Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Morddrohungen gegen Schwedens Indigene: „Da bekommst du dann doch…
> Ein historisches Urteil sollte die Situation der Indigenen im Norden
> eigentlich verbessern. Doch es beschert den Samen nun rassistische
> Drohungen.
Bild: Für die Samen die wirtschaftliche Existenz: eine Rentierherde im schneeb…
STOCKHOLM taz | Auf diese Begegnung hätte Lars-Ola Jannok gerne verzichtet.
Als er letzte Woche im nordschwedischen Gällivare nach seinen Rentieren
sehen wollte, hielt in Dunkelheit und Schneegestöber ein Auto neben ihm.
Der Fahrer öffnete das Fenster und schrie: „Komm nur her mit deinen
Rentieren, damit ich sie gleich erschießen kann. Ich habe sowieso schon
sieben erledigt. Und wenn mir einer von euch Lappen allein im Wald
begegnet, knalle ich den auch ab.“ Er sei völlig perplex gewesen, erzählt
Jannok später im Rundfunk: „Und richtig unangenehm wird so was ja erst
später. Da bekommst du dann doch Angst.“
Jannok ist Teil der indigenen Samen, die im Norden Schwedens zum Großteil
von Rentierzucht leben. Jannok erstattete Anzeige. Die häufen sich bei der
Polizei in Nordschweden in den letzten Tagen.
Vergangene Woche hatte [1][der oberste Gerichtshof Schwedens in einem
Grundsatzurteil] den Samen umfassende Rechte bei der Landnutzung zuerkannt,
darunter das ausschließliche Verwaltungsrecht über Jagd und Fischfang. In
Teilen der nichtsamischen Bevölkerung kam das nicht gut an: Jagd und
Fischfang sind in Lappland populäre Freizeitaktivitäten.
## Rassistischer Hass im Netz
Persönliche Drohungen wie die gegen Jannok mögen Einzelfälle sein, aber im
Netz kocht der rassistische Hass gegen die Samen hoch. „Rettet einen
Vielfraß – erschießt einen Samen“, heißt es da in Bezug auf eine Mardera…
oder: „Nehmt eure alten Autos und fahrt alle Rentiere über den Haufen.“
Henrik Blind, grüner Kommunalpolitiker im Ort Jokkmokk und selbst Same,
empört sich: „Die Jugendlichen, die sich ständig in den sozialen Medien
bewegen, müssen diese Kommentare ständig lesen. Das ist unerträglich.“ Auch
die samische Sängerin, Schauspielerin und Rentierbesitzerin Sofia Jannok
ist erschüttert: „Es ist abscheulich, dass Menschen glauben, im Netz
schreiben zu können, was sie wollen.“
Sie startete [2][den Hashtag #BackaGirjas] (Unterstützt das Urteil) und
fordert: „Alle müssen jetzt Verantwortung übernehmen und zeigen, dass sie
so etwas nicht hinnehmen. Besonders wenn sie selbst keine Samen sind.“ Sie
erinnert an die Verantwortung des schwedischen Staats für den Hass gegen
die Samen, der keinesfalls neu sei.
Tatsächlich kam ein 2008 von staatlicher Stelle veröffentlichter Bericht zu
dem Ergebnis, dass die rassistischen Vorstellungen, die Schwedens
offizielle Samenpolitik lange prägten, noch heute Einfluss auf das Bild der
Samen in der breiten Bevölkerung und damit auf deren Lebensbedingungen
haben. Seit er ein Kind war, sei ihm vermittelt worden, dass Samen „weniger
wert“ sind, sagt Lars-Ola Jannok. „Und jetzt eskaliert das wieder.“
## Mehr Mitbestimmung
Vertreter des Samenparlaments Sameting werfen [3][der nordschwedischen
Zeitung] Norrländska Socialdemokraten vor, mit ihren Kommentaren die
bösartige Stimmung anzuheizen. „Wenn man da jedenfalls zwischen den Zeilen
lesen kann, dass nun die gesamte gesellschaftliche Entwicklung in
Nordschweden ausgebremst werde, hat das natürlich einen Einfluss“, sagt die
Sameting-Abgeordnete Marita Stinnerbom.
Schwedens grüne Kultur- und Samenministerin Amanda Lind verspricht, die
Regierung werde gegen „diesen fürchterlichen Hass und Rassismus mit allen
Kräften aktiv werden“. Es werde an einem Gesetz gearbeitet, das den Samen
mehr Mitbestimmungsrechte einräumen soll. Solche Entwürfe waren im
Parlament mehrmals gestoppt worden, zuletzt vor zwei Jahren von den
Sozialdemokraten.
Schweden war von internationalen Organisationen wie dem
UN-Menschenrechtsrat wiederholt dafür kritisiert worden, die
Minderheitenrechte der Samen nicht zu kodifizieren.
5 Feb 2020
## LINKS
[1] /Indigene-in-Schweden/!5656553
[2] https://twitter.com/hashtag/BackaGirjas?src=hashtag_click
[3] /Zeitungskrise-in-Schweden/!5650498
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Samen
Indigene Kultur
Lappland
Schweden
Schweden
Schwedendemokraten
Lokaljournalismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Indigene in Schweden: Epochaler Sieg für Samen
Schwedens oberster Gerichtshof gibt Indigenen Rechte zurück. Das könnte
weitreichende Auswirkungen auf Landnutzung haben.
Rechtsextreme Partei in Schweden: Rassisten salonfähig?
Die konservativen Moderaten wollen mit den rassistischen Schwedendemokraten
kooperieren. Die profitieren davon, dass ihre Themen nun Mainstream sind.
Zeitungskrise in Schweden: Große weiße Flecken
Schwedens Lokalpresse hat ein Problem: Redaktionen werden geschlossen oder
verkleinert. Die staatliche Presseförderung hilft dabei nur wenig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.