Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Buch „Antisemitismus im Fußball“: Judenfeindlichkeit und ihr W…
> Über eine beeindruckende Sammlung antisemitischer Vorfälle im deutschen
> Fußball, die auch ein Appell für gezielte Gegenstrategien ist.
Bild: Politisches Bewußtsein: Düsseldorfer Anhänger warnen vor Antisemitismus
In den vergangenen 30 Jahren ist es vor allem kritischen Fans zu verdanken,
das Thema Antidiskriminierung im Fußball auf die Agenda gehoben zu haben.
In den 1990er und 2000er Jahren war es das Bündnis aktiver Fußballfans
(BAFF), das etwa mit seiner Wanderausstellung „Tatort Stadion“ auf extrem
rechte, rassistische und antisemitische Vorfälle im Fußball aufmerksam
gemacht hat, dabei auch Konflikte mit dem Deutschen Fußball-Bund einging.
Manch einer der damals Aktiven konnte darauf eine wissenschaftliche
Karriere bauen. [1][Florian Schubert], langjähriger BAFF-Aktivist, hat im
vergangenen Jahr seine Doktorarbeit zu „Antisemitismus im Fußball“
veröffentlicht.
Antisemitismus definiert er als Sammelbegriff, der die Stigmatisierung von
Menschen als Juden beschreibt, die „egal ob jüdisch oder nicht (…) aufgrund
dieser Zuschreibung mit einem (negativen) Merkmalsbündel belegt werden“. Es
geht also um Abwertung von Gruppen. Vom Rassismus unterscheide sich
Antisemitismus darin, dass Juden meist Macht und Weltverschwörung
unterstellt wird, weshalb es eine regressive antimoderne Weltanschauung
ist. Auf der Basis dieser Definition untersuchte Schubert Handlungen und
Kommunikation von Fußballfans und -gruppen anhand von Interviews und
Dokumentenanalyse.
Er dokumentiert neonazistische Aktivitäten in den 1980er und 90er Jahren,
berichtet von antisemitischen Hetzschriften gegen Funktionäre von TeBe
Berlin und die Schmähung der Finanzkraft des FC Bayern München als
„Judenverein“. Derartige intendierte Formen hätten aber abgenommen, seien
leicht zu erkennen, so Schubert. Häufiger werde der Begriff „Jude“ mit
„nicht eindeutig definierten negativen Attributen“ gekoppelt, „ein nicht
weiter begründbares negatives Gefühl“. Dieser schleichende Antisemitismus
präge latent die Kommunikation, vor allem die Abwertung gegnerischer Fans.
## Veränderte Begriffe
Auch sei das Wort Jude aufgrund der Strafverfolgung mancherorts durch einen
Begriff ersetzt worden, der, von einer Menschenmenge gesungen, ähnlich
klingt: „Youtube Jena“ oder auch „Huren Berlin“. Die darunterliegende
einstmalige Bedeutung sei dennoch vielen bewusst und werde
weitertransportiert. Während Vertreter von [2][Maccabi-Vereinen] in
Deutschland seit Langem vor steigendem Antisemitismus auf dem Platz warnen,
mangele es bei vielen Fans enorm an Empathie für Betroffene und der nötigen
Sensibilität, kritisiert Schubert eindringlich.
Bei aller Materialdichte liegt die Schwäche des Buches im zugrunde gelegten
Forschungsstand zu Antisemitismus. Klaus Holz’ Theorie beispielsweise über
die antisemitische Konstruktion des Juden als „Figur des Dritten“ wird
nicht aufgeführt. Holz hatte herausgearbeitet, wie Juden in
nationalstaatlichen Konflikten des 19. Jahrhunderts von allen Seiten als
abtrünnig verdächtigt und verfolgt wurden. Sie wurden also nicht als Gegner
abgewertet, sondern grundsätzlich aus dem System der Zugehörigkeiten
ausgeschlossen. Gibt es hierfür auch Beispiele im Fußball und dessen
Fanszenen?
Dennoch ist das Buch eine beeindruckende Sammlung und Dokumentation
antisemitischer Vorfälle. Gerade für Einsteiger in das Thema ist es eine
imposante Darstellung darüber, wie juden- sowie generell menschenfeindliche
Einstellungen im Fußball ihren Weg in die Öffentlichkeit finden. Es ist ein
dringender Appell, gezielte Gegenstrategien zu entwickeln und langfristig
zu fördern.
9 Jan 2020
## LINKS
[1] /Politologe-ueber-Antisemitismus-im-Fussball/!5583295
[2] /Antisemitismus-im-Fussball/!5572275
## AUTOREN
Robert Claus
## TAGS
Antisemitismus
Fußball
Fans
FC Bayern München
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
RB Leipzig
Schwerpunkt Rassismus
Fußball
Antisemitismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Holocaust-Überlebende beim FC Bayern: Trotz Hass zum Fußball
Sein Vater ging mit anderen Schoah-Überlebenden ins Stadion – trotz des
Antisemitismus dort. Ein Buchauszug unseres Autors zur Familiengeschichte.
Antisemitismus im Fußball: Hasspartikel in allen Ritzen
Die Feinfühligkeit in Sachen Rassismus ist groß, auch im Fußball. Aber was
ist mit antisemitischen Tendenzen in Europas Ligen?
Antisemitische RB Leipzig-Kritik: „Vieles liegt im Graubereich“
Ein Gespräch über antisemitische Stereotype in der Kritik an RB Leipzig.
Soziologe Brunssen und Fußballfan Pauly diskutieren, was geht und was
nicht.
Rassistische Schmähungen im Fußball: Doppelte Missachtung
Was Rassismus ist, weiß die italienische Zeitung „Corriere dello Sport“
besser als die Opfer. Dafür wird sie nun heftig kritisiert.
Kolumne Press-Schlag: Antisemitismus im Fußballstadion
Rassismus und Antisemitismus gehören in vielen Ländern zum Fußball. Die
Premier League zeigt, wie man mit diesen Problemen begegnen kann.
Antisemitismus in der 2. Liga: DFB und Union unterstützen Cohen
Der Deutsche Fußball-Bund verurteilt einen antisemitischen Tweet gegen
Profi Almog Cohen vom FC Ingolstadt. Der Staatsschutz ermittelt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.