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# taz.de -- Kahn wird Vorstand beim FC Bayern: Symbol der Genussfeindlichkeit
> Oliver Kahn soll dem FC Bayern München als Vorstand Heil bringen. Was
> taugt er als Chef des FC Hollywood, der in Wahrheit ein FC Vorabend ist?
Bild: Von den huldvollen Göttern verlassen: Oliver Kahn 2002 in Yokohama
Der Typ ist vielleicht ’ne Marke! Oliver Kahn. Jetzt wird er
Vorstandsvorsitzender des FC Bayern irgendwann. Das ist eine Geschichte,
die sich auf mehrerlei Arten erzählen lässt. Es hat sich bisher vor allem
eine Erzählung festgesetzt. Oliver Kahn, wie er in den mütterlichen Schoß
des FC Bayern heimkehrt! Die Rückkehr des Eigenwilligen in sein
liebevolles, aber durchaus strenges Elternhaus!
Oliver Kahn als einer, der es durchaus zu was gebracht hat außerhalb seiner
FC-Bayern-Familie, der als gemachter Mann zurückkehrt; und der jetzt helfen
soll, längst vergangene, glorreiche Zeiten wiederaufleben zu lassen und
eine neue Ära zu begründen. Wie in so einem wahnsinnig langweiligen
Thomas-Mann-Roman, sagen wir zum Beispiel „Buddenbrooks“.
Entsprechend hagelt es in der Berichterstattung biologistische Metaphern,
selbst [1][in der taz] konnte man vom Bayern-Gen lesen, das der Oliver Kahn
in sich trägt und das es jetzt wieder zu implementieren gilt – sinngemäß.
Souverän soll er gewesen sein bei seiner Vorstellung, was wohl so viel
heißt wie: hat auf alle zahnlosen Fragen einigermaßen unfallfrei
geantwortet.
Die kritischsten Fragen betreffen das Binnenverhältnis in dieser
selbsternannten Bayern-Familie: Wie wird wohl das Verhältnis zu Karl-Heinz
Rummenigge, den er mal als Vorstandsvorsitzender beerben soll, aussehen?
Welche Zwistigkeiten erwarten ihn und den Sportdirektor Hasan Salihamidžić?
Welche Trainerfigur schwebt ihm so vor für die kommenden Jahre? Wird er die
notwendigen Impulse geben können, um den FC Bayern tatsächlich in eine
glorreiche Zukunft führen zu können?
## Grimmig und gebrochen
Man spricht gern vom FC Hollywood, wenn man über die Bayern redet; aber das
sind so Konfliktlinien, die funktionieren eigentlich nur als Daily Soap.
Eigentlich müsste man vom FC Vorabend reden. Das liegt nicht zuletzt an
Oliver Kahn. Im Grunde ist er der ideale antimoderne Held. Sein Antrieb ist
sein Wille, ein Ehrgeiz, der sein Können immer überstrahlt hat. Kein
Triumph war groß genug, kein Erfolg ausreichend, als dass nicht hinterher
Oliver Kahn vor irgendwelche Mikrofone trat und verkündete, man müsse
„hungrig bleiben“ und „gierig sein“ und so weiter.
Die ganze Genussfeindlichkeit der deutschen Fußballlandschaft rieselte ihm
dabei aus seinen Magenfalten. Entsprechend wird das ikonografische Bild
seiner Karriere immer in Erinnerung bleiben, wie er nach seinem Patzer im
Finale 2002 am Pfosten sitzt, ein einsamer Mann, [2][gebrochen und
grimmig], den im Moment, als er sie am notwendigsten brauchte, die
huldvollen Götter verließen. Wenn das Hollywood ist, dann ist es The Wolf
of Wall Street, aber halt in einer bergdörflichen Variante: es wird keinen
tiefen Fall geben.
Ein Oliver Kahn fällt immer weich. Was daran liegt, dass er gut beraten
wird. Der Aufstieg des Oliver Kahn an die Spitze des größten deutschen
Fußballclubs ist auch die zweitbeste Geschichte über die Effizienz von
Mediencoaching im deutschen Fernsehen (die beste Story dazu ist Lothar
Matthäus). Weil: Ein Mann des Wortes war Oliver Kahn nie. Sollte er mal
gedacht haben, hat er das in der Regel sehr gut für sich behalten.
Aus unerfindlichen Gründen hat es gereicht, nichts allzu Falsches zu sagen
und sich dabei von Katrin Müller-Hohenstein anhimmeln zu lassen, um als
Experte durchzugehen. Und sich diese Screentime dann veredeln zu lassen;
erstaunlich wenige kritische Stimmen wurden laut, als Oliver Kahn
Testimonial für Wettanbieter wurde. Warum ein Mann, der offensichtlich
genug Geld verdient hat, sein Renommee an eine derart niederträchtige
Branche verkauft, blieb als Frage immer außen vor.
Es muss ein seltsames Gefühl sein, morgens in den Spiegel zu sehen und sich
zu denken: „Ich bin Oliver Kahn, und das ist gut so.“ Noch seltsamer ist
der Gedanke, dass das nicht alle stinkend langweilig finden, die nicht
Oliver Kahn sind.
24 Jan 2020
## LINKS
[1] /Einfuehrung-in-die-FC-Bayern-Genetik/!5650431
[2] /Die-Wahrheit/!5628461
## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
Kolumne Helden der Bewegung
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Oliver Kahn
Karl-Heinz Rummenigge
Fußball
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