerte Unterstützung in der Koalition und ohne eine Idee, wie
jene umzusetzen sei. Die Frage, ob sie mit ihrer Aufgabe heillos
überfordert sei, wurde in der Union seit Längerem diskutiert.
Der Personalstreit in der CDU trifft zeitlich zusammen mit einer schweren
Belastungsprobe für die Regierung. Im Willy-Brandt-Haus ahnt man am
Montagmorgen nichts von dem, was kommt. Beim Koalitionsausschuss am Samstag
hatte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans „noch nicht erkennen können“, dass
die CDU-Chefin auf dem Absprung ist. Am Montag will die SPD den Eindruck
vermeiden, Krisengewinnler zu sein.
Nowabo, vor ein paar Wochen noch erklärter Groko-Skeptiker, „wünscht sich,
dass der CDU gelingt“, was die SPD ja auch schaffte: nämlich eine neue
Führung zu küren und gleichzeitig „stabiler Teil der Regierung“ bleiben.
Die Union sei tief zerrissen und müsse sich deutlich von den Rechtsextremen
abgrenzen, so Nowabo. Doch zur Zukunft der Groko hört man von ihm nichts
Kritisches.
Man strebe vielmehr an, mit den Inhalten weiterzukommen. Groko-Kritik würde
auch den mühsam errungenen innerparteilichen Frieden in der SPD infrage
stellen. Auf Nachfrage betont Nowabo allerdings, dass der Koalitionsvertrag
für die SPD noch immer nur mit Kanzlerin Angela Merkel gilt. Andernfalls
gebe es „eine neue Lage“. Co-Chefin Saskia Esken steht wortlos neben
Nowabo: Ihr hat es die Sprache verschlagen, erkältungsbedingt. Ob die
Koalition tatsächlich den anstehenden Machtkampf in der CDU übersteht, ist
offen.
## Annalena Baerbock befürchtet Machtvakuum
Auch für die künftige Bundesregierung werden jetzt die Karten neu gemischt.
Mit Merz wäre ein schwarz-grünes Bündnis schwerer zu machen als mit
Laschet. So lautet eine verbreitete Einschätzung in der Ökopartei.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock warnt am Montag vor einem „Machtvakuum“
nicht nur in Thüringen, sondern auch in der CDU. „Mit diesen ungelösten
Konflikten kann man schwer staatspolitische Verantwortung in diesem Land
tragen.“ Die ungelöste Frage, wie sich die CDU zur Linken verhalte, habe zu
dem Drama in Erfurt geführt, sagt Baerbock.
Die Union verweigere sich der Erkenntnis, dass es einen „riesengroßen
Unterschied“ zwischen der AfD und der Linken, insbesondere Bodo Ramelow,
gebe. Auch nach Kramp-Karrenbauers Ankündigung sei weiterhin nicht gelöst,
wie man mit den Zentrifugalkräften umgehen wolle, die die Partei
auseinandertrieben. Wäre es das Ende von Schwarz-Grün im Bund, wenn die CDU
in Bundesländern mit der AfD kooperiert? Dieser brisanten Frage wich
Baerbock aus. Die Grünen hätten gegenüber der Union „sehr, sehr deutlich
gemacht“, dass es mit Rechtsextremen keine Zusammenarbeit gebend dürfe.
Aber man gehe der AfD auf den Leim, wenn demokratische Parteien jetzt in
einen „Was wäre, wenn“-Diskurs einstiegen. „Dieses Spiel mache ich nicht
mit“, betonte Baerbock.
10 Feb 2020
## LINKS
[1] /Die-CDU-und-die-Thueringen-Affaere/!5659508
[2] /Warum-Merz-sich-nicht-als-Kanzler-eignet/!5659590
[3] /CDU-und-das-Thueringer-Debakel/!5659518
[4] /Ruecktritt-von-Annegret-Kramp-Karrenbauer/!5662647
## AUTOREN
Anja Maier
Stefan Reinecke
Ulrich Schulte
## TAGS
CDU
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aus.
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