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# taz.de -- Lesereihe „Zwischen/Miete“: Auf dem Badewannenrand
> Mit Lesungen in WGs und privaten Räumen will die Reihe Zwischen/Miete
> junges Publikum für Literatur begeistern. Ein Ortstermin in Köln.
Bild: Gemütlich – bei den „Zwischen/Miete“-Lesungen sitzt man auch mal a…
Köln taz | Freitagabend in Köln. Die Scheiben am Co-Working-Space in der
Innenstadt sind beschlagen. Tagsüber arbeiten hier Journalist:innen an
ihren Projekten, nun besuchen 25 Menschen eine Lesung. Eintritt 5 Euro,
Bier inklusive.
[1][„Zwischen/Miete“]„Zwischen/Miete“ nennt sich die Lesereihe, die es
in Köln seit 2016 gibt. Die Idee: Autor:innen lesen in einer WG oder
anderen privaten Räumen, das Publikum sitzt auf dem Boden, die Lesung hat
familiären Charakter.
Ins Kölner Nachtleben gerufen hat sie Tilman Strasser, Autor und ehemaliger
Mitarbeiter des Literaturhauses Köln. „Wir haben uns gefragt, wie wir
junges Publikum ins Literaturhaus bekommen“, erzählt er. Das Literaturhaus
residiert in einem Haus aus dem späten 16. Jahrhundert: hohe Decken, großer
Kamin, Fachwerk und Butzenscheibchen.
Also ging man an andere Orte. „Die Idee für die Reihe habe ich geklaut“,
gesteht Strasser. Er war selbst einmal Gast in der Zwischen/Miete. Damals
war er noch Literaturstudent in $(LB3476148:Hildesheim|_blank)$ und
wurde nach Freiburg eingeladen, wo die Reihe ihren Anfang gefunden hat.
## Kuschelig privat
Mittlerweile ist das Format etabliert: In Stuttgart und der Schweiz finden
Lesungen in WGs statt, der Heidelberger Karlstorbahnhof suchte für eine
Lesung sogar eine WG per Wohnungsanzeigenportal. Und Strasser veranstaltet
mittlerweile Lesungen in sieben Städten in Nordrhein-Westfalen.
Anspruchsvoll ist er bei der Auswahl der Leseorte nicht. „Es geht um
absolute Niedrigschwelligkeit“, sagt Strasser. „Zur Not sitzt man halt auf
der Badewannenkante.“
Im Kölner Co-Working-Space machen wir es uns auf Bürostühlen, Bierbänken
und Sesseln bequem. Neben mir sitzt ein Paar. Er aus Köln, sie aus Münster.
Sie hat ihn zur Zwischen/Miete mitgenommen, weil sie schon in Münster auf
einer Lesung in einer WG gewesen ist. „Das war sehr kuschelig“, sagt sie.
Man habe Ellbogen an Ellbogen im Flur gestanden, während die Mitbewohner in
der WG-Küche Pizza gegessen hätten. In Münster gehe sie ansonsten nicht
gerne auf Lesungen: Sie sind ihr zu förmlich.
## Sie ist eine Nerdette
Förmlichkeit ist am Freitag kein Problem. Zu Gast ist die Greifswalder
Autorin $(LB3587275:Berit Glanz|_blank)$. Sie hat gerade ihren Debütroman
„Pixeltänzer“ veröffentlicht, in dem eine junge Start-up-Angestellte nach
einem anonymen Anruf ein tiefgehendes Interesse an einer Tänzerin der
expressionistischen Künstlergruppe „Der Sturm“ entwickelt.
Die Kritik liebt das Buch, das zwischen zwei Zeitebenen und mindestens
doppelt so vielen Literaturepochen springt. Glanz und Strasser plaudern auf
dem Podium, duzen sich, machen Witze: Ob sie ein Nerd sei, fragt Strasser
und Glanz antwortet: „Nerdette“, Lachen im Publikum.
Berit Glanz beginnt, aus ihrem Roman vorzulesen. Die erste Textstelle
spielt in einem Start-up: Jemand ist ein „Junior Quality Assurance
Manager“, es gibt alberne Gadgets. Eins davon ist ein Roboter-Fisch, der im
firmeneigenen Aquarium schwimmt und dabei über eine eingebaute Webcam den
Fischaugenblick auf einen Großbildschirm im Büro projiziert.
Die Satire auf Überwachung am Arbeitsplatz funktioniert, im Publikum wird
gelacht. Später liest Glanz eine Textstelle, die im Jahr 1910 spielt, als
Deutschland von einem Kometenfieber erfasst wurde. Nun klingt der Text wie
ein realistischer Roman der bürgerlichen Epoche.
Während sie liest, schließen manche im Publikum die Augen, um besser folgen
zu können, andere scrollen durch ihren Instagram-Feed – so wie man es auch
machen würde, wenn man zu Hause auf der Couch das Hörbuch laufen lässt.
Viele Besucher:innen sind unter dreißig, nur vereinzelt sind graue
Haare zu sehen. Das Köln-Münsteraner Paar zieht in Richtung Kino weiter.
Strasser will eine neue Selbstverständlichkeit im Umgang mit Literatur
herstellen – über Bücher zu sprechen, solle für die junge Generation so
gängig sein wie sich über Serien auszutauschen. Auch deshalb veranstaltet
Strasser Ende Januar 2020 das erste Leseclub-Festival in Köln.
„Alle Besucher bekommen eins von vier Büchern geschickt, dann haben sie
vier Wochen Zeit, es zu lesen“, sagt er. Schließlich treffen sich 20
Menschen gemeinsam mit der Autorin in einem Raum, um über das Buch zu
sprechen – ohne inhaltliche Vorgaben. Die Idee dafür hat er übrigens auch
geklaut – aus Berlin.
20 Dec 2019
## LINKS
[1] http://zwischenmiete.nrw
## AUTOREN
Christian Werthschulte
## TAGS
deutsche Literatur
Literatur
Lesung
open mike
Debbie Harry
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