| # taz.de -- Antisemitismus in der Labour-Partei: Schaulaufen für Corbyns Nachf… | |
| > Bei der Labour-Partei hat der Wahlkampf um die Nachfolge von Jeremy | |
| > Corbyn begonnen. Das Thema Antisemitismus erregt die Gemüter am meisten. | |
| Bild: Von links nach rechts: Long-Bailey, Philllips, Thornberry, Nandy, Starmer | |
| Liverpool taz | Vor der ACC-Kongresshalle in Liverpool stehen sie mit | |
| Palästinaflaggen und Keffiehs: die Corbyn-treue JVL (Jewish Voice for | |
| Labour), „Labour gegen die Hexenjagd“ und die „Liverpooler Freunde | |
| Palästinas“. Anlass ist das erste öffentliche Schaulaufen der | |
| [1][KandidatInnen um die Nachfolge Jeremy Corbyns] als Labour-Chef nach dem | |
| [2][Wahldebakel vom Dezember]. Rund 1.000 Menschen sind dafür an diesem | |
| Samstag gekommen. | |
| Für die Labour-Partei geht es um die Rückkehr an die Macht. Aber Fahrt | |
| nimmt die Debatte erst beim Thema Antisemitismus auf – es geht um die | |
| Vorwürfe, die Führung um Corbyn habe antisemitische Umtriebe in der Partei | |
| verharmlost und ignoriert, wenn nicht sogar unterstützt. | |
| Im Publikum sind viele eigentlich gekommen, um zu hören, welche Themen | |
| jetzt relevant sind und wie Probleme überwunden werden können. Doch wer | |
| glaubt, dass etwas anderes Wellen schlägt als Antisemitismus, wird | |
| enttäuscht. | |
| Ausgangspunkt ist, dass alle fünf KandidatInnen einen | |
| 10-Punkte-Forderkatalog des jüdischen Dachverbandes Jewish Board of | |
| Deputies (BOD) mittragen: Antisemitismusvorwürfe müssten von einem | |
| unabhängigen Gremium geprüft werden und nicht bloß parteiintern; Labour | |
| müsse mit den offiziellen Vertretern der jüdischen Gemeinschaft verhandeln | |
| und nicht mit Randgruppen. Außerdem müsse Labour die international | |
| anerkannte Definition von Antisemitismus anerkennen. | |
| Die Flugblätter, die vor dem Eingang verteilt werden, zeigen das Ausmaß des | |
| Problems. Auf einem wird die Schuld von des Antisemitismus bezichtigten | |
| Personen geleugnet. Im Saal erklärt der pensionierte Geografielehrer Norman | |
| Lovely aus Wirral, die Sache mit dem Antisemitismus sei „überspitzt“ und | |
| hänge „mit der Israellobby“ zusammen. | |
| Lovely tendiert zu Rebecca Long-Bailey als neue Parteichefin – die | |
| Kandidatin der linken Basisbewegung „Momentum“. In der Vorstellungsrunde | |
| bezeichnet sich die 40-Jährige als „wütende Tochter“ eines Hafenarbeiters. | |
| Politisch zeigen sich die KandidatInnen einig, etwa über das letzte | |
| Wahlprogramm: gute Ideen, schlecht präsentiert. | |
| Favorit Keir Starmer, bisher Schattenbrexitminister, betont, dass der | |
| Verbleib in der EU nun vom Tisch sei. Schattenaußenministerin Emily | |
| Thornberry nennt Premierminister Boris Johnson einen kaltschnäuzigen | |
| Scharlatan, der zur Rechenschaft gezogen gehöre. Das löst lauten Beifall | |
| aus. | |
| ## „Die Glaubwürdigkeit verwirkt“ | |
| Nach einer Dreiviertelstunde kommt die unvermeidliche Frage zum | |
| Antisemitismus. Long-Bailey erklärt sich betroffen, dass manche Leute nicht | |
| Labour wählten, weil sie die Partei für antisemitisch hielten. Ihre | |
| Forderung nach einem verbesserten Beschwerdewesen entspricht ganz der | |
| aktuellen Parteilinie. | |
| Da setzt Corbyn-Kritikerin Jess Phillips, die ansonsten wenig engagiert | |
| wirkt, zur Attacke an: „Als eine, die im Raum war und sich auf zahlreichen | |
| Sitzungen für ein parteiunabhängiges System einsetzte, kann ich mich nicht | |
| daran erinnern, dass einige der Leute hier ebenfalls anwesend waren.“ | |
| Labour habe „die Glaubwürdigkeit, antisemitische Vorfälle selber regeln zu | |
| können, verwirkt“. | |
| Immerhin gibt es dafür etwas Beifall, jedoch weniger als für Emily | |
| Thornberry. Sie beginnt mit der Bemerkung, dass Israels Netanjahu-Regierung | |
| durchaus kritisiert werden müsse, denn „sie fügt Palästina Schlimmes zu – | |
| das ist jedoch nicht die Schuld der Juden!“. Das sei der Punkt, wo | |
| Israelkritik in Rassismus abgleite. | |
| Dann wendet sie sich an Phillips direkt und ruft, zu starkem Beifall: „Ich | |
| sag dir was, Jes: Ich war immer klar und ich werde es immer sein, denn dies | |
| ist für die Labour-Partei unakzeptabel. Es untergräbt unsere Seele.“ | |
| Antisemiten gehörten aus der Partei geschmissen, so wie 1937 der Faschist | |
| Oswald Mosley. | |
| Lisa Nandy sagt, sie werde nie vergessen, wie jüdische Labour-Abgeordnete | |
| verlangten, die internationale Definition des Antisemitismus zu | |
| akzeptieren, worauf die Parteiführung antwortete, dass sie Antisemitismus | |
| besser definieren könne. „Wir können nicht behaupten, für eine fairere | |
| Gesellschaft zu sein, ohne unser eigenes Haus in Ordnung zu bringen, und | |
| das beginnt sofort“, mahnt sie. | |
| Schließlich insistiert auch Keir Starmer: „Wer antisemitisch ist, hat kein | |
| Recht, in der Partei zu sein. So einfach ist das.“ | |
| ## Kritik vom jüdischen Dachverband | |
| Auch als die AnwärterInnen für den Stellvertreterposten debattieren, kommen | |
| Emotionen erst beim Antisemitismus auf. Dawn Butler, Schattenministerin für | |
| Gleichberechtigung und Tochter jamaikanischer Eltern, insistiert, dass die | |
| Mehrheit der Partei keine Rassisten seien, „aber wir haben ein paar und | |
| müssen sie loswerden“. | |
| Dann verkündet sie, dass sie die BOD-Forderungen nicht unterstütze, weil | |
| sie erst auf die Ergebnisse der laufenden Untersuchung der britischen | |
| Menschenrechtskommission gegen Labour warten wolle. „Ich möchte es nicht | |
| übereilen, weil es zu wichtig ist und wir es richtig machen müssen!“, sagt | |
| sie. | |
| Damit holt Butler den größten Beifall des Tages. Sie und Mitbewerber | |
| Richard Burgon sind die Einzigen, die die BOD-Forderungen zurückweisen. | |
| Am Sonntag kritisiert der jüdische Verband: „Nach viereinhalb Jahren | |
| Versagen gegen Antisemitismus denken Richard Burgon und Dawn Butler immer | |
| noch, dass sie besser wissen als die jüdische Gemeinschaft, wie man dieses | |
| Übel bekämpft. Keine andere Minderheit würde man so behandeln.“ | |
| 19 Jan 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Labour-Partei-in-Grossbritannien/!5652380/ | |
| [2] /Wahlen-in-Grossbritannien/!5646763/ | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Zylbersztajn | |
| ## TAGS | |
| Großbritannien | |
| Labour Party | |
| Jeremy Corbyn | |
| Antisemitismus | |
| Großbritannien | |
| Labour | |
| Labour | |
| Wahlen in Großbritannien | |
| Labour Party | |
| Großbritannien | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Jeremy Corbyn in der Labourpartei: Erst draußen, dann wieder drin | |
| Ein parteiinterner Ausschuss hat den Ex-Vorsitzenden wieder aufgenommen. In | |
| die Parlamentsfraktion könne er aber nicht, so Labour-Chef Keir Starmer | |
| Richtungswechsel bei der Labour-Partei: Die Tories höflich im Visier | |
| Nach seiner Wahl zum Chef der britischen Labour-Opposition bietet Zentrist | |
| Keir Starmer der Regierung von Boris Johnson Zusammenarbeit an | |
| Neuer Chef der britischen Labour Party: Keir Starmer löst Corbyn ab | |
| Großbritannien hat einen neuen Oppositionsführer: Der ehemalige | |
| Menschenrechtsanwalt Keir Starmer steht für eine Abkehr vom | |
| linksgerichteten Kurs Corbyns. | |
| Wahlkampf in Großbritannien: Labours Brennpunkt | |
| Die Labour-Partei versinkt in Antisemitismusvorwürfen. Im vergangenen | |
| Frühjahr trat Luciana Berger deswegen aus. Nun stellt sich sich selbst zur | |
| Wahl. | |
| Labour im britischen Wahlkampf: Suche nach moralischem Kompass | |
| Labour trumpft im Wahlkampf mit einem enormen Sozialprogramm auf – erntet | |
| aber dennoch Kritik. Das hängt mit dem Personenkult in der Partei zusammen. | |
| Labour-Parteitag in Großbritannien: Kampf um Herz und Seele der Partei | |
| Nach wie vor steht die britische Labour-Opposition im Schatten der | |
| Antisemitismus-Debatte. Manche jüdische Mitglieder haben bereits | |
| aufgegeben. |